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Jazzzeitung

2005/09  ::: seite 13

portrait

 

Inhalt 2005/09

Inhaltsverzeichnis

STANDARDS

Editorial / News / break
no chaser:
Die abgekürzte Zukunft
all that jazz:
Die Extreme berühren sich
jazzfrauen-abc: Sheila Jordan
Farewell: In memoriam Albert Mangelsdorff


TITEL / DOSSIER


Titel: Dem Weg des Sounds folgen
Die Polin Anna Maria Jopek: ein neuer Star am Gesangshimmel
Dossier:Heimat von Gwo Ka und Zouk
Guadeloupe harrt seiner Entdeckung durch Jazzfreunde


BERICHTE
/ PREVIEW

Neueröffnung des Polnischen Instituts in Berlin // Görlitzer Altstadt im Jazzfieber // Jazz im Audi Forum Ingolstadt // 34. Moers-Festival // 24. Bayerisches Jazzweekend // Festival „Jazz an der Donau“ // 12. New Orleans Music Festival in Wendelstein


 JAZZ HEUTE

Gemeinsam auf Stimmenfang
Ein neues Jazzfestival aller Initiativen in Nürnberg
Vogelparadies
Joe Zawinul und das Birdland Wien


 PORTRAIT / INTERVIEW


Saxophonist Alejandro Sánchez // Trompeter Paul Brody // Oscar Peterson // Karolina Strassmayer – die erste Frau in der WDR Big Band // Thilo Bergs Label Mons Records


 PLAY BACK / MEDIEN


CD. CD-Rezensionen 2005/09
Bücher. Neuerscheinungen über die „Erfinder“ des Jazz, Jazz in der DDR und Klassiker
Bücher. Buch zum mentalen Training für Musikerinnen und Musiker
Noten. Neues Notenmaterial für Mandoline, Bands und Trompete
Noten. Ack van Rooyen: The Way I Play – 11 Solos for trumpet/flugelhorn in Bb
Instrumente. Ayers Elektroakustik


 EDUCATION

Fortbildung // Ausbildungsstätten in Deutschland (pdf)


SERVICE


Critics Choice

Service-Pack 2005/09 als pdf-Datei (Kalender, Clubadressen, Jazz in Radio & TV (303 kb))

Die eigene Identität finden

Der Trompeter Paul Brody im Gespräch

In den letzten vier Jahren hat der 1961 in Kaliforniern geborene Trompeter Paul Brody mit bestechender Regelmäßigkeit jährlich je eine neue CD veröffentlicht. Mit diesen Produktionen setzt er sich immer intensiver mit dem Thema Klezmer auseinander.


Lässt sich von vielen Dingen inspirieren: Paul Brody. Fotos: Dirk Hasskarl

Als er seine erste CD, „Klezmer Stories“, mit seinem „Tango Toy“ Ensemble, zu dem auch Jens Thomas gehörte, herausbrachte (bei Laika), urteilte Frank London, eine von New Yorks führenden Avantgarde-Klezmer Stimmen, dass Paul Brody mit diesem Ensemble in die Rangliste der großen Klezmer Bands wie das „New Klezmer Trio“ aufgestiegen sei. Ein Jahr später überraschte er mit einem Blick in sein Lieblings-Songbook, das mit amerikanischer Folklore, weniger mit Klezmer zu tun hatte (Paul Brody’s DetoNations Orchestra: animals and cowboys, NRW). Mit „Kabbalah Dreams“ (Paul Brody’s Sadawi, Tzydik) nahm er den alten Faden wieder auf und setzte ihn immer intensiver fort mit der Band „Tango Toy“ („The South Klezmer Suite“, Laika). Ende 2004 erschien seine neueste CD, „Beyond Babylon“.

Sein Vater stammt aus einer russischen Einwanderer Familie, seine Mutter war als Jüdin in die USA geflohen: „Musik war immer in der Familie. Klassische Trompete habe ich studiert und auch viel gespielt. Aber als Trompeter ist es im Orchester langweilig, höchstens bei Mahler oder Schostakowitsch passiert was. Ich habe immer zugeschaut, wie der Dirigent mit den verschiedenen Instrumenten gearbeitet hat. Das war meine eigentliche Ausbildung, dieser Umgang mit den verschiedenen Klangfarben, viel besser als an der Uni. Mein Großvater war Anwalt und Schriftsteller in Wien und hat Gedichte und anderes geschrieben. So war für mich klar, dass ich Deutsch lernen musste, um seine Sachen lesen zu können. So bin ich nach Berlin gekommen.

