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Biréli gehört zu den seltenen zeitgenössischen Musikern, die über einen solchen Bekanntheitsgrad verfügen, dass es ausreicht, sie mit Vornamen zu nennen. Überall auf dem Globus ist er einer der erfolgreichsten „Manouche“-Künstler überhaupt. Dieser Begriff verweist in Frankreich auf die Kunst und Kultur der Sinti und Roma. Dort gilt er seit nun über zwei Dekaden als der legitime Erbe Django Reinhardts, zum einen durch seine Hochbegabung, zum anderen durch den Einfluss, den er auf die Musiker der Jazz- und insbesondere der Swingszene des Landes ausübt. Ende vergangenen Jahres hat die Plattenfirma Le chant du monde drei Live-Alben aus den Achtzigern als Neuauflage herausgebracht, die zu Biréli Lagrènes Erfolg maßgeblich beigetragen haben und in dieser Zusammensetzung zugleich seine Entwicklung als junger Musiker sehr anschaulich darstellen. Bei dem Ersten handelt es sich um einen Auftritt in der Carnegie Hall aus dem Jahr 1984. Es ist auf jeden Fall die „swingendste“ der drei Platten und die, bei der man die zigeunerische Herkunft des damals 17-jährigen Biréli am deutlichsten heraushört. Mit viel Talent, aber auch Respekt setzt er hier den originellen und „verspielten“ Charakter der Manouche-Tradition fort. Die zweite Platte wurde genau ein Jahr später, diesmal beim Jazzfestival in Freiburg, aufgenommen und sie ist ein Beleg für die Kreativität und künstlerische Offenheit, die Lagrène zu diesem Zeitpunkt kennzeichnen. Man spürt sehr deutlich, dass er den Swing bereits integriert hat und neue, persönliche Wege sucht, sich aus dem inzwischen zu eng gewordenen Korsett des Manouche-Wunderkinds zu befreien. Im Rückblick ist es vielleicht eines seiner vollkommensten Werke. Elemente aus Jazz-Rock und World Music bereichern Birélis ursprünglichen Stil, als wären sie selbstverständlich. Biréli wird auf diesen zwei Platten von einer herausragenden Rhythmus-Gruppe, bestehend aus dem Bassisten Jan Jenecke und den Gitarristen Diz Disley und Vic Juris, unterstützt. Mit elegantem Altruismus setzen sie sich voll und ganz für den Solisten ein. Ihre Spielweise ist diskret, dabei aber lebhaft und höllisch swingend. Bei der Aufnahme des Freiburger Auftrittes, bei dem auch Birélis Bruder Gaiti (ebenfalls an der Gitarre) zu hören ist, bekommen sie auch schon eher die Gelegenheit, sich mehr in den Vordergrund zu spielen und eigene Ideen zu entwickeln. „Biréli Lagrène & Jaco Pastorius – Stuttgart Area“ wurde 1986 aufgenommen und ist eine von Pastorius’ letzten Aufnahmen. Hier ist Biréli in seiner Entwicklung in Richtung Fusion, die ihn im folgenden Jahrzehnt prägen wird, schon sehr weit fortgeschritten. Allerdings ist diese Aufnahme ein wenig enttäuschend: Sie ist zwar keinesfalls schlechter, aber auch nicht besser oder kreativer als die meisten der unzähligen Fusion-orientierten Jazz-Rock-Platten, die zu diesem Zeitpunkt entstanden sind. Dass Biréli (zu diesem Zeitpunkt gerade mal 20!) aus Bewunderung für Jaco für seine Verhältnisse sehr zurückhaltend spielt, erklärt sich von selbst, und das obwohl sie schon vor der Aufnahme einige Male zusammen gespielt hatten. Doch auch Jaco, dem es zu diesem Zeitpunkt gesundheitlich ziemlich schlecht ging, scheint gehemmt durch den Respekt vor seinem jungen Kollegen, der er womöglich für talentiert genug hält, um in seine Fußstapfen zu treten. In Anbetracht des Genies und der Virtuosität beider Künstler lässt die Mittelmäßigkeit der Platte den Hörer etwas ratlos zurück. Dennoch ist die Aufnahme ein wertvolles Dokument, das den Fortschritt von Birélis Karriere veranschaulicht und, im Nachhinein betrachtet, auch die spätere Rückkehr zur akustischen Gitarre und zu einer swingenderen Spielweise ankündigt. Im Endeffekt kann man mit Recht behaupten, dass es eine sinnvolle Entscheidung der Plattenfirma war, diese Neuauflagen herauszubringen: Sie sind eine willkommene Einladung, einen ersten Rückblick auf die inzwischen fast 30-jährige Karriere von Biréli zu werfen. Besonders die zwei ersteren Aufnahmen kann man inzwischen getrost als Klassiker des europäischen Swings bezeichnen, und davon gibt es aus dieser Periode nicht viele. Cédric Dolanc
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