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Für sein neues Projekt begibt sich der Kontrabassist Dieter Ilg mit seinem Trio auf selbst für ihn neues Terrain: Er transferiert Musik aus Giuseppe Verdis Oper „Otello“ in den Jazzkontext. Das Ergebnis ist definitiv das Resultat eines langanhaltenden kreativen Prozesses, wie er nur in einer eingespielten Formation, wie hier mit Rainer Böhm am Piano und Patrice Héral an Drums und Percussion, möglich ist. Eine erstaunliche Emotionalität und bassige Erdwärme erwarten den Hörer. Jazzzeitung: Die berühmte Kontrabassstelle im vierten Akt von Verdis Oper „Otello“ hatte es dir schon lange angetan. Was hat dich am dortigen Einsatz des Instrumentes fasziniert? Dieter Ilg: Ich habe die Stelle wiederholt und intensiv im Rahmen meines Übungsprogramms gespielt, weil sie so viel Kontrabasstypisches hat. Letztendlich war es aber ihre Melodie, die mir einfach nicht mehr aus dem Kopf wollte. Die Oper hatte ich vorher noch nie in ihrer Gesamtheit gehört. Mir war nur klar, dass dies die Stelle ist, die die Ermordung Desdemonas vorbereitet. In den tiefsten Regionen des viersaitigen Kontrabasses fängt es an – und es ist eine ungeheuer dramatische Passage! Wobei das dramatische Moment natürlich bei allen Kompositionen Verdis ganz intensiv stattfindet. Jazzzeitung: Was für eine Bedeutung hat der Bass an dieser Stelle des Werks? Was passiert in deinem Kopf, wenn du sie hörst oder spielst? Ilg: Besagte Stelle ist eine solistische Unisonopassage für Kontrabass; nicht sehr häufig in Orchesterstücken. Zur damaligen Zeit galt sie intonationsmäßig als schwierig. Noch bei Aufnahmen aus den 60er-Jahren hört man diesbezüglich Schwächen in den Orchestern! Heutzutage gibt es die einfach kaum mehr, weil die instrumentale Qualität auch unter Kontrabassisten in den letzten Jahrzehnten so immens gewachsen ist. Die Passage ist also, rein technisch gesehen, kein großartiges Problem mehr. Ihre musikalische Bedeutung für mich ist eine persönliche Sache. Es ist gar nicht so leicht zu begründen, warum die Stelle mich so fasziniert! Ich kann eigentlich nur sagen, dass die Melodie, wie ein Ohrwurm, in mir hängen blieb. Und einfach eine Spur hinterlassen hat. Und dieser Spur muss ich jetzt nachgehen. Jazzzeitung: Bietet Verdi in deinen Augen eine Spielwiese in Sachen Interpretation – und damit auch für Improvisation? Ilg: Ja, definitiv! Eine wunderbare Spielwiese! Es sind so ergreifende Melodien dabei, die sich hervorragend übernehmen lassen – entweder durch kleine Variationen oder sogar hundertprozentig. Die ich mit entsprechendem Respekt vor dem Werk Giuseppe Verdis in den sogenannten „Jazzkontext“, wie das ja in der Branche üblicherweise heißt, betten kann. Ich liebe die verschiedensten Melodien, vor allem singbare Melodien, mit denen jeder aufwächst. Ob in Südafrika oder in Lappland. Und je weiter man in der Musikgeschichte zurückgeht, desto stärker beginnen die Melodiestrukturen, sich zu gleichen. In Europa haben sich gewisse Instrumente und gewisse Rhythmen ausgebildet, in Afrika sind es andere. Dadurch unterscheidet sich auch der Umgang mit Melodien. Otello birgt wunderschöne davon. Jazzzeitung: Wo siehst du die Verbindung zwischen Jazz und klassischer Musik? Ilg: In dem Kontext, in dem ich aufgewachsen bin, galt der Kontrabass als „klassisches Instrument“. Vergegenwärtigen wir uns einmal, dass die meisten Instrumente im Jazz – zumindest im traditionellen Jazz des frühen bis mittleren 20. Jahrhunderts – eigentlich aus der klassischen europäischen Musikkultur stammen. Einzig das Schlagzeug wurde, vergleicht man es mit dem klassischen Instrumentarium, wesentlicher geändert. In dieser Hinsicht natürlich ist Jazz ohne die vorhergehende Klassik nicht denkbar. Und was gibt es Schöneres, als zu den Ursprüngen, aus denen sich eine Musik entwickelt hat, zurückzukehren? Und die-se Ursprünge durch eine Transformation in die Jetztzeit zu überführen? Also mit Respekt und Achtung – und mit Lust – an Material wie beispielsweise Verdis „Otello“ heranzugehen, um es in neuem Kleid auf die Bühne zu bringen. Jazzzeitung: Wieso kann das gerade dein Trio besonders gut, was denkst du? Ilg: Wir sind drei unterschiedliche Typen, die, aus welchen Gründen auch immer, einen unglaublichen Draht zueinander haben… wahrscheinlich durch unsere Verschiedenheit und den Respekt vor dieser Verschiedenheit. Sowohl Rainer als auch Patrice sind sehr soziale Menschen, sehr integrativ, aber trotzdem auf ihre Persönlichkeit bedacht. Das ist ja das Großartige, dass sich jemand, der auf seine Individualität besteht, integriert in eine Gemeinschaft – in dem Fall ein Jazztrio. Das wäre ein Musterbeispiel für die Politiker dieser Welt! (lacht) Carina Prange CD-Tipp
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