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Ein Auftritt im zirkusartigen Zelt, im Niemandsland von Fröttmaning, zwischen Allianz-Arena und U-Bahnstation, wo derzeit das „Deutsche Theater“ untergekommen ist – für Pat Methenys Deutschlandpremiere mit dem „Orchestrion“ hätte es keinen passenderen Ort geben können. Zum einen, weil auch der amerikanische Stargitarrist mit seinem „Orchestrion“ ein Niemandsland betritt – das Niemandsland einer so noch nie da gewesenen, Jazz simulierenden Musikmaschine, die digitale Steuertechnik mit dem Klang akustischer Instrumente verbindet. Zum anderen, weil das ganze Vorhaben trotz modernster Technik und Software in bestimmten Momenten sehr zirkushaft und jahrmarktsartig anmutet. Beides erzeugt – wie man über gut zweieinhalb Stunden erleben konnte – musikalisch starke wie schwache, aber auch komische Momente. Der komischste Moment etwa dürfte jener gewesen sein, als bei „Soul Search“, dem vierten Satz von Methenys „Orchestrion“-Suite und gleichnamigem Album, nicht wie gewohnt die Gitarre oder irgendein von digitaler Geisterhand gesteuertes Perkussionsinstrument das Stück eröffnete, sondern einer von zwei Flügeln. Dass sich Flaschenorgeln, Vibraphone, ein Glockenspiel, Gitarrenroboter (die wie Raketenwerfer aussehen und entfernt nach Cello klingen!) und Dutzende von Perkussionsinstrumente scheinbar wie von selbst spielen und Methenys elegische Gitarren-Melodien und seine sich ekstatisch aufbäumenden Soli einrahmen – daran hatte man sich zu diesem Zeitpunkt schon gewohnt. Dass sich aber ein Flügel selbst spielt, und zwar ganz lyrisch, ohne dass sich die Töne im Gestus und den Bewegungen eines ergriffenen Pianisten widerspiegeln, hatte etwas unfassbar Komisches. Vielleicht, weil es das klassischste aller Solo-Instrumente ist, jenes, das man ähnlich wie die Violine mit großen Musikerpersönlichkeiten verbindet. Stark ist bei Methenys „Orchestrion“ erst einmal natürlich der optisch-visuelle Eindruck, der den rein musikalischen Ausdruck des Albums aufwertet. Wie sich Vibraphonklöppel und Schlagzeugsticks wie von allein bewegen, wie sich die zweiteilige Flaschenorgel und ein E-Bass scheinbar wie von selbst spielen, und dazu Lichter immer dann aufleuchten, wenn eine der gut zwei Dutzend Instrumentengruppen aktiviert werden – das hat schon etwas. Etwas von einer Kunstinstallation, die sich in einen Zirkus oder auf einen Jahrmarkt verirrt hat. Natürlich weiß Metheny um diesen Effekt. Deshalb enthüllt er den Teil des Orchestrions, der sich hinter ihm zu einer Mauer aus Stahlkäfigen türmt, erst als er nach einem Solo-Set ohne Musikmaschine – unter anderem auf seinem 42-saitigen Pikasso-Instrument, einer Hydra aus japanischem Koto, Gitarre und Mandoline – „Orchestrion“, die Komposition, anstimmt. Wer bis dahin etwas enttäuscht geglaubt hatte, das ganze Orchestrion bestünde nur aus den wenigen, von Anfang an sichtbaren Elementen, quittierte Methenys Vorhangtrick mit einem erstaunten „Wow!“ Auch
klanglich fällt Methenys Orchestrion überzeugend aus. Weil
alle Töne von „echten“ Instrumenten live und akustisch
erzeugt werden, klingt alles viel räumlicher, plastischer, als wenn
die gleiche Musik vom Band oder digital gesampelt aus Boxen tönen
würde. In Interviews hat Metheny mehrfach betont, dass er „Orchestrion“ als Musik ohne Orchestrion die Musikmaschine nicht hätte schreiben können, dass ihm das Mega- und Metainstrument helfe, Musik annähernd so zu komponieren und zu spielen, wie er sie in seinem Kopf höre – das Projekt sei deswegen fast so etwas wie ein Blick in sein Gehirn. Gemessen daran klingt „Orchestrion“ enttäuschend ähnlich nach Pat Metheny Group. Live ist das Orchestrion dennoch ein Erlebnis – optisch, klanglich und nicht zuletzt als Experiment, das musikalisch vielleicht nicht das hält, was versprochen wurde. Das aber auf sehr spannende Weise. Claus Lochbihler |
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