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Susi Hyldgaard Auf die in New York aufgewachsene Dänin ist Verlass. Sie kleidet
hochkultivierte Jazzideomatik in moderne Gewänder und ihre Stimme
kann mit allen großen Jazz-Vokaleusen locker mithalten. Sie macht
ihr eigenes Ding – ja, sie überholt so manch gefeierte Vokal-Diva
aus den Staaten locker, wenn es um das Individuelle, um den feinen, besonderen
Moment geht. Sie liebt epische Arrangements, deren Kern ein lyrisches,
zuweilen nachdenkliches Songwriter-Potenzial ausmacht. Jetzt hat sie
all dies einem orchestralen Großformat einverleibt, denn für
ihr aktuelles Album stand ihr die NDR-Bigband unter Dieter Glawischnig
zur Seite. Die Stücke passieren komplexe Arrangements, vereinen
in kaleidoskopischer Vielfalt so viel konträres – und bleiben
dabei durch und durch Songs. Da gibt es mal die volle Breitseite mit
fetten Blueseinlagen von Mingus’scher Größe und mit
opulenter Pianistik seitens Suzi Hyldgaard selbst im Epizentrum. Dann
kommt viel Zartheit, ja Intimität auf. Hyldgaards Songs verströmen
Alltagspoesie – intelligent, voller Reife, mit spitzer Feder. Balladen
artikulieren großes Gefühl, integrieren dabei allumfassend
das ganze Arsenal der Hörner. Verspielte Rhythmen treiben selbstironische
Reflexionen über ihre ganz private Befindlichkeit und Lebenswirklichkeit
voran, dabei lässt die Wucht der Bigband nie die Macht des Wortes
in ihren Songs schrumpfen. Wer an Susi Hyldgaards künstlerische
Autorität glaubt, konnte auch am Gelingen dieser Herausforderung
nicht zweifeln. Conny Bauer Ziemlich lange warten musste man auf eine neue Solo-Aufnahme von Conny
Bauer, die alles, was man an Solo-Kunst speziell auf der Posaune kennt,
in den Schatten stellt. Bevorzugter Klangraum für seine Soloauftritte
waren bisher übergroße Klang- und Schallräume, wie in
den 80er-Jahren der Kölner Wasserspeicher oder das Völkerschlachtdenkmal,
mit deren Hilfe er viele Klanglagen übereinander legte und so einen
vielstimmigen Posaunenchor produzierte, Improvisierte Musik in Reinform
oder -klang, die voller Melodien, voller Gefühle und einfacher wie
komplizierter Gedankengänge ist, aufgeführt von einem Musiker,
der alle Möglichkeiten seines Instruments perfekt ausschöpft,
von der Mehrstimmigkeit zum Überblasen oder unglaublicher Zirkularatmung.
Die Gedanken- und Lebenswelt eines Musikers der aktuellen Musik wird
auf beispiellose Weise erlebbar. Seit vielen Jahren macht Bauer diese
Improvisationskunst aber auch in normal großen Räumen unter
Zuhilfenahme von Electronics möglich. In vielen Stunden im Studio
entstand so eine Aufnahme von neun Titel in einem Fluss, die von der
Vergangenheit wie von der Gegenwart erzählen, von dem ersten Solokonzert
in den 70er-Jahren, „Osterfeuer“, bis zur Erinnerung an vergangene
Dinge, „Damals“, fröhliche wie traurige Ereignisse, „Das
Fest“ und „Traurige Stimme“. Als eine klare und alles
andere als deprimierend klingende Aussage zu seiner persönlichen
Situation mag das Schlussstück „Zu Hause“ gelten, das
mit den Worten endet: „Ich lebe hoch, ich lebe hoch im Plattenbau“! Samo Salamon & Aljosa Jeric Quartet feat.
