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Uwe Wiedenstried, Yeah, man – Wilde Jahre des Jazz, Transit-Verlag, Berlin 2005, 175 Seiten, 16,80 Euro Nach Studs Terkels erstem Jazz-Buch und Reclams Jazz-Klassikern legt Uwe Wiedenstried eine weitere Werkgeschichte des Jazz vor, die große Persönlichkeiten herausstellt. Eine recht reduzierte im Umfang zwar, aber nicht minder treffend freilich im Urteil.. Wiedenstried widmet sich zehn „Erfindern“ des Jazz, will sagen Musikern , die den Jazz „zur Kunst- und Weltmusik“ geformt haben, quasi dessen Fundament gelegt haben. Die Porträts tauchen ein in die Welt des Jazz, ohne sich in biografischen Details zu verlieren. Aus einem „riesigen Eintopf auf der heißen Flamme der Karibik“ entstieg einst der Jazz, so beginnt die Geschichte. Von New Orleans aus trat er seinen Siegeszug um die ganze Welt an. Die Entwicklung des Jazz zwischen New Orleans, Chicago und New York, zwischen Kunst und Showbiz, Prohibition und Prostitution, Glamour-Revuen und Great Depression, Rassismus und Ruhm wird hier beschrieben. Es ist, wie es leicht übertrieben heißt, eine neue Geschichte des Jazz: eine Geschichte genialer Musiker, „die Geschichte seiner Menschen, seiner Persönlichkeiten und Stilisten“. Der Autor konzentriert sich auf die wesentlichen Werke der Jazz-Meister. Bei Louis Armstrong stehen die Jahre 1922–1928 im Mittelpunkt mit den Hot Five und Hot Seven, denn „der Rest seines Lebens war meist Show, Affentheater für ein weißes Massenpublikum“. Und im langen Leben des Orchesterchefs Count Basie, dessen größte Tugend „weniger ist mehr“ lautete, sind es 1936 vier Titel, „die die Moderne im Jazz ankündigen“. Dem neuen Sound von Kansas City ging Duke Ellingtons Dschungelmusik voraus, die „die gesamte Palette menschlicher Stimmungen und Gefühle“ abdeckte. Bix Beiderbecke, der Cool und Bop vorwegnahm, Fats Waller, Chick Webb („Der König des Savoy“), Coleman Hawkins, Lester Young und Earl Hines, „einer der einflussreichsten Jazzmusiker des 20. Jahrhunderts“ und „der Mann, der das Jazz-Klavier auf den Weg brachte“, sind weitere Porträts gewidmet. Eine kleine, aber spannende Sammlung, die weitgehend ohne Klischees auskommt. Werner Josh Sellhorn, Jazz – DDR – Fakten, Verlag Neunplus1, Berlin 2005, 296 Seiten Warf vergangenes Jahr eine umfassende Diskographie des Amiga-Labels ein Schlaglicht auf den Jazz im zweiten deutschen Staat, so tut dies jetzt eine weitere Diskographie, die „ein möglichst vollständiges Bild vom Jazz in der DDR“ vermitteln will. Tatsächlich geht der Autor Werner Sellhorn einen Schritt weiter, da er alle Aufnahmen von DDR-Jazzmusikern auflistet, also auch die, die außerhalb der staatseigenen Amiga gemacht worden sind. Sellhorn, seit Ende der 50er auf verschiedenste Weise mit Jazz befasst, als Moderator, Manager, Veranstalter und Journalist, gliedert seine Diskographie in fünf Abschnitte, die dem historischen Verlauf gerecht werden. Der erste Abschnitt behandelt die Nachkriegszeit, deren stilistische Vielfalt vom traditionellen Jazz über den damals vorherrschenden Swing bis zu modernen Spielweisen und Schlagermusik reicht. Die herausragenden Namen, alle auch im Westen bekannt, waren Walter Dobschinski, Kurt Henkels, Kurt Hohenberger, Helmut