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Reclams Jazzlexikon, herausgegeben von Wolf Kampmann, Reclam, Stuttgart 2003, 688 Seiten, 19,90 Euro (ISBN 3-15-010528-5) Um Begrifflichkeiten und ideologische Spitzfindigkeiten schert sich Reclams neues Jazzlexikon kaum. Für Herausgeber Wolf Kampmann ist Jazz, wie er im Vorwort betont, „eine viel zu vitale Äußerung, um sich durch Konventionen, Chronologien, Festlegungen oder Regelwerke limitieren zu lassen“. Jazz ist nichts anderes als ein „Sammelbegriff für musikalische Offenheit“. So verwundert es nicht, wenn Bands wie Grateful Dead, Soft Machine oder Sonic Youth vorkommen und Jimi Hendrix zum ersten wichtigen Gitarristen des Electric Jazz erklärt wird. Freilich gesteht Kampmann ein, dass die Auswahl der Musiker „nicht unproblematisch“ war und bekennt sich ungeniert zu einer gewissen Willkür. Reclams Jazzlexikon bezieht sich zwar dankend auf den im gleichen Verlag 1970 erschienenen „Jazzführer“, der im Jahr 2000 letztmals aktualisiert wurde, doch unterscheidet es sich von diesem grundlegend. „Angesichts gewandelter Produktions- und Hörgewohnheiten“, heißt es, werden die Akzente anders gesetzt. Die Musikerbiografien – 2.000 an der Zahl stehen im Mittelpunkt, 300 mehr als beim Jazzführer – sind mehr Wirkungs- als Lebensgeschichte, was durchaus vertretbar ist, da es um die Relevanz der Musik heute geht. Das Abklappern biografischer Stationen hat im alten Reclam den Blick auf das Wesentliche verstellt. Jetzt werden die einzelnen Musiker zunächst in ihrer Stilistik beschrieben, ehe nach ihrer Wirkung und ihren Einflüssen gefragt wird. Hinweise auf wichtige Aufnahmen finden sich im Text, so dass sich zusätzliche diskografische Angaben erübrigen. Dass auch Lebensläufe einiger Theoretiker, Kritiker und Produzenten beigefügt sind, ist zu begrüßen. Altbekannte Namen wie Joachim Ernst Berendt, Norman Granz, Leonard Feather, George Wein und Hugues Panassie tauchen auf, nicht jedoch Michael Cuscuna, Ira Gitler, Dieter Zimmerle oder Charles Delauny, um nur ein paar Beispiele zu nennen. Bislang gab es überhaupt keine Möglichkeit, sich über Leben und Werk von Autoren zu informieren. Wenn schon „ein besonderes Augenmerk auf die deutsche Szene“ gerichtet ist, überrascht das Fehlen so wichtiger Musiker wie Jochen Rückert, der auch schon in den USA gearbeitet hat. Um so erfreulicher wiederum, wenn Weintraubs Syncopators vorkommen, die erste wirkliche deutsche Jazz-Kapelle. Dass das Lexikon auf dem neuesten Stand ist, kann man erwarten. Nicht aber, dass es ein „breites Spektrum von Jazz-Auffassungen“ berücksichtigt, so entschieden auf neue Namen eingeht und Todesdaten von jüngst verstorbenen Jazz-Größen enthält. Die 500 Sachartikel auf rund hundert Seiten – kompetent verfasst von Ekkehard Jost – runden das Jazzlexikon ab. Insgesamt ein brauchbares Nachschlagewerk, das seinen legendären Vorgänger schlägt. Den altehrwürdigen Jazzführer legt man zugunsten dieses Jazzlexikons gern zur Seite. Reiner Kobe |
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