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Johnny Griffin „Oh, Night Lady!“ rief Johnny Griffin aus, als ich Jüngling einst von allen Möglichen ausgerechnet diese rare Platte aus dem Jahr 1964 zum Signieren hinhielt. Dieses „Oh!“ hinterfragte ich freilich nicht, aber es meinte wohl so etwas wie, „da ist mir vor 20 Jahren ein ganz feines Album geglückt“. Jetzt ist es für einen Apfel und ein Ei zu erstehen in einer CD-Ausgabe der Universal-Serie „Jazzclub“, in der bislang nur Compilations herausgebracht wurden, ab sofort aber auch einige etwas vergessene Originals. Kaum bekannt, gilt „Night Lady“ sicherlich nicht als grundlegendes Griffin-Album, bekommt es doch in all den Nachschlagewerken von Leuten, die es wohl nie gehört haben, nur verlegene drei von fünf möglichen Sternen. Mein Gott, es ist schlicht vollkommen! Es verbindet die sorgfältige Planung eines Studioalbums mit der Lockerheit eines Live-Auftritts in der Runde von Kollegen, mit denen nichts schief gehen kann. Der Pianist Francy Boland, der Bassist Jimmy Woode, der Drummer Kenny Clarke bildeten die Rhythmusgruppe, mit der Griffin noch in der unvergessenen Kenny Clarke-Francy Boland Big Band musizieren sollte. Der Routine verfallen sie nie; sie spontane Lust am kreativen Ausprobieren herrscht vor. Die vom Tenoristen in vielen Schattierungen entfaltete Pracht seines Tenorsounds kommt gut zur Geltung in einem Programm, das viele selten gespielte Stücke enthält. Allein schon Bolands bluesiger Walzer „Night Lady“ macht das Album fast zum Klassiker. Wild Bill Davison Storyville, das 1952 gegründete Label (das nach dem 1917 geschlossenen Sperrbezirk von New Orleans benannt ist, in das die Legende fälschlich die Geburt des Jazz verlegt), ist heute noch sehr rührig. In den letzten Monaten bringt es unter dem Titel „In Copenhagen“ eine Reihe historischer Schätze auf den Markt, Live-Mitschnitte so unterschiedlicher Musiker wie Teddy Wilson, Bud Powell, Frank Rosolino oder Jay McShann. Das wenigste davon ist neu, auch vorliegendes Beispiel war schon als LP und als CD erschienen, doch alles ist hörenswert und rückt als Serie betrachtet, mehr noch als die Einzelleistungen der Bandleader, die Bedeutung der Stadt als Jazzmetropole von internationalem Rang ins Blickfeld. Wo sich Größen wie Oscar Pettiford oder Dexter Gordon niederlassen, wo ein Jazzlokal wie das Montmartre steht und erstklassige einheimische Musiker zur Stelle sind, da mussten sich auch gastierende Größen wohlfühlen. Das gilt auch für den Kornettisten Bill Davison, der noch 69-jährig mit einer unheimlichen Ausdruckskraft gesegnet war, als er mit Dänen wie etwa den Saxophonisten Jesper Thilo und Uffe Karskov diese Aufnahmen machte. Der Heißsporn konnte Balladen und Blues so spielen, dass einem die Tränen in die Augen schießen, ganz nach seinem Ideal „so singend wie Bix, so kraftvoll wie Louis”, doch mit seinem eigenen raubeinigen Charme. Weil er selbst so bewegt klingt, vermag er in Songs wie „I Can’t Get Started“ tief zu bewegen. Johnny Hodges Jazz-Einsteiger, die das Schaffen bedeutender Jazzmusiker mit dem Kauf einer platzsparend verpackten Doppel-CD abdecken wollen, tun mit Alben der Reihe „Jazz Characters“ einen guten Griff. André Francis und Jean Schwarz wählen mit sicherem Griff aus der Fülle das Typische, liefern die notwendigen diskographischen Daten mit (bei heutigen Serien leider keine Selbstverständlichkeit mehr) und schreiben eine Einführung, die allerdings nicht länger ist als ein knapper Lexikoneintrag. Aus rechtlichen Gründen sind keine Aufnahmen dabei, die jünger als 50 Jahre sind, doch ein Anfang ist damit getan. Wer so kompetent eingeführt wird, erkennt zweifellos, ob der vorgestellte Musiker einem weitere Nachforschungen wert