Mark Turner Wer Samo Salamon in den letzten beiden Jahren live erlebt hat, dürfte
sich ein bisschen wundern über diese Scheibe, nur beim ersten flüchtigen
Reinhören freilich: Der Starkstromjazzer präsentiert sich auf „Mamasaal“ gemeinsam
mit Matt Brewer, b, Co-Leader Aljosa Jeric, dr, und dem auf den Punkt
motivierten, passgenauen Gast Mark Turner, ts, relativ verbindlich, jazzig,
Mainstream-bezogen und ohne das Ungestüm, das er auf der Bühne
zeigt. Das liegt daran, dass die Aufnahmen, die jetzt erst veröffentlicht
wurden, bereits aus dem Jahr 2006 stammen und damit eine kleine Rückblende
ermöglichen auf die Entwicklung des Gitarristen aus Maribor in Slowenien,
der sich inzwischen in New York den Ruf erspielt hat, einer zu sein,
an dem sich die Zukunft misst. Umtriebig, produktiv, virtuos gehört
Samo Salamon zu jener Garde junger Gitarristen, die Neuland betreten,
die urplötzlich die gewohnten Laufwege ändern, die für
jede einzelne Note den Kick abseits ausgetretener Pfade suchen. Das ist
auf der vorliegenden Scheibe alles schon da, zwischen den Zeilen noch,
aber deutlich: Irgendwo zwischen Slowenien und New York liegt der Mittelpunkt
eines eigenwilligen Paralleluniversums, in dem die Atome und Elemente
eine Spur neben der Spur ticken. Salamon spielt mit allen Haken und Ösen,
die die Moderne zu bieten hat, mit verrrückten Grooves, vertrackten
harmonischen Kapriolen, überraschungsgeladener Melodiosität
und hohem instrumentalen Können, mit heart and soul, avantgardistischer
Neugier und leidenschaftlichem Spürsinn. Jim Black AlasNoAxis Der 1967 geborene Schlagzeuger Jim Black legt mit “Houseplant” seine
nun sechste Veröffentlichung als Leader bei Winter&Winter vor.
Mit der Formation AlasNoAxis lotet Black erneut die Grenzen zwischen
Rock, Jazz und dezenten Ambientklängen aus. Dabei besticht auf „Houseplant“ vor
allem seine harmonische Herangehensweise, die oftmals Sounds der Neunziger
wie z.B. John McEntires „Tortoise“ oder „The Sea and
Cake“ zitiert. Genau in dieser Zeit sammelte Jim Black im Übrigen
essenzielle musikalische Erfahrungen. Songstrukturen wie bei dem Titel „Malomice“ klingen
bereits nach dem ersten Ton vertraut und erzeugen eine warme Atmosphäre.
Irgendwoher scheint man Melodien zu (er)kennen, dabei sind es ausnahmslos
Eigenkompositionen aus Jim Blacks Feder. Hervorstechend sind lange, leicht
düstere Klänge, mit unverhohlenen Rockanleihen, die sich relaxt
zwischen kreativem Pop und Jazz bewegen. Seit 2000 besteht Jim Blacks
Formation AlasNoAxis mit dem Saxophonisten Chris Speed, den Isländern
Skuli Sverisson am Bass und Hilmar Jensson an der Gitarre. „Houseplant“ ist
die fünfte Veröffentlichung mit dieser Gruppe. Keine einfache,
eingängige Aufnahme die von vornherein ein Topseller sein wird,
sondern vielmehr ein Titel an der sich die Geister wieder scheiden werden.
