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Ich bin ein Mensch, der intuitiv aus dem Bauch heraus reagiert, be- schreibt sich Steffen Schorn, der neue Leiter der Jazzabteilung an der Nürnberger Musikhochschule selbst. Offensichtlich agiert Schorn aber noch lieber als er reagiert: Die Rolle des Machers und Zupackers liegt dem vor kurzem aus Köln zu- gereisten ständigen Mitglied der bekannten Saxophon Mafia. Vor seiner Bewerbung für Nürnberg, sagt Schorn, habe er sich noch nicht vorstellen können so intensiv zu lehren. Spielen, reisen, experimentieren, und vor allem so mobil wie möglich zu sein, sei ihm früher wichtiger gewesen, erklärt der 34-jährige Jungprofessor für Komposition und Arrangement (mit Hauptfach Saxophon). Dem Nürnberger Publikum und seinen Studenten stellte er sich zum Wintersemester-Auftakt im Jazzhaus-Café der Tafelhalle mit einem begeisternden Auftritt vor.
Dabei präsentiert der bewegliche Saxophonist, der 1994 während einer Indien-Tournee zur Saxophon Mafia stieß und heuer mit ihr ihren 20. Geburtstag feiert, zwei seiner kleineren Ensembles. Die sieht Schorn als Labor-Zellen für größere Projekte wie sein Septett oder Big Band-Musik, der seine besondere Leidenschaft gilt. In der Tafelhalle präsentiert Schorn sein Duo mit dem langjährigen Freund und ehemaligen Straßen- musik-Partner Claudio Puntin und Triosphere (mit dem Mafioso und Ensemble-Modern Saxophonisten Roger Hanschel und dem Kung Fu-Lehrer und Gitarristen Dirk Mün- delein). Der neue Jazzprofessor ist weitge- reist. So stieß er 1992 während ei- nes vierwöchigen Brasilien-Aufent- halts bei Weltmusik-Guru Hermeto Pascoal auf seine musikalische Bi- bel. Durch Bolivien tourte er mit Puntin im November 2000. Bereits einen Monat später begleitete er die Kölner Saxophon Mafia nach China. Da wundert es kaum, dass er seine Stelle in Nürnberg mit dem gleichem Schwung und eben solcher Unbefangenheit antritt, die auch seine Improvisationskunst auszeichnet. Da meine Wurzeln auch in der Klassik liegen, sagt Schorn, der in Rotterdam Bassklarinette und Neue Musik studierte, lege ich Wert auf einen offenen künstlerischen Dialog zwischen den Fächern an der Hochschule. Eine Zusammenarbeit mit dem Sunday Night Orchestra sei genauso vorstellbar wie Projekte mit den Bamberger Symphonikern, für die er in der Vergangenheit bereits Musik komponiert habe. Von organisatorischer und adminis- trativer Arbeit an der Hochschule sähe sich Schorn gerne noch etwas entlastet, damit er verstärkt als Aushängeschild und Jazzbotschafter für die Hochschule und die Nürnberger Jazzszene agieren könne. Von der Hochschule wie der hiesigen Jazzszene erhofft er sich dabei Impulse, genauso wie er Wert darauf legt, von sich aus entscheidende Anstöße geben zu können. Ich gehe in meiner offenen Art auf die Leute zu und beobachte dabei, wie sie auf mich zugehen, erklärt Steffen Schorn und wirkt im Gespräch gleichermaßen verschmitzt wie wach und beweglich. Trotz dieser Luftgeist-Natur und seinem temperamentvollen Sprach- fluss, der den eloquenten improvi-sierenden Musiker verrät, scheint Schorn ein vorsichtiger Gesprächs- partner zu sein und besetzt doch die Gesprächsbühne im Sturm, um zu gestalten, zu visionieren, Pläne zu schmieden. Trotz Termin-Drucks, ständigen Pendelns zwischen Nürnberg und Köln (wo er seine alte Wohnung vorerst behalten wird, nicht zuletzt weil seine Freundin dort mit ihrem Streichquartett probt und sein Jazzhaus-Label und Tonstudio dort sind) und organisatorischen Tätigkeiten an der Hochschule wirkt er nicht gestresst. Ganz klar (Schorns bevorzugte Manager-Vokabel), dass der mo- bile Professor auch als eminent spritziger Geschichtenerzähler und Entertainer eine gute Figur macht. Sehr unterhaltsam klingt zum Beispiel seine Geschichte von Meret Becker. Sie zählt übrigens neben Star-Bassist Carlos Bica (zuletzt bei den Gostenhofer Jazztagen) oder dem Django Bates-Drummer Martin France zu den Stargast-Solisten auf der Mitte November erscheinenden Jubiläums-CD der Kölner Saxophon Mafia 20 Jahre Saxuelle Be freiung (!). Nach langem Hin und Her, sie ist ja so eingespannt, kam Meret übermüdet mit ihrem Kind in Köln an, erzählt Schorn. Sie wollte Anywhere I lay my head von Tom Waits singen. Wir nahmen bis spät in die Nacht auf, aber es klappte nicht, bis ihr Kind aufwachte und schrie: Sie nahm es in den Arm, begann zu singen und dieser Take war perfekt. Reinhold Horn |
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