Anzeige

Startseite der Jazzzeitung

Anzeige

Startseite der JazzzeitungZum Archiv der Jazzzeitung (Datenbanken und pdf)Zur Rezensionsdatenbank der JazzzeitungZur Link-Datenbank der JazzzeitungClubs & Initiativen Die Jazzzeitung abonnierenWie kann ich Kontakt zur Jazzzeitung aufnehmen
 

Jazzzeitung

2009/02 ::: seite 8

portrait

 

Inhalt 2009/02

Inhaltsverzeichnis

STANDARDS

Editorial / break / Nachrichten aus der Jazzszene / kurz, aber wichtig / Schlagzeuger Louie Bellson / Mel Lewis / Multiinstrumentalist und Labelchef Bob Rückerl


TITEL -
Treibstoff Ungewissheit
Jazzförderung und die neue Liebe zum Jazz


DOSSIER
- Jazz, Architektur und mobiles Leben
BMW Welt Jazz Award

Berichte
43. Arbeitsphase des BuJazzO // 4. Festival Women in Jazz in Halle // Frederik Köster Quartett erspielte sich den Neuen Deutschen Jazzpreis 2009 in Mannheim // Aki Takase und Louis Sclavis im Neuburger Birdland // Vorschau: Internationale Konferenz auf der jazzahead! 2009


Portraits

Michael Cuscuna // Branford Marsalis // Madeleine Peyroux // Pianist Kristjan Randalu // Ida Sand // Die „9 Symphonies“ von Marcus Schinkel // Derek Trucks


Jazz heute und Education
Interview mit Hans-Georg Küppers, Kulturreferent der Stadt München // Café Lido hat München // 5 Fragen an Klaus Widmann vom Südtirol Jazzfestival // Abgehört: John McLaughlins Solo über „Joy“

Rezensionen und mehr im Inhaltsverzeichnis

 

Der Jazz-Archäologe

Ein Interview mit Michael Cuscuna von Blue Note

70 Jahre ist es her, dass Alfred Lion (1909–1987) und Francis Wolff (1907–1971), zwei deutsch-jüdische Emigranten, das vermutlich berühmteste Label der Jazzgeschichte gründeten: Blue Note Records. Nach den Glanzzeiten bis Mitte der 60er-Jahre verfiel Blue Note – mehrfach verkauft und vernachlässigt – in den 70er-Jahren in einen tiefen Dornröschenschlaf. Wachgeküsst wurde es schließlich von Michael Cuscuna (geb. 1948). Mit seinen Wieder- und Neuveröffentlichungen hatte der Jazzproduzent maßgeblichen Anteil daran, dass das Label 1984 wiederbelebt wurde. Claus Lochbihler unterhielt sich mit Michael Cuscuna.

Michael Cuscuna. Foto: Claus Lochbihler

Bild vergrößernMichael Cuscuna. Foto: Claus Lochbihler

Jazzzeitung: Wie wurden Sie zum Hüter des Blue-Note-Archivs?
Michael Cuscuna: Ich war in den 60er- und 70er-Jahren mit vielen Musikern befreundet, die für Blue Note aufgenommen hatten. Wann immer sie von ihren früheren Sessions erzählten, habe ich mir Notizen gemacht. So wusste ich, dass es jede Menge unveröffentlichter Aufnahmen im Blue-Note-Archiv geben musste. Leider hat es dann fast vier oder fünf Jahre gedauert, bis man mich ins Archiv gelassen hat.

Jazzzeitung: Wie kam das?
Cuscuna: Ich traf einen Mitarbeiter des Labels, dem ich meine Notizen gezeigt habe. Das hat ihn beeindruckt. Jedenfalls sagte er spontan: „Jemanden wie Sie müssen wir tatsächlich ins Archiv lassen.“

Jazzzeitung: Als Sie dort waren, wurde Ihnen auch rasch klar, weshalb…
Cuscuna: Die Aufnahmen lagerten in einem temperierten Lagerhaus in Kalifornien: Hunderte, nein Tausende von Bändern, die meisten davon nur schlecht dokumentiert. Auf vielen stand nicht mehr als ein Name und ein Datum: Jimmy Smith, 7. April 1958 – so ähnlich. Als ich mich erkundigte, wo die weiteren Informationen – die Namen der anderen Musiker, der Kompositionen und wer sie geschrieben hatte – zu finden waren, hieß es: „Sorry, mehr Informationen haben wir leider nicht.“

Jazzzeitung: Ein großes Musik-Puzzle?
Cuscuna: Mir blieb nichts anderes übrig, als diese Bänder abzuspielen und mit den Informationen abzugleichen, die ich von den Musikern gesammelt hatte. Ich hörte mir die Aufnahmen immer und immer wieder an und versuchte heraushören, wer darauf spielte. Wenn ich glaubte, am Klavier einen Joe Zawinul oder am Schlagzeug Jack DeJohnette erkannt zu haben, verglich ich das mit anderen Aufnahmen, bei denen definitiv feststand, dass darauf Zawinul oder Jack DeJohnette zu hören waren. Wenn ich nicht weiterkam, habe ich Ausschnitte der Aufnahmen an Musiker weitergegeben und sie um Hilfe bei der Rekonstruktion der Besetzung gebeten. Das war wirklich eine sehr mühselige und langsame Arbeit.