Die einen werden sie lieben, andere werden sich ob der vordergründig
rockigen Klänge abwenden. AlasNoAxis „Houseplant“ eignet
sich für ruhige, entspannte Stunden, ist zum absoluten Zuhören
und sich darauf einlassen gedacht. Anke Helfrich „Stormproof“ – bei dem Titelsong ihrer dritten Leader-CD habe
sie an die Stürme des Lebens gedacht, erklärt die Weinheimer
Pianistin Anke Helfrich. Tröpfelnd aber verheißungsvoll beginnt
das Stück, wiegt sich dann zwischen zögernden Phrasen, fantasievollen
Umschwüngen und anspruchsvollen Tempiwechseln ein und explodiert
schließlich in einer Fanfare an die Widerstandskraft des Individuums. Kagerer & Nieberle Man kann es kaum glauben: Seit über 20 Jahren ist das völlig
zurecht mit dem Bayerischen Kulturförderpreis und dem Archtop-Germany-Award
ausgezeichnete Jazzgitarrenduo „Kagerer & Nieberle“ nun
auf den Bühnen in Europa und den USA unterwegs und erst Ende 2008
erschien die erste Live-Scheibe des Duos. Und ebenso wie alle Studioproduktionen
ist auch dieser Tonträger ein Juwel im Genre des Gitarrenjazz. Vielleicht
beflügelte es Helmut Kagerer und Helmut Nieberle ja zusätzlich,
dass diese bei Bobtale Records erschienene CD in ihrer Heimatstadt Regensburg,
genauer im Domizil des Jazzclub Regensburg im „Leeren Beutel“,
aufgenommen wurde. Denn was hier in zehn Nummern zu hören ist, zeugt
von höchster Inspiration und musikalischer Qualität. Die stilistische
Palette reicht vom zigeunerjazz-geprägten „Crazy Rhythm“ von
Joseph Meyer und Roger Wolfe Kahn über wunderschön innig interpretierte
Balladen wie „Secret Love“ von Sammy Fain bis hin zur bluesbeseelten
Nummer „Sweet Emma“ von Julian Clifford Mance. Vor allem
in letzterer Nummer und in den Balladen kommt das große Gespür
des Duos für packende Spannungsbögen, aber auch das filigrane
Empfinden sämtlicher dynamischer Verästelungen so richtig schön
zum Tragen. Wer wirklich bis in jedes Detail beseelte Jazzgitarren-Klänge
schätzt, sollte an dieser Scheibe nicht vorbeigehen. Frederik Köster Quartett Es zeugt von einem gewissen Selbstbewusstsein und vielleicht auch einer
vorhandenen Gewitztheit des Musikers, seine neue CD „Zeichen der
Zeit“ zu nennen. Frederik Köster, Trompeter und Flügelhornist
und seit 2007 Professor für Jazztrompete (HfM der FH Osnabrück),
steht mit seiner Band ganz im Kontext seiner Generation, sie sind mit
einem Faible für elektronische Sounds sozusagen groß geworden.
Die anderen drei, die hier mit von der Partie sind, heißen Tobias
Hoffmann an Gitarre und Effektgerät, Robert Landfermann (db, effects)
und Ralf Gessler an Drums und Percussion. Sie alle spielen hier ausschließlich
Kompositionen aus Kösters Feder. Kompositionen übrigens, die,
anders als bei vielen Blasinstrumentalisten, oft nicht das eigene Instrument
in den Vordergrund stellen: Da erklingt, dass es eine echte Freude ist,
eine kräftige, mit elektronischen Effekten aufgeladene Gitarrenlinie
hier, ein brummelndes Basssolo dort. Selbstverständlich kann Köster
gekonnt solieren und zeigt dies auch; mehr Interesse als daran, selbst
im Rampenlicht zu glänzen, scheint er jedoch an einem geschlossenem
Bandsound zu haben. „Zeichen der Zeit“ ist wahrhaft innovativ,
erfrischend – meist klanggewaltig inszeniert, gelegentlich auch
wohltuend defensiv. Beim Hören dieser Aufnahme wundert es kaum,
dass die Band wohl eine ähnlich gute Liveperformance bietet: siehe
unser Bericht Jazzpreis Mannheim, S. 4 Norbert Stein Pata Generators Seit jeher pflegt der überragende Kölner Saxophonist Norbert
Stein ein Faible für bildmächtige Titel, mit denen er seine
komplexen Kompositionen um eine weitere Ebene anreichert. Damit schränkt
er Freiheit, Mannigfaltigkeit und klanglichen Reichtum seiner durch Stile,
Formen und Mittel mäandernden Musik, was durch den unscharfen und
damit weitenden Begriff der „Pata-Musik“ definiert ist, keineswegs
ein. Ob er damit, wie beim neuesten Werk mit seinen „Pata Generators“ mit „Die
Tochter des Papstes“, „Alice in der parallelen Welt“ oder
den „(…) Zen Geboten“, einen zusätzlichen Zugang
ermöglicht, aufs Glatteis führt oder geneigte Hörerinnen
und Hörer ermuntert, ein Stück beim Zuhören zusätzlich
auf musikalische Konnotationen zur Wortaussage abzuklopfen, bleibt dahingestellt.
