Anzeige |
|
|
Anzeige |
|
Mit seinem Leiden wollte er sich gar nicht auseinandersetzen. „Der Scheiß…“, wie sich Bob Rückerl gegen die erst wenige Monate vor seinem Tod diagnostizierte Krebserkrankung mit allen Kräften wehrte, kostete ihn am 1. Februar das Leben. Wenige Tage vorher spielte der Saxophonist und Gitarrist noch mit seinem Jugendfreund und langjährigen Partner Hans Attenberger und Werner Treiber am Schlagzeug ein Triokonzert im Club in Abensberg, sozusagen seinem eigenen „musikalischen Wohnzimmer“. Rückerl war ein echter Selfmademan und Beweger. Einer, dem ständig etwas Neues einfiel, der Leute zusammenbrachte, Ideen für Projekte hatte, Dinge anpackte und nicht gleich nach den Erfolgschancen schielte oder den möglichen Aufwand berechnete. „Er hat geschrieben und arrangiert ohne Ende“, sagt Helmut Nieberle über seinen Freund und Partner. Bei einer Durchsicht von Rückerls Computer hat der Regensburger Gitarrist, mit dem zusammen Rückerl das kleine Bobtale-Label betrieb, „an die 1.000 Objekte gefunden“. Sicher kann von diesen Kompositionen, Fragmenten, Arrangements und Skizzen nur ein Teil verwertet werden. Alleine die Fülle wirft ein erhellendes Licht auf den schlanken, großen Musiker. Auf seine Umtriebigkeit, Energie, den zupackenden Elan mit dem er ein Studio, das Label, den Job als Programmchef für den Abensberger Club, eigene Konzerte und Tourneen organisierte. „Bob hat viel initiiert“, meint Nieberle anerkennend und darin schwingt zugleich Bedauern und Trauer über die Lücke mit, die Rückerls Tod hinterlässt: „Allein was wir alles zusammen gemacht haben…“ Zielstrebig und zupackend hat der gebürtige Siegenburger auch seine Karriere aufgebaut. „Sehr früh, mit 16, 17 wusste Bob, dass er Musiker werden will“, erinnert sich Attenberger an die Zeit, als sie erste musikalische Gehversuche im Gitarrenduo mit „selbsterfundenem rockigen Jazz“ unternahmen. Mit kommerziellen Bands in Europa unterwegs, lernten sie bei einem Abstecher auf die kanarische Insel Las Palmas den „Jazzprofessor“ Louis Vecchio kennen und nahmen dessen Einladung, in seiner Band zu spielen an. Im Gegenzug lernten die beiden Autodidakten viel über Kompositionslehre, Arrangement, Harmonielehre und Bob Sopransaxophon im Privatstudium. 1984 kehrten sie nach Deutschland zurück und entfalteten eine rege musikalische Aktivität als Duo, mit „Bajazzo“, den „Fiftysix“, mit dem Ingolstädter Bluessänger und Festivalimpresario Raimund Frick, in Bigbands mit dem Regensburger Bandleader Ulli Forster und in kommerziellen Galabands. Einige Jahre spielte Rückerl auch in der Rock-Gaudiband „Luis Trinkers Höhenrausch“. Musikalische Kooperationen verbanden den Tausendsassa mit dem Pianisten Hans Huber, mit ihm entstand zuletzt das Album „Jazz meets Baroque“ im Rahmen der Neuburger Barockkonzerte, dem Holzbläser Christoph Hörmann und seinem Werkstatt-Jazzorchester, mit Stefan Holstein, Wolfgang Kriener, Michael Gottwald und mit dem englischen Jazzgitarristen Jim Mullen. Mit dem „Jim Mullen/Helmut Nieberle Sextett“ organisierte er seit Jahren jeden Herbst eine Tournee. Zudem begleitete er auch immer wieder internationale Stars auf ihren Europatourneen. Viel Herzblut steckte er in die Theaterarbeit, spielte in vielen Produktionen mit – zuletzt in der „Dreigroschen-oper“ am Stadttheater Regensburg – und schrieb mit Nieberle zusammen Kinderstücke fürs Theater, die er auch auf drei CDs auf dem eigenen Label produzierte und publizierte. Sein musikalischer Horizont war weit gespannt. Erst vor etwa fünf Jahren begann er damit, Bassklarinette zu spielen. Sein Spiel war so intensiv und schön, dass Nieberle zu seinem „größten Fan auf der Bass-Klarinette“ wurde. Gesungen hat er ebenfalls schon immer, einiges ist auf Alben dokumentiert. Selten war er dagegen in den letzten Jahren mit dem Baritonsaxophon zu hören, sein Hauptinstrument in den Anfangsjahren in Regensburg. Sein persönlichstes Vermächtnis ist das Balladen-Album „Bob‘s Delight“, das er mit Streichern und zahlreichen befreundeten Musikern in vierjähriger Arbeit aufgenommen und 2004 veröffentlicht hat. Das Label – Bobtale Records – wo „Bob nur Produktionen reingelassen hat, die ihm selbst auch gefallen haben“, wird es weiterhin geben. Nieberle und seine Partnerin Gabriele Marchl, die Rückerl „2003 auf seine unnachahmlich überzeugende Art ins Boot geholt hat“, schreibt Marchl auf der Homepage, führen es künftig „schweren Herzens ohne ihn weiter“. Für den Abensberger Club, seit zehn Jahren Anlaufstelle für Fans zwischen Ingolstadt und Regensburg, gestaltet inzwischen Attenberger das wöchentliche Montagsprogramm. Am 19. Mai erinnern über 30 Musiker aus ganz Deutschland und England (Jim Mullen) bei einem „Bob Memorial Concert“ in Lappersdorf (bei Regensburg) an den überaus beliebten Niederbayern, der mit authentischem Schwung, musikalischer Präsenz und lapidarem Humor die Jazzszene Ostbayerns ganz erheblich mit geprägt hat. Die Lücke, die er hinterlässt, wird sich nur schwer schließen lassen. Michael Scheiner
|
|