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Jazzzeitung
2009/02 ::: seite 6
portrait
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Die Karriere der Sängerin und Gitarristin Madeleine Peyroux nahm
ihren Anfang im Sinne des Wortes auf den Straßen Europas, was ihrer
Musik eine zwingende Ausdrucksstärke gab. Nun ist sie bei sich selbst
angekommen: Auf ihrer aktuellen CD „Bare Bones“ singt sie
eigene Lieder. Beeinflusst von Folk und Singer-Songwritern, hat Madeleine
Peyroux im Laufe ihres Lebens auch immer wieder den ganz großen
amerikanischen Sängerinnen zugehört. Inspiriert von einer Bessie
Smith oder einer Ella Fitzgerald erfuhr die Peyroux viel über Tiefgang
und Ausdruck. Ihr neues Album kleidet Texte von heute in ein musikalisches
Gewand voller Nostalgie und Vergangenheitssehnsucht.
Jazzzeitung: Wie wichtig sind weibliche Vorbilder für eine Frau,
die sich im Musikgeschäft umtut?
Madeleine Peyroux: Sehr wichtig! Ich könnte nicht sagen wie mein
Leben wohl aussähe, hätte es nicht all diese Sängerinnen
gegeben, die mich beeinflussten, schon als ich ein kleines Mädchen
war. Ich hörte Billie Holiday und auch weiße Sängerinnen
wie Judy Garland, die damals oft im Kino zu sehen war. Als Teenager,
etwa mit Dreizehn, entdeckte ich dann Bessie Smith und Ma Rainey. Und
dann natürlich Ella Fitzgerald und die anderen großartigen
Jazzsängerinnen. All das war Teil meiner Adoleszenzentwicklung.
Jazzzeitung: Was hat die Musik damals für dich bedeutet? Und speziell
vielleicht die Sängerinnen?
Peyroux: Es war eine schwierige Phase für mich – und hier
fand ich eine Musik, die eine bodenständige Identität vermittelte,
die gleichzeitig positiv war. Und dazu kam, dass hier Themen und Dinge
anklangen, auch wenn es nur in einem Song war, über die Frauen gewöhnlich
nicht sprechen konnten. Billie Holiday beispielsweise wird immer als
tragische Figur dargestellt. Dennoch war sie es, die mir alle Hoffnung
der Welt vermittelt hat! Einfach, weil sie Dinge direkt ansprach, als
es sonst niemand tat. Und es waren in der Tat sehr harte Zeiten damals,
lange bevor die Bürgerrechtsbewegung in Amerika Fuß gefasst
hatte! Ähnlich ist auch der Blues erst spät ins Blickfeld der
Allgemeinheit gelangt. Ich glaube, dass viele Leute auch heute noch nicht
begreifen, wie wichtig der Blues für die amerikanische Kultur und
die Popularmusik ist.
Jazzzeitung: Wie ist der Stand der Sängerinnen in der Gegenwart?
Peyroux: Heute lebe ich, als Frau und als Sängerin, in einer wunderbaren
Zeit! Es ist eine Zeit für weibliche Stimmen, zumindest im Jazz,
mit Ikonen wie Diana Krall und Norah Jones an der Spitze. Und die Liste
wäre viel länger, wenn mir alle einfielen… (lacht)
Wie gesagt, dies ist eine große Sache für mich. Ich glaube,
man sollte sich vielleicht sogar des Themas „Schnulze“ mal
wieder annehmen – auch da steckte damals eine gehörige Portion
Soul dahinter. Lebenserfahrung ebenfalls – man verliert das leicht
aus den Augen, wenn die Arrangements der Songs zu sehr auf Tanzflächentauglichkeit
getrimmt oder zu populär aufgemacht wurden.
Jazzzeitung: Was noch findest du in den Songs
von damals?
Peyroux: Obwohl in Texten und generell in Songs meist
ein sehr oberflächlicher
Blickwinkel auf den weiblichen Aspekt vorherrscht, existierte hier ein
Weg für die Sängerinnen, zu einem gewissen Maß an Bekanntheit,
Respekt und Ruhm zu gelangen. Politik und Wirtschaft boten dies nicht – Gesang
war damals eine der wenigen Richtungen, die eine Frau einschlagen konnte,
um gesehen und gehört zu werden.
Und jetzt? Die Zukunft ist hell! Alle sind in Aufbruchsstimmung. Das
Klima in der US-amerikanischen Künstlerszene hat sich seit der Wahl
sehr belebt. Aber es gibt viele Aufgaben, es gibt Hindernisse zu bewältigen.
Wir werden uns nicht leisten können, den alten Geschlechterkampf
weiterzuführen. Wenn es etwas anzupacken gilt, wird man immer häufiger
Frauen in dieser Rolle antreffen. Und das stimmt mich hoffnungsfroh.
Jazzzeitung: Gefühl, Technik und Intuition – sind das Begriffe,
die für dich als Sängerin und Musikerin eine Rolle spielen?
Und welche jeweils?
Peyroux: Nun, Gefühle auszudrücken ist ganz offenkundig ein
wichtiges Element im technischen Portfolio jedes Sängers – eigentlich
jedes Musikers. Für den Musiker ist Technik eine Frage der Körperbeherrschung;
es gilt, eine Note perfekt zu intonieren. Ähnlich bei einem Sänger,
wenn es darum geht, den gewünschten Ton zu erzeugen. Warum man nun
aber diesen und nicht jenen Ton singen möchte, das ist eine andere
Frage: hier kommt wieder die Intuition ins Spiel…
Jazzzeitung: Von hier aus: Könntest du versuchen zu definieren,
was Musik ist?
Peyroux: Musik entsteht aus einer Kommunikation heraus.
Ich glaube, dass es eine Art außerdimensionaler Verbindung gibt, die es uns erlaubt,
auf einer tiefen Ebene miteinander zu kommunizieren. Aber ich meine das
nicht so mystisch wie es jetzt vielleicht klingt! Musik war und ist für
mich schon immer ein Ausdruck von Zivilisation. Sie erfüllt ein
sehr humanes Bedürfnis, einander über Töne und Rhythmen
etwas mitzuteilen. Das hat ein soziales Element – ein gemeinsam
vollzogenes Ritual, das nicht von vornherein mit einer Wertung verbunden
ist! Interview: Carina Prange
CD-Tipp
Madeleine Peyroux: „Bare Bones“
Rounder/Universal 01166 1327221
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