Eines erreicht er sicher, dass man beim Lesen stolpert und anfängt
zu hinterfragen. Ganz so klar und direkt wie der Titel des neuen Albums
suggeriert, sehen demnach die „Les Yeux de l’Oiseau de la
Guerre“ (Die Augen des Kriegsvogels) keineswegs. Vielmehr fühlt
man sich bei Steins verschlungenen und verflochtenen Kompositionen, kraftvoll
und spannend gestaltet von einem großartigen Ensemble, an „Chameleon(s)
Nature“ erinnert, das mit jeder Stimmung die Farbe wechselt, im
Hintergrund aufgeht und sich ganz einfach ständig im Fluss (der
Umgestaltungen und Vielheiten) befindet. Vom Strahlen meiner Augen. Die schönsten Songs aus der Werkstatt
von Kurt Lowinger & Helmut Nieberle Was für wundersame musikalische Kleinodien in rauchgeschwängerter
Atmosphäre „zwischen Nachtbar und Küchentisch“ entstehen
können, beweist diese Zusammenarbeit zwischen dem Gitarristen und
Komponisten Helmut Nieberle und dem 2004 verstorbenen Lebemann und Erzähler
Kurt „Kurti“ Lowinger. Vier Jahre lang wurde ausprobiert
und gefeilt, live vorgespielt und schließlich aufgenommen. Diese
Sorgfalt und „labour of love“ merkt man jedem der elf Stücke
an. Wenn Jörg Seidel cool von seinen Plänen, sich eine reiche
Witwe zu schnappen, um seine Geldprobleme in den Griff zu bekommen und
sie zur Hochzeitsnachtsnacht „über die Klippen hinunter (zu)kippen“ singt,
Charlie Meimer mit samtweicher Stimme ein Liebeslied für eine „schwarze
Wilde, seidenweiche und verspielte, süße, böse, milde
namens Hilde“ zum Besten gibt oder die wunderbare Steffi Denk von „Verfloss‘nen
Affairen“ und dem „Chaos der Gefühle“ erzählt,
fängt man an, sich zu erinnern, mitzuswingen und zu schwelgen und
laut oder ganz leise in sich hinein zu lachen. Deutsche Texte ohne Pathos,
mit viel Witz und lakonischem Humor, gepaart mit kongenialen Kompositionen
von Swing bis Tango und ebensolchen Musikern wie Dana Darau, Isabel Krapitz,
voc, Bob Rückerl, git/voc, Norbert Gabla, Bandoneon, Stephan Holstein,
cl, Wolfgang Kriener, b, Michael „Scotty“ Gottwald, dr – das
gibt es nicht oft. Zugreifen! Andromeda Mega Express Orchestra Wer wie ich bei einem Namen wie Andromeda Mega Express Orchestra sofort
an eine Sun Ra-Hommage denkt, liegt hier nicht mal annähernd richtig.
Viel mehr handelt es sich bei diesem musikalischen UFO um eine Formation,
die so einfach nicht in eine Schublade zu stecken ist, irgendwo zwischen
Ensemble Modern, Duke-Ellington-Big-Band, London Symphony Orchestra und
Frank Zappa. Es besteht aus 20 jungen Musikern aus 9 Ländern Europas
und Asiens, wo es bereits durch die verschiedensten Landstriche tourte.