Jazzzeitung: Klingt ein wenig wie Jazz-Archäologie…
Cuscuna: Ich war so etwas wie eine Kombination aus Sherlock Holmes und Archäologe. Nur, dass es nicht um Mörder und Gräber, sondern um Tonbänder und Jazzaufnahmen ging. Was ich ausgrub, war manchmal erst zehn Jahre zuvor eingespielt worden. Aber es kam mir oft vor, als ob ich Dinge zu rekonstruieren hätte, die Hunderte von Jahren zurücklagen.

Jazzzeitung: Nach drei Jahren bekamen Sie ganz unerwartet Hilfe aus Japan.
Cuscuna: Eines Tages hieß es, Kollegen, die Blue-Note-Aufnahmen in Japan herausbrachten, wollten mich treffen. Sie zeigten mir ein Notizbuch, in dem in Alfred Lions Handschrift detaillierte Informationen über jede unveröffentlichte Blue-Note-Session zu finden waren – die Namen der Musiker, das Datum der Aufnahme, die Stücke und wer sie geschrieben hatte. Also genau die Informationen, die wir so mühsam recherchierten. Keine Ahnung wie das nach Japan gelangt war! Ich bekam eine Kopie dieser Aufzeichnungen. Danach konnten wir ganz anders veröffentlichen. Zuvor hatten wir immer die Aufnahmenherausgebracht, von denen wir Repertoire, Besetzung und Aufnahmedatum herausgefunden hatten. Also nicht immer die spannendsten oder musikalisch wertvollsten Aufnahmen, sondern die, von denen wir wussten wer darauf überhaupt zu hören war. Mit dem Notizbuch aus Japan konnten wir uns endlich nach Qualitätsgesichtspunkten durch das Blue-Note-Archiv arbeiten.

Jazzzeitung: Was waren für Sie die spannendsten Funde?
Cuscuna: Gleich am ersten Tag entdeckte ich Bänder, auf denen nichts weiter stand als ein Datum. Es stimmte zufällig mit dem Termin von Aufnahmen des Bassisten Paul Chambers mit John Coltrane überein. Meine Hoffnung war, dass ich unveröffentlichte Aufnahmen dieser großartigen Session gefunden hatte. Als wir die Bänder anhörten, entpuppten sie sich als genau das! Genauso spannend war später die Entdeckung der kompletten Trio-Aufnahmen von Sonny Rollins im Village Vanguard. Ein unglaublich guter Konzertmitschnitt, den wir als Doppel-CD herausgebracht haben.

Jazzzeitung: Trotz Ihrer Re-Issues ging es mit Blue Note Ende der 70er-Jahre aber weiter bergab.
Cuscuna: Damals steckte die ganze Musikindustrie in einer großen Krise. Besonders bekamen das der Jazz und damit auch Blue Note zu spüren. Bei EMI, wo Blue Note nach mehreren Verkäufen gelandet war, interessierte sich niemand mehr für dieses großartige Label. Das sah man schon daran, dass Blue Note seit 1978 gar keine eigenen Angestellten mehr hatte. Es gab mich mit meinen Re-Issues, aber ich war ja nur Freelancer. Als letzten Mohikaner hatte Blue Note zuletzt nur noch den Pianisten Horace Silver unter Vertrag. Der lieferte 1981 sein letztes Album ab – danach gingen die Lichter aus.

Jazzzeitung: Wie kam es dann 1984 zur Wiederbelebung von Blue Note?
Cuscuna: Das ist vor allem Bruce Lundvall zu verdanken, der das Label noch heute leitet. Er wurde 1984 von EMI geholt, um ein neues Pop-Label aufzubauen. Er sagte zu, aber nur unter der Bedingung, dass er sein Lieblingslabel Blue Note wiederbeleben dürfe. So kam es dann. Zuerst haben wir mit Re-Issues angefangen, nach einem Jahr entstanden auch neue Aufnahmen mit neuen und alten Blue-Note-Künstlern.

Jazzzeitung: Mit dem Internet und dem Downloaden von Musik erleben wir derzeit wieder einen technischen Wandel im Musikgeschäft. Sehen Sie darin eine Chance oder überwiegen aus Ihrer Sicht die Nachteile?
Cuscuna: Schwer zu sagen. Aber für ein Jazzlabel wie Blue Note fürchte ich eher die Risiken. Das Herunterladen von digitaler Musik stellt für Jazzlabel und ihr Publikum eine besondere Herausforderung dar. Die meisten Leute, die Jazz-CDs kaufen, sind zwischen 40 und 70 Jahre alt. Das sind Leute, die Musik gerne in Kombination mit Fotografie und guten Liner Notes genießen. Sammlertypen also, die mit einem Download nur wenig anfangen können, weil man eine Musikdatei weder anfassen noch darin blättern kann wie in einer schönen CD-Box. Natürlich ist die Musik auch auf einer CD digital. Aber letztlich ist die CD immer noch ein Tonträger. So gesehen hat sie mehr mit einer analogen Platte gemeinsam als mit einem Musik-Download.

Das komplette Interview finden Sie im Netz unter www.nmz.de/online/er-hat-blue-note-wachgekuesst-jazz-archaeologe-michael-cuscuna-im-gespraech

| home | aktuell | archiv | links | rezensionen | abonnement | kontakt | impressum
© alle texte sind urheberrechtlich geschützt / alle rechte vorbehalten / Technik: Martin Hufner