Anzeige |
|
|
Anzeige |
|
Da spielte er auf Wunsch der beiden Wehrmachtsoldaten „Du und ich im Mondenschein“ – nämlich „militärisch zackig und gerade, so wie es sich gehört“, erzählt Ute Legner: Diese eindrückliche Stelle in der Biografie von Simon Schott blieb ihr besonders im Gedächtnis. Damit rettete der Ende Januar mit 92 Jahren verstorbene Barpianist im besetzten Frankreich 1940 sein Leben. Das Erlebnis ist aber zugleich Symbol: für die Macht der Musik, die politisch leider oft missbraucht wurde und wird; und für ihr subversives Potential. Zwar hatte sich der monströse Propagandaapparat des Dritten Reichs mit der 1933 institutionalisierten Reichsmusikkammer ein Überwachungswerkzeug geschaffen, das die gesamte Musikszene des Landes in gut und böse schied. Recht(s) war, was der grotesken Ideologie diente; der als „entartet“ eingestufte Rest wurde verboten. Dazu zählte auch der Jazz: So wurde bereits 1935 ein Sendeverbot im gesamten deutschen Rundfunk erlassen, wurden mit Ausbruch des Krieges die Strafverfolgungen bei „Zuwiderhandlungen“ schärfer. Obwohl das berühmte Schild „Swing tanzen verboten – Reichsmusikkammer“ ein Marketing-„Gag“ aus den 1970ern ist, hatten laut Zeitzeugen einige Wirte tatsächlich einen solchen, selbst gefertigten Aushang in ihrer Gaststätte angebracht. Vielleicht auch, um Kontrollen vorzubeugen und der verbotenen Swinglust frönen zu können. Denn die war eben nicht totzukriegen, so Ute Legner. Die Kulturmanagerin, Regisseurin und Sängerin ist Bandchefin von „Swing tanzen verboten!“, eine Augsburger Formation, die sich seit 2005 mit der im Verborgenen blühenden Swingszene im Dritten Reich beschäftigt – abseits von regierungskonformen Metastasen wie „Charlie & his Orchestra“, deren Nummern mit übelsten Propagandatexten in den „feindlichen“ Funk eingeschleust wurden. „Swing tanzen verboten!“ spielt dagegen neben Standards wie dem „September Song“ des emigrierten Kurt Weill oder dem später verbotenen Roaring-Twenties-Hit „Lass mich Dein Badewasser schlürfen“ vor allem Stücke, die im nichtdeutschen Original verboten waren, aber in – oft nur leicht – veränderter, eingedeutschter, eben „militärisch gerader“ Form unentdeckt die berüchtigte Kontrollinstanz passierten. Verblüffendes Beispiel dafür ist der Chanson „J´aime Une Tyrolienne“, der von dem Augsburger Septett auf seiner zweiten, jüngst erschienen CD „The Choo Shoo Sing Swing Songbook“ zuerst in schmusiger Gedehntheit ausgekostet wird und sich nach spektakulärem Accelerando als Comedian-Harmonists-Evergreen „Mein kleiner grüner Kaktus“ entpuppt. „Ganz frappierend“ findet Ute Legner auch die Geschichte von dem Song „Joseph! Joseph!“, der – ebenfalls von den Comedian Harmonists modifiziert – in Deutschland unter „Sie will nicht Blumen und nicht Schokolade“ und mit „seitenverkehrtem“ deutschen Text die faschistischen Argusaugen passierte. Solche Beispiele gibt es viele. Die Recherche da irgendwann abzubrechen, ist nicht leicht, erklärt Legner. Ihre Aufgabe in der Band ist neben den Gesangsarrangements für ihre Kolleginnen Barbara Frühwald, Andrea Rother und für sich selbst vor allem die Suche nach Stücken und deren Hintergrund. Von manchen sind die Noten gar nicht auffindbar, die Harmonien müssen heraus gehört werden. Natürlich fließt bei den möglichst stilecht swingigen Arrangements der eigene musikalische Background mit ein, wendet Ute Legner ein. Den Sängerinnen, Josef Holzhauser (git/trp), Walter Bittner (dr), Uli Fiedler (b) und Daniel Mark Eberhard (p/sax/akk) ist die Freude am Spiel dieser „unglaublich vitalen“ Musik anzumerken, der locker-lässig wippende Rhythmus, die gute Laune fahren beim Hören in die Füße. Auch der wichtige Dokumentationsanteil wurde elegant integriert: Im Falle zweier Versionen sind beide, bisweilen betont verwandt arrangiert, zu einer verschmolzen, wie auf Knopfdruck verwandelt sich etwa der Foxtrott „Fräulein, kleines Fräulein“ in den waschechten Swing „Cheek to cheek“. Das Konzept hat in der Augsburger Region großen Erfolg, die CDs sind gefragt, die selbst moderierten Konzerte gut besucht. Gerne würde das Septett diese Idee weiter tragen. „Ich kenne niemanden, der das sonst so macht“, betont Ute Legner. Stephanie Knauer |
|