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Ein Mikrokosmos der ethnischen Kulturen in den USA ist New York, zugleich Geburtsort etlicher Musikstile und Heimat für deren jeweilige Repräsentanten. Zur Elite gehört Manhattan Brass, ein klassisches Ensemble, das vor 16 Jahren gegründet wurde und sich nun mit dem Album „New York Now“ markante Stil-Silhouetten dieser Metropole zu eigen gemacht hat: Latin Jazz und Blues, Broadway Musical und jüdische Referenzen sind die Koordinaten. Mike Seltzer sprach mit Hans Dieter Grünefeld darüber, in welchem Kontext „New York Now” entstand. Jazzzeitung: Soll das Programm für „New York Now“ die dominanten kulturellen Gemeinschaften der Stadt repräsentieren?
Mike Seltzer: Unbedingt, und auch die Identität von Manhattan Brass als metropolitaner Band. Zuvor hatten wir ein Album mit zeitgenössischen Werken von David Dzubay veröffentlicht, das auch gewisse Jazzspannungen hat. Dieses Repertoire hat bei uns zurzeit Priorität, und wir beabsichtigen, noch mehr davon zu produzieren. Jazzzeitung: Zwar ist Jazzstilistik omnipräsent, aber es gibt, außer Daniel Schnyder, keine exponierten Solisten. Seltzer: In seiner Suite „Euphoria” mit Referenz zur biblischen (heute würde man sagen: Leihmutter-) Parabel über Sara, Abraham und Hagar übernimmt er die Rolle des Narrators, indem er sein Saxophon auf orientalische Intonation umgestimmt hat. Dadurch entstehen starke Kontraste zum Ensembleklang und zugleich verwischen sich die Genregrenzen von Klassik und Jazz. Jazzzeitung: Trotzdem sind die Arrangements offenbar mehr aufs ganze Ensemble als einzelne Personen justiert. Seltzer: Das ist richtig. Aber wir sind Virtuosen und wollen gern zeigen, was wir können. Deshalb ist unser Sound sehr flexibel. Jazzzeitung: Im zweiten Satz der „Euphoria-Suite” ist eine Episode, die an Free Jazz erinnert. Was geschieht da? Seltzer: Das meiste ist notiert, aber so, als ob es wie improvisiert klingt. Daniel Schnyder hat auch Freiraum für individuelle Interpretationen gelassen. Jazzzeitung: Die Besetzung von Manhattan Brass ist nicht explizit angegeben. Welche Instrumente wurden verwendet? Seltzer: Keine besonderen, außer von Lew Soloff, er wechselt öfter zwischen Piccolo- und Standard B-Trompete. Er ist bekannt für extravagante Stratosphären-Töne (high chops), die man schon in der Prelude zur West Side Story hören kann. Auch David Taylor hat ein Faible für solche Akrobatik, wenn er in die tiefen Posaunen-Register geht. Wir neigen alle dazu, solche extremen Spieltechniken auszureizen. Jazzzeitung: Warum ist Ann Ellsworth nicht bei allen Aufnahmen dabei? Seltzer: Sie wollte eine Familie gründen, zog nach einem Ort außerhalb von New York und hatte deshalb nicht mehr die Zeit für kontinuierliche Mitarbeit. Andererseits ist „New York Now” in einem Zeitraum von fünf Jahren entstanden, parallel zum Dzubay-Album, und somit wie eine ausgekoppelte Sequenz eines größeren Projekts. Wir haben aber mit R.J. Kelly einen gleichwertigen Hornisten gefunden. Und die Band macht weiter, weil ihre Existenz nicht von bestimmtem Personal abhängig ist. Jazzzeitung: Warum haben Sie für dieses Programm keine Perkussion dazu genommen? Seltzer: Darüber haben wir diskutiert. Obwohl dann vielleicht mehr Drive drin gewesen wäre, wollten wir doch versuchen, die gleichen musikalischen Intentionen ohne Rhythmusgruppe zu verwirklichen. Es ist sicher schwieriger, als reine Brassband einen gewissen pulsierenden Groove zu garantieren, aber einige von uns haben damit genügend Erfahrungen, sodass es auch so gut klappt. Unsere Entscheidung orientierte sich an der Gruppenidentität, und wir haben dieses Konzept (ohne Perkussion) als Herausforderung betrachtet. Jazzzeitung: Wer ist für die Arrangements verantwortlich? Seltzer: Die „West Side Story” hat Jack Gale, ein Kollege von David Taylor, arrangiert. Die anderen Werke die Komponisten selbst. „Spiritual & Blues” haben wir bei Wynton Marsalis zum zehnjährigen Band-Jubiläum bestellt und von ihm geschenkt bekommen. „Euphoria” haben wir in Auftrag gegeben, und das Werk ist eine wichtige Station unserer Zusammenarbeit mit Daniel Schnyder. Als ich und er an Projekten des Absolute Ensemble beteiligt waren, haben wir eine engere Allianz beschlossen. Die Suite von Paquito D’Rivera ist ohne unsere Initiative entstanden. Ich habe das Werk während einer Studiosession mit David Taylor und dem Absolute Ensemble kennen gelernt. Da hatten wir nur den „Wapango Song”. Erst von Paquito erfuhren wir, dass er noch drei weitere Songs für Brass Ensemble komponiert hatte. Er war sehr erfreut, dass wir an der ganzen Suite interessiert waren und wir sind sehr glücklich, dass wir es seitdem komplett aufführen können. Jazzzeitung: Die meisten bei Manhattan Brass arbeiten im klassischen Kontext. Woher kommt die Motivation, auch Jazzstilistik zu adaptieren? Seltzer: Alles auf „New York Now” basiert auf Jazz, gerade die „West Side Story” ist von vielen Jazzern interpretiert worden. Das Repertoire zeigt, was wir gerne tun. Wir spielen nicht in Orchestern, sondern sind freiberufliche Musiker in verschiedenen Ensembles, die ein breites Stilspektrum haben. Lew Soloff ist eigentlich Jazzsolist, aber die anderen spielen auch in Jazzgruppen. Wir haben alle breit gestreute Erfahrungen und sind von der variablen Szene in New York fasziniert, mit der wir je vielseitige Kontakte haben. Unser nächstes Album wird ein Mix aus Klassik und Jazz. Keiner von uns ist auf Klassik fixiert, sondern wir möchten traditionelle stilistische Begrenzungen überwinden. Jazzzeitung: Vielen Dank für das Gespräch. Hans-Dieter Grünefeld CD-Tipp
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