Die Besetzung des „AMEO“ entspricht in etwa dem eines modernen „Mini-Symphonieorchesters“ mit
Streichergruppe, Holz-und Blechbläsern aber auch Schlagzeug, Bass,
Gitarre, Harfe und Vibraphon. Alle Stücke des Albums entstammen
der Feder des vielversprechenden Berliner Komponisten und Saxophonisten
Daniel Glatzel (von dem die Jazzzeitung bereits berichtete, siehe Ausgabe
1/08). Inwiefern die Musik tatsächlich als Jazz bezeichnet werden
kann, ist fraglich. Fetzen von Big-Band-Sounds tauchen auf, vermischt
mit Anspielungen auf Balkan-Folklore oder frühen Prog-Rock. Man
denkt stark an Filmscores der 60er und frühen 70er, streckenweise
auch an (bessere) „Lounge“-Alben, wie man sie zum Beispiel
von Roy Ayers kennt. Bemerkenswert, wie es Glatzel und dem AMEO gelingt,
aus diesen und vielen anderen verschiedenartigen Elementen ein sinnvolles,
durchgehend schönes und persönliches Mosaik zusammenzusetzen.
Das Album lädt einen zum Fantasieren ein, die Musik scheint wirren
Träumen zu entstammen, aber man sollte sich couragiert darauf einlassen,
mit dem AMEO auf eine sinnliche Reise zu gehen, querbeet durch die verschiedensten
Spiralgalaxien und Sternbilder des zeitgenössischen Musikkosmos. Oscar Pettiford Nach „The Engine Room“ (PROPERBOX 2) und „BeBop Spoken
here“ (Properbox 10) ein weiteres Highlight des englischen Labels
Proper Records: 80 Aufnahmen des großen Bassisten zwischen 1943
(seine ersten) und 1957 (drei Jahre später starb er in Kopenhagen
mit nur 37 Jahren). Oscar Pettiford war der erste Bassist, der Elemente
des Bebop in sein Spiel aufnahm, und nach Jimmy Blanton der zweite, der
als Solist ebenso glänzte wie als Begleiter, noch vor Charles Mingus
und Ray Brown. Seine Solos sind Musterbeispiele für eine an Bläserfiguren
orientierte Phrasierung – noch heute jedem Bassisten zum Studium
empfohlen, vor allem denen, die meinen, je mehr Töne desto besser
(ich glaube, es war Sigi Busch, der für sie den wunderbaren Ausdruck „Flinketäusch“ geprägt
hat). Zudem hat Pettiford das Cello als Jazzinstrument etabliert, wofür
es hier ebenfalls sehr schöne Beispiele gibt. Harry Babasin spielte
zwar 1947 als erster Aufnahmen mit Cello ein, aber Pettiford übertraf
ihn an drive, Ton und Fantasie. Beide machten übrigens 1953 zusammen
Aufnahmen, die ebenfalls in dieser Box enthalten sind. Hiram Bullock Gitarristen haben wie die meisten Musiker eine Ahnengalerie ihrer Idole,
von denen Jimi Hendrix (1942 bis 1970) wohl am meisten verehrt wird.
Auch für Hiram Bullock, einen Grenzgänger in den Bereichen
Jazz und Rock, war Jimi Hendrix „ein musikalisches Schlüsselerlebnis” mit
Langzeitwirkung. Denn seine Hommage lässt einen Reifungsprozess
in der Beschäftigung mit Jimi Hendrix’ Stil erkennen, insbesondere
in der Kooperation mit der WDR Big Band Köln, für die Bernd
Lechtenfeld kongeniale Arrangements geschrieben hat. Im Unterschied etwa
zur Jazz-Aerodynamik von Gil Evans hat Hiram Bullock den rauen Sound
der Originale raffiniert verstärken lassen und so den grellen Rockstil
von Jimi Hendrix bewahrt. Dessen Gitarrenkünste hat Hiram Bullock
zwar nicht versucht zu imitieren, doch er erinnert an sie durch individuelle
Virtuosität und ekstatische Soli etwa in „Red House”,
wozu auch sein erdiger Gesang passt. Kultivierter Groove kommt von Schlagzeugstar
Billy Cobham, der bei seinem Solo zu „Maniac Depression” ziemliche
Staccato-Energie erzeugt, und Gastsolist Christoph Dell fügt am
Vibraphon ganz unerwartet filigrane Figuren hinzu. Wenn dann noch die
Melodie von „Little Wing” von Flöten sphärisch
ausgestaltet wird und Frank Chastenier an der Orgel „Crosstown
Traffic” in Fahrt bringt, ist die Begeisterung des Publikums bei
diesem phantastischen Live- Konzert schon überschäumend. Ein
Klasse-Album des im Jahr 2008 verstorbenen Hiram Bullock. Jürgen Friedrich Eine durch besondere Kohärenz der Akteure faszinierende Pianotrio-CD,
stimmiges Meisterwerk einer über Jahre gewachsenen Zusammenarbeit!
