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Streichquartett und Gesang – das ist weder im Jazz noch in der Klassik eine nahe liegende Kombination. Rigmor Gustafsson und das radio.string.quartet.vienna loten das Potenzial dieser ungewöhnlichen Besetzung aus. „Calling You“ heißt das gemeinsame Album, mit dem die schwedische Sängerin und die vier Streicher ab Ende März durch Deutschland, Österreich und die Schweiz touren. Rigmor Gustafsson erinnert sich noch genau daran, wie sie radio.string.quartet.vienna zum ersten Mal erlebte. Vor zwei Jahren war das, bei einem Festival in Essen. „Die Musiker haben mich sofort beeindruckt“, erinnert sie sich. „Erstens, weil sie phantastisch spielten. Zweitens, weil sie Musik vom Mahavishnu Orchestra spielten, die ich als Teenager immer rauf und runter hörte.“ Es dauerte jedoch ein Jahr, bis die Sängerin sich traute, die vier nach einer Zusammenarbeit zu fragen. Um so begeisterter war sie von einer Zusage der Musiker, die schließlich zu einem gemeinsamen Auftritt in Wolfsburg führte. „Sie hatten mir gleich einige Arrangements mitgebracht“, erzählt Rigmor Gustafsson. „Auch das Konzert lief super; und so wurde uns klar, dass wir zusammen ein Album einspielen sollten.“ Erst ein Live-Auftritt, dann die Einspielung im Tonstudio – ungewöhnlich ist auch die Entstehung dieses Saiten und Stimmbänder vereinenden Projekts. Schließlich läuft es ja normalerweise andersrum. Das gemeinsame Album „Calling You“ ist stilistisch weit gefächert, enthält es doch neben Eigenkompositionen auch Cover-Versionen aus Pop, Soul und Jazz. Auf einen roten Faden wurde bewusst verzichtet. „Nachdem wir lange über ein mögliches Konzept nachgedacht hatten, sagten wir uns: Zum Teufel damit! Wir nehmen einfach die Stücke auf, die uns gefallen“, sagt Gustafsson. Nun finden sich auf dem Album Popsongs von Paul Simon, Burt-Bacharach-Klassiker, Stevie Wonders „If It´s Magic“, Jazzstandards und ein schwedisches Volkslied in trauter Nachbarschaft. Dank der Kontinuität in der Besetzung zerfällt die Platte trotzdem nicht in ihre Einzelteile. Das Spiel der Streichmusiker kann man nicht genug loben. Es ist ebenso ausgewogen wie farbenreich; darüber hinaus beeindruckt der rhythmische Drive der vier, der Geigen, Bratsche und Cello immer zu Perkussionsinstrumenten werden lässt. Das titelgebende „Calling You“ stammt aus dem Film „Out Of Rosenheim“. Hier sind die Streicherakkorde aufgebrochen in trockene, fahle Einzeltöne, die zuweilen ins Knirschen und Quietschen geraten. Quälend langsam, von existenzieller Einsamkeit durchtränkt, läuft der Song ab. Das Radio String Quartet spielt häufig die Hauptrolle. Von Anfang an wollte Rigmor Gustafsson keine säuselnde Streicherbegleitung. „Ihr arrangiert, ich singe“, sagte sie deshalb den Musikern zu Beginn. Nun fügt sich ihr schlanker, konzentrierter und vibratoarmer Gesang wie ein fünftes Instrument in den Streicherklang ein. Die Sängerin fühlt sich in der energiegeladenen amerikanischen Jazztradition ebenso zuhause wie im melancholisch-elegischen skandinavischen Jazz – schließlich lebte die Schwedin dreieinhalb Jahre in New York. Dass sie sich von Stil- und Genrekonventionen nicht beeindrucken lässt, hängt jedoch vielleicht auch mit ihrer wenig alltäglichen Biografie zusammen: Die Eltern waren gänzlich unmusikalische Kleinbauern; Rigmor Gustafsson wuchs zwischen ein paar Kühen und Hühnern auf. Dass sie ihr Talent entwickeln konnte, ermöglichte das inzwischen leider wieder eingeschränkte schwedische System kommunaler, gebührenfreier Musikschulen. Bis heute ist die Sängerin ganz begeistert von ihrem ersten Gitarrenlehrer und dessen unorthodoxer Lehrmethode. „Es interessierte ihn überhaupt nicht, wie schwierig ein Stück war“, erinnert sie sich. „Mal brachte er Bebop an, dann wieder ein Kinderlied, eine Woche später etwas vom Mahavishnu Orchestra. Erst später merkte ich, dass diese großartige Methode verhindert hat, dass ich mich jemals unter Druck setze. Ich denke nie: Oh, das ist zu schnell, das ist zu schwierig. Jeder Song ist einfach nur Musik.“ Mit ihren Erfolgen geht die Sängerin ebenso gelassen um. „Wenn es mit meiner Karriere nicht geklappt hätte, würde ich trotzdem Musik machen“, meint sie. „Dann würde ich vielleicht irgendwo auf dem Lande leben, meine eigenen Kartoffeln anbauen und mit der Gitarre unter einem Baum sitzen.“ Antje Rößler CD-Tipp
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