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Sue Graham Mingus: Tonight
At Noon. Eine Liebesgeschichte, Ed. Nautilus, Hamburg 2003, 286 Seiten,
Hardcover, € 22,- 22 Jahre hat sie bereits auf dem Buckel und ist jetzt in Deutschland neu aufgelegt worden: die skandalumwitterte Autobiografie des genialen Bassisten, Bandleaders, Plattenproduzenten und Komponisten Charles Mingus, dem „angry man“ des Jazz. Sohn einer Chinesin und eines Schwarzen, der sich zeitlebens – und leider meist zu Recht – von der amerikanischen Gesellschaft diskriminiert und schlecht behandelt fühlte, sein Publikum beschimpfte, wenn es ihm und seiner Band auf der Bühne nicht genügend Respekt und Aufmerksamkeit entgegenbrachte, ab und zu gezwungen war, ein paar Monate bei der Post sein Brot zu verdienen, und dem Jazz neue Impulse gab, indem er seine Mitmusiker kollektiv frei improvisieren ließ und so jeden einzelnen Auftritt anders gestaltete. Romanhaft und sich aus drei verschiedenen Perspektiven mitteilend mäandert Mingus durch seine Kindheit im Stadtteil Watts in L.A., wütet durch seine Erfahrungen als Musiker und verschweigt auch pikante Details aus seinen zahlreichen Beziehungen zu Frauen nicht. Wer sich dem aufregenden und aufreibenden Leben des 1979 mit 56 Jahren am unheilbaren Lou-Gehrig-Syndrom verstorbenen „Underdogs“ auf eine andere Art nähern will, ist sehr gut mit den jetzt auf Deutsch erschienenen Erinnerungen seiner vierten und letzten Frau Sue Graham beraten. Die weltgewandte, gebildete Schauspielerin und Journalistin lernte Mingus 1964 in einem New Yorker Club kennen, als sie von Jazz so gut wie nichts wusste. Das sollte sich in rasanter Geschwindigkeit ändern. Graham zieht ihre Geschichte von hinten auf und beginnt mit der letzten Berührung, dem Verstreuen der Asche ihres Mannes im Ganges, wie er es sich gewünscht hatte. Die Hälfte des Buchs widmet sie der Beschreibung des aussichtlosen Kampf gegen seine schließlich tödliche Krankheit, man erhält aber auch amüsante und unsentimentale Einblicke in das musikalische und private Leben einer Legende, in komplexe persönliche Eigenheiten, die das Phänomen Mingus und seine revolutionären Kompositionen, die bis heute Jazzmusiker in aller Welt noch beeinflussen, verständlicher machen. Ursula Gaisa |
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