Recht schnell hat er sich in Deutschlands größter Stadt zurecht gefunden, die in ihrer Mischung aus Urbanität, Anonymität und kultureller Vielfalt das bot, was er gesucht hatte: Die Trompete war für mich aber nicht das Einzige. Ich bin auch kein Vertreter einer besonderen Stilistik, auch kein Virtuose. Aber interessiert hat mich vieles. So habe ich überall gespielt, auch für das Theater. Dann habe ich aber festgestellt, dass die jungen Komponisten hier ernst genommen werden wollen und habe gemerkt, dass man damit den Lebensinhalt verdienen kann und habe angefangen, selbst viel zu schreiben.“

Besonders wichtig ist für ihn, mit seiner aktuellen Interpretation und Inprovisationskunst der jüdischen Musiktradition und Kultur näher zu kommen. So nimmt er teil an einer Bewegung unter den jüngeren amerikanischen Musikern aus dem Bereich der aktuellen Avantgarde, für die Klezmer Musik zunehmend ein Weg zur eigenen Identität ist: „Für mich und viele andere, ich weiß es auch von Frank London, bedeutet die Musik einen neuen Zugang zur jüdischen Kultur, was in Amerika durch die Alten vielleicht nicht so weiter gegeben wird. Es gibt viele junge Musiker, die ihre jüdischen Wurzeln durch die Musik kennen gelernt haben. Ich bin bei meinen Eltern, die beide aus jüdischen Familien stammen, aufgewachsen, ohne dass ich Klezmer Musik oder auch Klezmer Jazz ernsthaft gehört oder gespielt habe, ohne dass ich mich auch mit meiner jüdischen Herkunft eingerichtet hatte. Ich konnte keine Klezmer Musik spielen, solange ich mit meinem Jüdisch Sein nicht im reinen war. Das Thema Klezmer sieht er nicht auf jüdische Musiker beschränkt, beantwortet die Frage, ob denn nicht-jüdische Musiker überhaupt Klezmer spielen können, mit der Gegenfrage: „Können Weiße Jazz spielen?“

Zu der neuen CD weiß er zu erzählen: „Wir lassen uns nicht nur von der alten Klezmer Musik inspirieren, sondern auch von aktuellen Musikern, Frank London, David Krakauer Ben Goldberg. „Basketball Barmitzva“ ist eine tatsächliche Geschichte: die Schwester eines Freundes hatte zur Barmitzva-Feier ihres Sohnes die Cheerleaders der L.A. Lakers eingeladen. Das ist sehr „Woody Allen-haft“ oder? Es hat bestimmt ein paar Tausend Dollar gekostet, aber der Junge wird es bestimmt nie vergessen. Das Stück „A Friend Of Kafka“ kommt von der Band „Nephtules Dream“, nach einem Roman von Isaac Singer. Ich arrangiere nicht das Stück des Komponisten, sondern nehme die Elemente, zum Beispiel ein paar Noten der Hauptmelodie, nehme sie auf Band auf und baue ein ganz neues Stück daraus, wie man das auch mit dem Laptop macht. Dann kann ich viel freier mit den Stücken umgehen, als wenn ich die Harmonien übernehme und bearbeite.“

Seine Band ist für ihn ganz wichtig. Mit von der Partie sind der Klarinettist Jan Hammerschmidt, der Gitarrist Brandon Seabrock, Martin Lillich, Bass, Eric Rosenthal, Schlagzeug, und als Gast Alan Bern, eine der zentralen Persönlichkeiten der aktuellen Klezmer Szene, mit Akkordeon und Melodika.

Seiner Musik kann man sehr deutlich entnehmen, dass er offen ist für alle nur denkbaren Einflüsse: „Musik hat viel mehr zu tun mit Farbe und Geschichten, mit Elementen in meinem Leben, die ich sehe und die aneinander reiben, Spannung machen. Wenn ich Musik schreibe oder spiele, denke ich viel weniger an Töne oder Akkorde oder an Kontrapunkt als daran, was die Geschichte dieser Musik ist, was mit ihr gesagt werden soll.“

Hans-Jürgen von Osterhausen

CD Tipp
Paul Brody’s Sadawi: Beyond Babylon
Tzadik 7188

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