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Jazzzeitung
2005/09 ::: seite 1
titelstory
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Die polnische Volksmusik nennt sie als die bedeutendste Wurzel ihres
musikalischen Schaffens – Jazz und Klassik wiederum ergänzen
das Spektrum der Sängerin Anna Maria Jopek zu einem umfassenden Ganzen.
Hineingeboren in eine musikalische Familie – Mutter Mariola Steczkowska
ist Tänzerin, Vater Stanislaw Jopek in seiner Heimat ein berühmter
Opernsänger – wohnten zwei Seelen in Anna Maria Jopeks Brust.
Auf Anraten der Eltern machte Anna Maria zwar eine klassische Klavierausbildung
und schloss das entsprechende Studium an der Warschauer Musikhochschule
mit dem Diplom ab, als Pianistin auf der Bühne würde man sie,
meint sie, aber wohl nie erleben. Gesungen dagegen habe sie schon von
frühester Kindheit an, anfangs „rein aus Spaß“,
in jedem Fall aber mit begeisterter Selbstinszenierung. – Nach zehn,
deutlich folk-beeinflussten Alben für den nationalen polnischen Markt,
präsentiert nun die CD „Secret“ mit englischsprachigem
Repertoire den jazzigen Aspekt der Anna Maria Jopek auch dem internationalen
Markt.
Jazzzeitung: Wann und warum hast du dich entschieden,
Sängerin statt Pianistin zu werden?
Anna Maria Jopek: Ich habe mich im Grunde nie wirklich
entschieden – das Leben hat mich letztendlich in diese Richtung
geführt. Noch während ich an der Hochschule in Warschau Klavier
studierte, hörte mich jemand singen und bot mir einen Job als Sängerin
in der Werbebranche an. Eine faszinierende Sache – ich konnte nicht
begreifen, wie ich mit dreimal wöchentlich fünfzehn oder dreißig
Aufnahmeminuten viermal soviel verdienen konnte wie mein Vater mit seinem
Vollzeitjob! Ich sagte ihm, ich fände das ungerecht: „Für
mein klassisches Studium übe ich so hart – und von einem Job
wie diesem könnte ich auf so einfache Art und Weise leben!“
Das war das erste Mal, dass es mir schwer fiel, mein Studium fortzusetzen.
Mein Vater sah das pragmatischer: „Wenn du zum Singen geboren bist,“
sagte er, „dann wirst du singen. Aber du musst erst beenden, was
du angefangen hast!“ Ich schloss also mein klassisches Diplom ab
und alles war prima. Aber nach dem Studium habe ich sofort mit Jazzbands
gearbeitet und einfach nur gesungen. Denn das war mein größtes
inneres Bedürfnis.
Seit ich mich erinnern kann, spiele ich ein bisschen Gitarre und habe
jedem zuhause vorgesungen – es war penetrant (lacht), … wirklich,
ich habe mich tagaus, tagein inszeniert! Wann immer meine Eltern Besuch
bekamen, musste ich mein Lied singen. Mit der Zeit waren alle ziemlich
genervt; es hat mich auch keiner ernst genommen: Meine Eltern waren fest
davon überzeugt, mein Platz liege in der Welt der klassischen Musik,
dass das die einzige Welt sei, in die ich gehörte.
Jazzzeitung: Hattest du aber später auch Gesangsunterricht
oder brachtest du dir das Singen ganz und gar selbst bei?
Jopek: Mein Vater ist ja ein phantastischer Sänger
– mit dieser unglaublichen Opernstimme, die alles zum Vibrieren
bringt. Er kannte eine wunderbare Gesangslehrerin. Und er sagte mir, dass,
wenn ich den Gesang ernsthaft betreiben wolle, ich dort hingehen und es
lernen solle. Ich hab‘s getan – und es war außerordentlich!
Gesangsstunden sind eine Art Therapie: du gehst da hin und singst eine
halbe Stunde lang lediglich einen einzigen Vokal. Dabei spürst du
dem Klang nach, wie er in Kopf und Brust nachhallt, folgst mit dem Ohr
dem Weg des Sounds, lernst über die technischen Möglichkeiten
des Klangs – und über deinen Körper. Für mich war
diese Lehrerin genau das Richtige; ich brauchte ja niemanden, um etwas
über Gesangsstile zu lernen. Ich denke, Stil ist etwas, was man für
sich selbst herausfinden muss. Manchmal muss man hart arbeiten, um ihm
einen besseren Ausdruck zu verleihen, um klarer, seiner selbst bewusst
und mehr bei sich zu sein.
Jazzzeitung: Du selbst sagst von dir, du seist keine
Jazzsängerin. Mit dem jetzigen Album für das Jazz-Label Verve
– hast du keine Angst, dir als Sängerin einige stilistische
Türen zu verschließen?
Jopek: Ich bin tatsächlich keine Jazzsängerin,
ich „arbeite nur“ mit Jazzmusikern. Aber ich „swinge“
nicht, man erkennt, wenn man meine Phrasierung betrachtet, eher das „folky
girl“. Im Grunde bin ich jemand, der sich zwischen Pop, Jazz und
Folk bewegt; das Wunderbarste für mich wäre, meinen ganz eigenen
Stil mit eigener Benennung zu entwickeln, eine Kategorie, die „Anna
Maria Jopek“ heißt. Das, fürchte ich, ist aber ein Traum,
den vermutlich jeder hat! Und nur ganz wenige können das je erreichen.
Zu meinen Vorbildern gehören Joni Mitchell und Pat Metheny –
ihren Sound kannst du unter allen heraushören: stark jazzbeeinflusst,
aber außerdem ihre eigene Wahrheit, ihre eigene Geschichte. Der
eigene Weg, der Welt meine Musik zu zeigen: Ja, da will ich hin!
Carina Prange
CD-Tipp
Anna Maria Jopek: Secret
Verve/Universal Jazz
www.anna-maria-jopek.com
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