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Gepflegte Tanzmusik erwartete der Süddeutsche Rundfunk, als er 1951 Erwin Lehn beauftragte, ein Orchester am Stuttgarter Sender zu formieren. Doch der Bandleader stellte schnell die Weichen in Richtung Jazz eine Musik, mit der er seit langem vertraut war. Bereits Ende der 30er-Jahre, als er Klarinettist beim Musikkorps Berlin war, hörte Lehn die Orchester von Heinz Wehner, Oskar Joost und Erhard Bauschke: Bands, die die damalige Tanzmusik mit swingenden Sentenzen verfeinerten.
Wenn man für gute Tanzmusik sorgen will, bekannte Lehn später, muss man Jazzmusiker in der Band haben, denn die bringen jenes Swing-Gefühl mit, das dazu die Voraussetzung bildet. So war swingende Musik stets Lehns Sache. Auch als Leiter des Berliner RBT-Orchesters, das er 1947 übernahm, nachdem er es zuvor schon als Pianist und Arrangeur mit Swing in Verbindung gebracht hatte. 1950 verboten die Sowjets jeglichen Amerikanismus und für den Pfälzer Erwin Lehn war das Berliner Kapitel abgeschlossen. Er wurde nach Stuttgart geholt, wo er innerhalb kurzer Zeit aus der Rundfunk-Kapelle eine moderne swingende Big Band machte. Sie spielte bei öffentlichen Auftritten, Rundfunkübertragungen und Matineen; die ganze Skala schlagerhafter Gebrauchsmusik musste abgedeckt werden. So überrascht es nicht, dass das Orchester in zahlreichen Schlagerfilmen der fünfziger Jahre die Musik machte. Denn Lehn, was weniger bekannt ist, war auch erfolgreicher Schlager-Komponist für Stars jener Jahre: Bibi Johns, Lonny Kellner, Ralph Bendix, Paul Kuhn, um nur ein paar Namen zu nennen. Bis heute telefoniert Lehn regelmäßig mit Caterina Valente, mit der er 1953 den Titel Granada aufgenommen hat. Im Verlauf der vier Jahrzehnte währenden Karriere als Orchesterchef hatte Lehn für den Rundfunk rund 8.000 Titel produziert. Sie alle sind fein säuberlich archiviert. Nur wenige sind verständlicherweise auf der Doppel-CD vertreten, die zum Jubiläum des fünfzigjährigen Bestehens der SWR-Bigband, wie sie sich seit 1992, der Fusionierung von SWF und SDR nennt, erschienen ist. Die Aufnahmen aus den Archiven erstrecken sich von der Glanzzeit des Lehn-Orchesters, das in den 50er-Jahren Kultstatus hatte, bis in unsere Tage, wo das Motto zeitgenössischer Jazz plus beliebte Swing-Legenden lautet. (Mit den Swing-Legenden Max Greger, Paul Kuhn und Hugo Strasser tourte die Big Band im Jubiläumsjahr durch die Lande.) Die Liste der Gastsolisten oder Gast-Bandleader, die mit dem Orchester im letzten halben Jahrhundert ins Studio gingen, ist lang. Sie reicht von Maynard Ferguson und Chet Baker bis Don Ellis und Arturo Sandoval, von Phil Woods bis Bill Holman. Auch die eigenen Solisten kommen nicht zu kurz: Horst Jankowski, Bernd Rabe, der dreißig Jahre den Saxophonsatz führte, Charly Antolini, Ack van Rooyen. Aus der aktuellen Besetzung sind dies: Karl Farrent, Klaus Graf und Peter Weniger. Ein gutes Stück Jazzgeschichte bietet diese Doppel-CD, auch wenn die frühen Jahre etwas zu kurz kommen. Beeindruckend ist der Spagat zwischen kommerziellen Rundfunk-Aufnahmen aller Art und hochkarätigem Jazz. Präzisionsarbeit und Gespür für stilistische Charakteristik waren Lehns Markenzeichen. Der Power Edelhagens, mit dessen Orchester er sich in steter Konkurrenz befand, stellte er souverän Gelöstheit entgegen. Zwischen swingendem Mainstream, Latin orientierten Parts und Rock-betonten Passagen bewegt sich die SWR-Bigband beispielhaft. Dem langjährigen Leiter Erwin Lehn, 82 Jahre alt, wurde für seinen lebenslangen Einsatz für den Jazz
Anfang Oktober die von der Sparda-Bank und dem Jazz-Podium gestiftete German Jazz Trophy verliehen. Reiner Kobe cd-tipp
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