ist. 50 solcher Alben sind bereits erschienen. Eines der letzten widmet sich dem Alt- und Sopran-Saxophonisten Johnny Hodges (1906–1970), der in Aufnahmen der Jahre 1928 bis 1958 chronologisch vorgestellt wird. Der neben Benny Carter bedeutendste Altist des Swing verbrachte fast sein ganzes Leben bei Duke Ellington. Mit seinem berückenden Sound und seinen virtuos gehandhabten Ausdrucksmitteln wie etwa langsam gleitenden Glissandi (schön zu hören in „Passion Flower“), war „Rabbit” der meistgefeaturte Solist des Duke, machte aber auch bedeutende Aufnahmen unter eigener Regie, jedoch meist mit Ellington-Leuten (z.B. „Jeeps Blues“). Warum gerade sein großer R&B-Hit „Castle Rock“ fehlt? So ist das nun einmal auch bei guten Zusammenstellungen. Paul Chambers Liest man heute die Namen des Bassisten Paul Chambers, des Trompeters Donald Byrd, des Tenoristen Clifford Jordan, des Pianisten Tommy Flanagan und des Drummers Elvin Jones, zieht man sehr tief seinen Hut, so man einen auf hat. Man weiß, was für Könner da versammelt sind. Als aber dieses Album am 19. Mai 1957 entstand, wussten nur eingeschworene Jazzfreunde, die ihr Ohr am Puls der Zeit hatten, was für Riesentalente von des Jazz legendärstem Tonmeister Rudy Van Gelder aufgenommen wurden. Bandleader Chambers war mit seinen 22 Lenzen ja schon fast berühmt, da gerade Bassist bei Miles Davis. Zwei Stücke aus Benny Golsons goldener Feder sind ihm hier zugedacht, die wohl nie wieder gespielt wurden und hörenswert sind. Tommy Flanagan machte erst seit einem Jahr Aufnahmen, allerdings viele, oft im Team mit Chambers und war schon die Souveränität in Person, hier der reifste Solist. Donald Byrd galt erst seit zwei Jahren als vielversprechener Nachwuchs im Clifford-Brown-Stil und war an jenem Tag nicht ganz so sicher wie sonst. Elvin Jones wurde erst einige Jahre später berühmt und swingt mit leiser Federleichtigkeit. Für Clifford Jordan war es erst die zweite Aufnahmesitzung, man hört Unsicherheiten, die im nächsten Augenblick verfliegen, weil er sich mit solcher Begeisterung und Musikalität einbringt. Dieses Album besticht also nicht durch Perfektion, und doch geht von ihm ein besonderer Reiz aus: Blühende Jugend im Aufwind! Horace Silver Sieht man einmal von Songs wie „Japanese Sandman“ ab, die
mit japanischer Kultur nichts zu tun haben, war Japan lange im Jazz kein
Thema, wohl aber Jazz in Japan. In den frühen 60ern kommt es plötzlich
zu einer Häufung japanischer Thematik. Vor allem im schwarzen Hardbop
und Soul Jazz deuten Titel und/oder Melodik eine entdeckte Vorliebe für
das vielbetourte Land an, deren Menschen Jazz so lieben. Immer wieder
sind es Pianisten, die hierin beispielhaft waren. Cedar Walton legt als
Komponist und Pianist auf Blakeys Alben „Ugetsu“ (1963) und „Kyoto“ (1964)
vor, der 2008 verstorbene Ronnie Mathews komponierte „Ichi-Ban“ (1963)
und der von einer ganz anderen „Baustelle“ kommende Dave
Brubeck lieferte „Jazz Impressions Of Japan“ (1964). Der
modale Jazz à la Coltrane und Davis hatte ein Bewußtsein
für „exotische“ Skalen geschaffen, das auch auf Musiker
abfärbte, deren Musik „down home“ blieb. Horace Silver
hat mit „Tokyo Blues“ 1962 das idealtypische Album dieses
Genres geschaffen, das man nach einem Plattentitel von Cannonball Adderley „Nippon
Soul“ (1963) taufen könnte. Auffallend ist die Abwesenheit
oberflächlicher Orientalismen, aber auch folkloristischer Studien.
Vielmehr führt japanoide Motivik und ihre Kombination mit lateinamerikanischen
Rhythmen zu Stücken, die einfach typisch „silverisch“ sind.
Seinem mitreißenden Quintett gehörten Blue Mitchell (tp),
Junior Cook (ts), Gene Taylor (b) und John Harris (d) als Ersatz für
Roy Brooks an. |
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