Auf dem fünften gemeinsamen Album zelebrieren Jürgen Friedrich,
p, John Hébert, b, und Tony Moreno, dr, das aufmerksame Interplay
auf gleicher Höhe in derart inniger Weise, wie es eben nur ein Trio
kann, das der interaktiven Partnerschaft über Jahre hinweg höchste
Aufmerksamkeit widmet. Seit 1997 spielen die drei zusammen, nutzen ihr
exzellentes kammermusikalisches Gespür zu einer subtilen Vielfalt,
wie sie selten zu erleben ist. Alle drei tragen zum kompositorischen
Schaffen bei, wenn auch Friedrich am meisten, was nicht verwundern darf,
erhielt er doch bereits 1997 als erster Europäer überhaupt
den Gil Evans Award for Jazz Composition, die erste einer ganzen Reihe
von Auszeichnungen, die er im Lauf der Jahre erhalten hat. Einziger Standard
auf der Scheibe ist Monks „Round Midnight“, Lackmus-Test
der Triokunst, improvisatorisch und klanglich in allerfeinsten Nuancen
ausbalanciert. Das gilt für alle Stücke: Das Trio beherrscht
die hohe Kunst der Klangmalerei in den wunderbarsten Farben, die schimmern
können und leuchten, mal zart, mal kräftig aufgetragen. Was
nicht zuletzt die CD auszeichnet, ist ihr makelloser Klang, der Zusammenhang
und Transparenz vereint in einer Aufnahmesituation, die das Trio in einem
Raum spielen ließ. Zumindest ein bisschen inspiriert von Jackson
Pollocks Idee, die Farbe im freien Fall aufs Papier zu bringen, entstand
seelentiefe Musik von faszinierender Farbigkeit. Christian Scott Was für ein Sound! Christian Scott liefert auf „Live at Newport“ eine
grandiose Vorstellung ab. Eigentlich ist die CD als Referenz auf das
Miles Davis Konzert in Newport vor 50 Jahren konzipiert, und Miles wird
von Scott auch als einer seiner wesentlichen Einflüsse benannt.
Aber die Musik ist alles andere als eine nostalgische Reminiszenz, sondern
besticht zuerst einmal durch die ungewöhnliche Besetzung/Instrumentierung
und lebt vom einzigartigen Line-up mit Trompete, Gitarre, Saxophon und
Rhythmus-Section. Der Gitarrist Matthew Stevens, dessen Spiel ansatzweise
an den Ton eines Pat Metheny erinnert, dann aber doch wesentlich komplexer
ist, prägt als musikalischer Direktor maßgeblich den Sound
der Band. Auffallend zurückhaltend aber immer katalytisch, spielt
Scott auf dem Punkt, schweift nie ab und gibt mit seinen Soli Anstöße,
die die Band grandios weiterführt. Die Rhythmusgruppe der Band ist
mit Aaron Parks am Piano, dem Bassisten Joe Sanders, Jamire Williams
an den Drums und dem Saxophonisten Walter Smith III. ebenfalls jung und
innovativ besetzt. Hier werden keine Plattitüden gespielt, keine
Standards, sondern starke Eigenkompositionen, die durchdacht sind, immer
grooven und nie ins Belanglose abdriften. Als Bonus wird die CD mit einer
DVD ausgeliefert, auf der Interviews mit Scott sowie Proben vor dem Konzert
zu sehen sind, und (außer dem Titel „The Crawler“)
das Konzert noch einmal als Film präsentiert wird. Alles in allem
eine außerordentlich gelungene Aufnahme! |
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