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Früher war ein USA-Aufenthalt Pflicht, wenn man in der hiesigen Jazzszene etwas werden wollte. Das ist in Zeiten eines selbstbewussten europäischen Jazz’ schon lange passe. Trotzdem gilt nach wie vor das von Frank Sinatra in alle Welt verbreitete Credo der „New York, New York“-Hymne: „If I can make it there, I’m gonna make it anywhere“. Der „Big Apple” ist Magnet für die Besten der Welt und ein gnadenloses Karriere-Stahlbad geblieben. Zu den wenigen Deutschen, die es dort geschafft haben – einem erlauchten Zirkel mit Namen wie Cornelius Claudio Kreusch, Barbara Dennerlein oder Till Brönner – gehört der Pianist und Keyboarder Matthias Bublath. In die Wiege gelegt wurde ihm das nicht. Das Münchner Elternhaus – Vater Joachim Bublath war lange der Chef-Wissenschaftsjournalist des ZDF – „war eigentlich nicht besonders musikalisch”, erinnert sich Bublath. So kam er zunächst eher über die technische Seite zur Musik: „Wir hatten ein altes Klavier, auf dem meine Mutter manchmal gespielt hat. Die komplizierte Mechanik mit all den Hämmern, Dämpfern und Hebeln hat mich als kleiner Junge fasziniert, und so habe ich oft stundenlang rumgeklimpert.” Immerhin gab es im Haus aber auch einige Blues- und Boogie-Woogie-Platten.
Neben Sonnyboy Williamson – der ihn dazu inspirierte, sich auch
an der Bluesharp zu versuchen – wurde Blind Jim Davis sein Favorit.
Bublath wurde – und er ist das im Innersten bis heute – ein
Blues-Mann, der den Groove liebt und braucht. Wie seine Vorbilder war
Bublath zunächst Autodidakt, mit den üblichen Stationen: Nach
ersten Boogie-Eskapaden bei Schulfeiern wurde er Tastenmann des Sextetts „The
G-Train“, erste Auftritte im Hansapalast oder im Schlachthof folgten.
Und immer wieder im Nachtcafé. „Sieben Tage am Stück
von 23 bis 4 Uhr spielen – das war eine gute Schule“, erinnert
sich Bublath. Weil die Münchner Bluesszene aber auch schon Mitte
der 90er-Jahre recht überschaubar war, kam er fast zwangsläufig
zum Jazz. Außer freitags gab es täglich eine Jam Session irgendwo
in der Stadt, und Bublath war nun sehr oft dabei. So kam er unter anderem
als Keyboarder in Gregor Bürgers Funk-Fusionband Earforce und spielte
in den afrikanischen Bands von Biboul Darouiche und Mfanseni Thusi. Als
er das Abi in der Tasche hatte, bestand über sein Talent wie über
seinen Berufswunsch jedenfalls kein Zweifel mehr. Von dieser Rundumausbildung profitieren seit einiger Zeit verstärkt Kollegen wie Jazzfans in der alten Heimat München: Nicht nur mehr ein, zwei Mal wie bei früheren kurzen Heimatbesuchen, sondern fast regelmäßig war Bublath zu sehen und zu hören, als Begleiter von befreundeten Bands in der Unterfahrt oder im Vogler, beim Haiti-Benefizkonzert oder bei „Jazz goes Universe“, der zusammen mit seinem Vater konzipierten Multimedia-Show, die Astronomie und Musik zusammenführt. Gerade erst ist er auf Risiko gegangen und trat in der immerhin über 400 Leute fassenden Allerheiligenhofkirche der Münchner Residenz auf. Unter dem Titel „Just Jazz“ versammelte er eine Art New Yorker Wunschband: sein ältester Weggefährte, der in Japan wie in den USA höchst erfolgreiche Trompeter Takuya Kuroda war dabei; die Querflötis-tin Anne Drummond, die ebenfalls mit ihm studierte und inzwischen mit Cracks wie Kenny Barron oder Stefon Harris spielt – für die jüngste CD mit letzterem gab es eine Grammy-Nominierung; auch der argentinische Bassist Fernando Huergo, einer seiner Lehrer in Berklee, ein bescheidener musicians musician, der mit Dave Perez, Dave Liebman und dem Latin-Star Cesar Camargo Mariano arbeitet, flog eigens dafür nach München; ebenso der Drummer und Perkussionist Franco Pinna, von dem Bublath sagt: „alles, was ich über Latin-Rhythmen weiß, habe ich von ihm gelernt“; schließlich noch als special guest der Vibraphonist Tim Collins, auch einer der Jungstars seines Metiers. Oft wird man eine solche New Yorker Allstar-Besetzung aber vermutlich nicht mehr an Bublaths Seite sehen. „Nach neun Jahren USA stellt sich die Frage, ob man für immer dort leben will“, beginnt der inzwischen auch schon 31-jährige Bublath seine Erklärung. „Ich habe zwar noch meine – derzeit untervermietete – New Yorker Wohnung, will die auch behalten und immer wieder vorbeischauen. Aber ich möchte mir jetzt auch hier etwas aufbauen.“ Ist es Heimweh? „Natürlich vermisst man irgendwann die alten Freunde und die Familie. Außerdem ist vieles am american way of life nicht unbedingt das meine. Es gibt ja viele europäische Kollegen, die sich nach kürzester Zeit in den USA völlig assimilieren. Zu denen habe ich nie gehört.“ Immerhin darf man sich jetzt in Deutschland darauf freuen, in den verschiedensten lokalen Variationen mehr von Bublaths groovenden Eigenkompositionen, brodelnden Großstadtsounds und bluesigen Melodien zu hören. Auf variantenreichen Jazz, der sich meist viel eingängiger anhört als er harmonisch ist, wie auf seine große Spezialität, die Hammond Orgel. Oliver Hochkeppel |
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