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Es gibt einige „Last Concerts“ von berühmten Jazzmusikern, die legendär wurden, weil deren so bald bevorstehender Tod vielleicht zu ahnen, aber doch längst nicht gewiss war. Wir denken an Chet Bakers Konzert mit der NDR Big Band am 28. April 1988 im Funkhaus Hannover. Oder an Eddie Harris’ letzten öffentlichen Auftritt mit der WDR Big Band am 14. März 1996 in Köln. Und der dritte Fall, seltsamerweise auch in Deutschland spielend, ist das Konzert der WDR Big Band am 22. November 1989 in Leipzig. Es war aus politischen Gründen denkwürdig, denn – was bei der Planung keiner ahnen konnte – erst zwei Wochen zuvor war die Mauer gefallen und die Atmosphäre in der Stadt der friedlichen Bürgerproteste beeindruckte die Gäste aus Köln zutiefst. Nicht minder bewegend aber wurde für sie und alle Beteiligten das Konzert selbst, weil sie fürchten mussten, dass es zum Last Concert von Mel Lewis werden könnte, was sich dann auch bewahrheiten sollte. Der Meister des Timing und des unwiderstehlich swingenden, doch nie aufdringlichen Schlagzeugspiels, der dennoch alle seine Bands unabdingbar dirigierte, der ganz besondere Schlagzeuger Mel Lewis litt an Hautkrebs und war schon schwer gezeichnet, als er in Köln eintraf, wo die Proben wegen eines Schwächeanfalls abgebrochen werden mussten. Aber er bestand darauf, mit nach Leipzig zu reisen. Vorsorglich wurde als Ersatz der junge, von Mel Lewis geschätzte Dennis Mackrel verpflichtet, der mit der Musik des Konzertprojekts „Tribut to Thad Jones“ durch seine Arbeit im New Yorker Village Vanguard so vertraut war, dass er ohne Probe einspringen konnte. Mel Lewis saß dann auch nur bei drei Titeln am Drum-Set. Aber sein Auftritt bleibt unvergessen, nicht nur, weil man seinem gewohnt leichthändigen, federnden Spiel seinen ernsten Zustand kaum anmerkte, sondern auch weil er sich, als er vom Bandleader Jerry van Rooyen auf die Bühne gerufen wurde, mit schlichten aber eindringlichen, die Situation treffenden Worten, an die Leipziger Zuhörer wandte und unter Beifall lapidar feststellte: „The War is over“, und es sei wundervoll, an diesem Ort zu einer Zeit zu sein, in der endlich geschehen sei, was habe geschehen müssen. Sicher gäbe es noch viel zu tun, aber „Sie werden es tun, weil Sie es wollen, weil Sie es immer gewollt haben, aber jetzt können Sie es tun.“ Und dann stellte er, der einstige Co-Leader der großartigen Thad Jones/Mel Lewis Big Band die WDR Big Band, mit der er seit acht Jahren in vielen Projekten eng zusammengearbeitet hatte, wie immer als „my Second Band“ vor, „it’s a great Band, I hope you enjoy it.“ Es wurde ein großartiges Konzert, auch wenn die Situation für die WDR-Musiker alles andere als leicht war. Kaum mehr als zwei Monate später, am 2. Februar 1990, starb Mel Lewis 6o-jährig in New York. Am 10. Mai 2009 wäre er 80 Jahre alt geworden. Dietrich Schlegel CD-Tipps
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