Anzeige |
|
|
Anzeige |
|
Da war dem Bayerischen Jazzweekend schon ein echter Coup gelungen: Eben erst hatte dieser Philipp Weiss seine Balladen-Scheibe mit Steve Kuhn bei Verve herausgebracht, da war er auch schon (oder besser immer noch) in Regensburg zu Gast. Und Weiss zeigte, was so ein Liveauftritt der Konserve voraushat: Spontaneität, Gelassenheit und ein Schuss Risiko. Was bei aller Subtilität der Nuancen auf der CD bisweilen ins Fahrwasser gepflegter Langeweile zu geraten droht, erwies sich aus dem Augenblick heraus als Offenbarung an Phrasierung, Textausdruck und kreativer Umspielung der oft gehörten Melodien.
Dieser Auftritt, den das Publikum nicht mit Star-Hysterie, sondern mit gelassener Begeisterung quittierte, bedeutete nun aber keineswegs eine Abkehr vom bewährten Weekend-Konzept. Wiederum war die stilistische Bandbreite vom Dixie-Swing bis ins Experimentelle das eine, die Mischung aus Profis, Halbprofis und Amateuren das andere Markenzeichen dieses unverzichtbaren Festivals. Und auch die Frage, ob man sich um den Nachwuchs, dessen Ausbildung Gegenstand einer aufschlussreichen Podiumsdiskussion der Jazzzeitung war, Sorgen machen muss, stand beim Weekend wieder einmal zur Beantwortung an, wobei der Auftritt der 10- bis 15-jährigen „Jazz Juniors“ vom Bayerischen Landes-Jugendjazzorchester schon ein erstes klares „Nein“ provoziert haben dürfte. Ein wenig ratlos machte allerdings „No Limit“, die Neuentdeckung des letzten Jahres: So recht mag sich um die Janoska-Wunderknaben (Franz am Piano, Roman an der Geige) keine echte Band formen. Saxophonist Josef Gross war mit gepflegtem Ton eine Bereicherung, wie man aber zuließ, dass Ernst Grieshofer, sicher ein beachtlicher Jazzrock-Drummer, jede solistische Entfaltung gnadenlos niederknüppelte, blieb unbegreiflich. Auf der anderen Seite gelang aber der Formation um die faszinierende Deutsch-Iranerin Cymin Samawatie ein stilistisch wunderbar geschlossener Auftritt. Ohne aufgesetzten Ethnotouch, sondern mit einem ganz eigenen Tonfall zwischen moderner Jazzsprache und orientalischen Skalenelementen nimmt „Cyminology“ persische Gedichte zum Ausgangspunkt ruhig und intensiv sich entfaltender Improvisationen. Benedikt Jahnel am Piano entwickelte ein Solo als konzentrierte Akkordstudie, mit Bassist Ralf Schwarz und Drummer Ketan Bhatti ergaben sich spannende Interaktionen. Und darüber entfalteten sich, ohne jede Eitelkeit, Cymin Samawaties Vokalisen: zwischen ausgebildeter Stimme und folkloristischen Stimmungen changierend, bis hin zu einer Art orientalischem Scatgesang. Fast exotisch auch die äußere Erscheinung der jungen tschechischen Musiker von „Vertigo“: Total untrendy die Kleidung, auch die Instrumente blitzen nicht so in der Sonne, aber das innere Feuer, das in dieser kraftvoll-melancholischen Musik steckt, leuchtet heller als die glatt polierte Oberflächenversiegelung, die über manch anderer Darbietung klebt. Marcel Bárta, der die unaussprechlichen Namen der Stücke scheu ins Mikrofon nuschelt, spielt ein sagenhaft intensives Sopransax, Oskar Török führt seine Trompete auch mal dahin, wo’s weh tut – ein schöner Schmerz. Beata Hlavenková ist für lyrisch-versonnene Überleitungen, Rastislav Uhrik am Bass für die vielleicht beste Nummer verantwortlich (im 5/4-Takt, fragen Sie nicht nach dem Namen). Jung und kompromisslos auch die Mannen um Saxophonist Serge Donkersloot. Nicht ganz so hoch das instrumentale Niveau dieses „Spacelab Venezuela“, ähnlich intensiv und glaubwürdig aber ihre düstere Hitzigkeit. Und dass dieser Jo Hätscher eine derartig schmutzige E-Gitarre zu spielen vermag, hätte man bei seinen brav-schüchternen Ansagen auch nicht gedacht. Ebensowenig hielten sich die jungen Recken vom „Panzerballett“ mit Weichgespültem auf. „Aspirin smoke“ oder „Abkrassen“ waren hier Songtitel, die in einer durchaus kreativen Verdüsterung von Jazzrock im Geiste des Heavy Metal problemlos beglaubigt wurden. Und das Riff, das Brachialgitarrist Jan Zehrfeld eigenen Angaben zufolge in Helsinki geträumt hatte, war alles andere als ein Schlummergesang. Genretypisches Kopfnicken bei den Sympathisanten, stoische Gelassenheit beim Bierbank-Publikum. Einen fulminanten Schlusspunkt setzte dann am Ende eines von heftigen
Unwettern beeinträchtigten Weekend-Sonntags Frank Wuppingers „Orchestre
Europa“. Gipsy Swing ist dabei nur ein Standbein dieses in der gesamten
europäischen Folklore sich heimisch fühlenden Ensembles. Von
wegen Standbein – die meisten Nummern aus Rumänien, Russland
oder Mazedonien kommen aus der Tanzmusik und reißen mit ihren ungeraden,
aber deswegen nicht minder vorwärtstreibenden Rhythmen buchstäblich
von den Stühlen. Juan Martin Koch
|
|