Kretzschmar, Erwin Lehn und Helmut Zacharias. Der zweite und umfangreichste Abschnitt des Bandes bringt alle auf Platten bis 1990 veröffentlichten Aufnahmen von DDR-Musikern. Von Conrad Bauer über Uschi Brüning, Günter Fischer, Uli Gumpert, Klaus Lenz und Bay Sommer bis Hannes Zerbe sind so gut wie alle Musiker mit ihren Aufnahmen alphabetisch aufgelistet. Immer wieder wird die Bleiwüste durch Fotos aufgelockert, die die wichtigsten Musiker vorstellt. Die folgenden beiden Teile stecken den internationalen Rahmen ab, in dem sich der Jazz der DDR abspielte. Festivals in Berlin oder Dresden brachten internationale Stars in den Osten. Aufnahmen von Johnny Griffin, Kurt Edelhagen, dem Vienna Art Orchestra, Barbara Thompson oder George Gruntz künden davon. Der letzte Abschnitt gilt Sellhorns Steckenpferd „Jazz und Lyrik“. Ein abschließender Überblick über Amiga-Editionsreihen sowie ein ausführliches Personen- und Titelregister, ideal zum Nachschlagen geeignet, runden den brauchbaren Band ab. Erwähnt werden muss noch die beiliegende CD, die einen repräsentativen Querschnitt vom Jazz-Schaffen der DDR bietet, allerdings erst ab 1962. Jazz Klassiker, 2 Bände kartoniert in Kassette (herausgegeben von Peter Niklas Wilson), Reclam Verlag, Stuttgart 2005, 816 Seiten, 24,90 Euro Rund um Blue Notes, Groove und Growl wird in zwei kleinen Bänden die Geschichte des Jazz erzählt. Nicht in chronologisch abgesicherten Daten und Fakten, die den Leser alsbald langweilen würden, sondern in lebendigen Geschichten lebendiger Menschen (auch wenn sie mitunter schon längst tot sind). Herausgeber Peter Niklas Wilson, der im Herbst 2003 starb und eine schreckliche Lücke in der Jazz-Publizistik hinterlassen hat, stellt in umfangreichen Einzelporträts rund hundert stilbildende Musiker und Musikerinnen vor. Die Beiträge verschiedener Autoren würdigen und werten die musikalischen Leistungen von Louis Armstrong, Duke Ellington, Charlie Parker und anderen. Erfreulich, dass auch deutsche Musiker wie Albert Mangelsdorff oder Gunter Hampel berücksichtigt wurden. „azzgeschichte wird, wie es einleitend heißt, „als Werkgeschichte der wichtigsten Musiker“ verstanden. So wird deren Entwicklung meist nachgezeichnet, wobei sich Bekanntes mit Unbekanntem mischt, nie aber am Anekdotisch-Oberflächlichen kleben bleibt. Die Beiträge gehen in die Tiefe und räumen mit Klischees auf. Sie sind wohltuend von Sachverstand getragen und bringen dem Leser den Jazz näher und machen Lust, ihn zu hören. Nicht zuletzt sind es die hilfreichen Hörempfehlungen, mit denen jeder etwas anfangen kann. Ein Schwerpunkt der Darstellung liegt auf der lebendigen und offenen Entwicklung des Jazz der letzten zwanzig Jahre in den USA und Europa. Dabei werden auch soziale und kulturelle Zusammenhänge erklärt. Die beiden Bände verkriechen sich nicht in der Geschichte, sondern wecken Verständnis für deren Weiterwirken. Auch wenn sie kein eigentliches Lexikon zum Nachschlagen sind, hätte der Zugriff zu den einzelnen Porträts erträglicher gestaltet werden müssen, durch ein einfaches alphabetisches Register nämlich. Irritierend ist die Anordnung der Musiker nach ihren Geburtsdaten. Reiner Kobe |
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