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„An Indian from the Netherlands” Nach Misha Mengelbergs vor zwei Jahren herausgekommenen DVD-Biografie „afijn“ ist nun das künstlerische Leben des zweiten Pioniers des freien und aktuellen Jazz in Europa, des Multikünstlers und Schlagzeugers Han Bennink zu sehen. Natürlich ist wesentlicher Bestandteil des Films ein nachhaltiges Stück niederländischer Musikgeschichte. Hat doch auch ein genialer Musiker wie Bennink sich entwickelt, auch mehr oder weniger klassische Stationen durchlaufen. Die Erinnerung wird ihm heute leicht gemacht, kann er doch auf eigene Tagebuchaufzeichnungen bis in die 60er-Jahre zurückgreifen, verfasst in einer schönen Schrift, die schon in seiner Jugend seine große Begabung auch als Bildender Künstler deutlich machte. Sein großes Glück war zunächst, einen Vater zu haben, der, selbst Musiker, ihn schon frühzeitig an den Jazz, an Louis Armstrong oder Benny Goodman herangeführt hatte. Rein Bennink war natürlich Schlagzeuger und Klarinettist, der als regelrechter Selfmademan seinen Weg durch viele niederländische Orchester gefunden hatte. Sein Sohn Han fand dann ziemlich schnell seinen Weg zu dem so genannten Schwarzen Jazz, zu Musikern wie Art Blakey und irgendwann auch in die Gesellschaft von Musikern wie Ruud Jacobs oder Pim Jacobs. Historische Aufnahmen auch mit deren Gefährtin Rita Reys einmal optisch zu erleben, macht die Geschichte noch spannender. Natürlich werden der erste Besuch in New York und die Begegnung mit Musikern wie Johnny Griffin erwähnt. Parallel zu seiner musikalischen Entwicklung durchlief er eine Ausbildung als Bildender Künstler. Immer wieder faszinierend ist es, Künstler mit beiden Begabungen zu erleben, von Schönberg bis in die Gegenwart. Bei Bennink verbindet sich beides in einer ganz außergewöhnlichen
Art. Er verweist zwar darauf, dass er die Ruhe und Zurückgezogenheit
schätzt, die ihm die Arbeit als Maler oder Grafiker vermittelt,
im Gegensatz zu der als Musiker, wo er immer zu ganz bestimmten Zeiten
bestimmte Dinge tun muss. Alle Gegenstände um ihn herum kann er nutzen, scheinbar mühelos. Er bringt die Dinge, die er findet, in einen anderen Kontext, wird in dem Film erklärt, in seinen eigenen, ein umfassendes Werk des künstlerischen Erlebens. Dies vermittelt der Film mehrfach, wobei man dann keine Mühe hat zu verstehen, warum man ihm gelegentlich den Titel des „Indianers in den Niederlanden“ oder in Zaandaam verliehen hat. Erlebt hat man ihn natürlich oft auch live, aber der Film vermittelt alle nur denkbaren Zusammenhänge, zeigt ihn zusammen mit den Kollegen Misha Mengelberg und Willem Breuker, mit denen er zusammen den Jazz oder die Improvisierte Musik nicht nur in den Niederlanden in eine neue Welt gebracht hat. Dass zu der Zeit übergreifende künstlerische Bewegungen wie Fluxus, in die sie sich einbrachten, diese Entwicklungen begünstigt haben, liegt auf der Hand. Sein pädagogisches Talent, Workshops mit Kindern oder jungen Musikern
im Jahr 2007 in Banff in den kanadischen Rockies, machen den Film zu
einem besonderen Erlebnis. Ganz zu schweigen von den mehrfachen Begegnungen
mit Musikern wie Guus Janssen oder vor allem dem ICP Orchestra, das bis
heute mehr oder weniger als Ikone der aktuellen Improvisierten Musik
lebt. Auch langjährige Kollegen wie Peter Brötzmann oder Guus
Janssen kommen zu Wort. Zur selben Zeit ist ein Buch über ihn erschienen, „Han Bennink – De wereld als trommel“ von Erik van den Berg, bei Thomas Rap in Amsterdam. Natürlich in Niederländisch werden alle Aspekte seines Lebens vertieft, auch ergänzt durch Fotos und eine CD mit unveröffentlichten Aufnahmen von 1955 (Trio mit seinem Vater Rein, Bennink 13 Jahre alt!) bis zu einer Aufnahme mit Mengelberg 1978 in Köln. Beide Projekte sind eigentlich ein Muss für jeden Freund aktueller Musik, keine Werbung, nur feste Überzeugung. Hans-Jürgen von Osterhausen |
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