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Die Luft wird dünn. Viele sind nicht mehr übrig aus seiner Generation. Lee Konitz, Sonny Rollins, aber dann muss man schon nachdenken. Um so schöner ist es, dass Ornette Coleman weiterhin dabei ist, der eigensinnige Revolutionär der Harmolodischen, der in seinem Innersten ein Romantiker geblieben ist. Ein Ständchen zum 80. Geburtstag der Legende. Erste Erinnerung. Enjoy Jazz Festival 2008. Das Ornette Coleman Quartet spielt die Eröffnung in Heidelberg, wird umjubelt. Nach dem Konzert der Empfang. Da erscheint er, der Maestro im Konzertpyjama, gibt Autogramme, unermüdlich, schüttelt Hände, nuschelt freundliche Worte, ganz der gutmütige Profi im Bewusstsein, dass ihn das Publikum in Deutschland liebt, respektiert und er ihm daher entsprechend verbindlich begegnet. Zweite Erinnerung. Sommer 1997. Ornette Coleman hat mit Joachim Kühn eine Duo-Platte aufgenommen. Pressetermin in Paris, vor dem Interview begegne ich Coleman und seinem Sohn im McDonalds neben dem Hotel. Dann das Treffen in der Suite, Kühn neben seinem Hero, wieder ganz der kleine, begeisterte Junge, der schwärmerisch von der grandiosen Zusammenarbeit erzählt. Daneben Ornette mit Hut, wieder freundlich kryptische Worte nuschelnd. Wahrscheinlich hat jeder Jazz-Journalist seine eigenen, mal mehr, mal weniger erleuchteten Erlebnisse mit dem Pionier der Moderne. Schließlich hat Ornette Coleman seit den Fünfzigern regelmäßig Zeichen gesetzt, mit Aufnahmen, Ideen und Aktionen Zustimmung, Widerspruch, aber auch Ratlosigkeit geerntet. Seine Beharrlichkeit auf der Suche nach den Urgründen des musikalischen Ausdrucks hat aber dafür gesorgt, dass er sich nie inhaltlich zurücknehmen musste, außer es diente dem Wohl seiner Kunst. Nicht alle Experimente haben sich in der Rückschau als wegweisend erwiesen, aber viele hatten die Funktion von Katalysatoren, die die eigentliche Entwicklung der Musik vorangetrieben haben: „Free Jazz“ natürlich, ein Album, das 1960 dem Lebensgefühl und einer bereits schwelenden Klangästhetik das Motto gegeben hat, obwohl es so frei eigentlich gar nicht war; „Skies Of America“ (1972), die Transformation des Concerto Grosso die Welt der improvisierenden Moderne, unbeschwerter als die meisten tendenziell bemühten Third Stream Experimente der Kollegen und daher eine Wegmarke des Crossovers; „Dancing In Your Head“ (1977) mit Ausschnitten der Feldjazzstudien, die Ornette Coleman bei den Master Musicians Of Joujouka in Marokko betrieben hat, World Jazz ohne Kolonialgeist; die ganzen Aufnahmen mit Prime Time, die wie „In All Languages“ (1987) Fusion unter dem Signum des Free Funks umdeuteten; und natürlich einzelne Leuchttürme wie der modernistische Geniestreich „Song X“ (1986) an der Seite von Pat Metheny oder das ein wenig überbewertete, trotzdem in seiner positiven Abgeklärtheit famose Quartet-Konzert-Album „Sound Grammar“, das ihm 2007 gar den Pulitzer Prize einbrachte. Hörerlebnisse, Überraschungen, musikalische Wendepunkte – die Musik ist die eine Seite der Wirkung, die Ornette Coleman auf die Jazzszene seit Jahrzehnten ausübt. Darüber hinaus aber fasziniert seine forschende Hartnäckigkeit bei konstanter künstlerischer Integrität. Man hat immer wieder versucht, ihn auf bestimmte Sujets festzulegen, das des Avantgardisten beispielsweise oder auch das des Vorkämpfers für das Afroamerikanische im Jazz. Ornette Coleman hat es geschafft, sich nicht vereinnahmen zu lassen. Spricht man ihn auf die Hemmnisse der Segregation an, kontert er mit der Ungleichheit der Besitzverhältnisse, versucht man, sich das System des Harmolodischen erklären zu lassen, erhält man Antworten von poetischer Vieldeutigkeit, die auf den Empfindungskern des Musikalischen zurück verweisen. Denn Ornette Coleman weiß genau, wann Visionen in Zwänge umschlagen und wo daher die wahren Grenzen sind. Er ist Künstler, der Freiräume im Denken, in der Ästhetik geschaffen hat und damit sein frühes Credo in sublimierter Form in die Welt des Jazz hat einfließen lassen. Am 9. März 2010 feiert Ornette Coleman seinen 80. Geburtstag. Herzlichen Glückwunsch! Ralf Dombrowski |
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