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Kaum hat sich die Debatte über Ken Burns beruhigt, da beschäftigt das musikalische Amerika schon der nächste Skandal: dieses Mal geht es um Plagiat und Urheberrecht. Sie haben es vielleicht gelesen: Ein Musikhistoriker aus Princeton war der Frage nachgegangen, weshalb die große Sängerin Bessie Smith in den letzten vier Jahren ihres Lebens keine Aufnahmen mehr gemacht hat. Und er entdeckte, dass sie sehr wohl Aufnahmen machte, die aus ungeklärten Gründen nie veröffentlicht wurden und wahrscheinlich für immer verloren sind. Der Forscher fand aber nicht nur ein Studioprotokoll, sondern auch einige Lead-Sheets und staunte nicht schlecht: Eines der Stücke, Queen Of The Road, ist Ton für Ton und fast Wort für Wort identisch mit einem Country-Hit der 60er-Jahre, King Of The Road. Der Princeton-Professor vertritt die These, dass Bessie Smith in diesem Song ihre persönlichen Erfahrungen on the road verarbeitet hat, ihre nervöse Zigarettensucht auf Tournee, ihre Probleme mit der Gewerkschaft, sogar einen besonders desaströsen Gig in Bangor, Maine. Amerikas Jazzkritiker, so wird berichtet, zeigten sich von der Entdeckung nicht sehr überrascht. Gene Lees, der Song-Enthusiast: Ich mochte den Song schon immer. Jetzt weiß ich warum. Stanley Crouch, Sprachrohr von Wynton Marsalis: Ich weiß schon lange, dass Country kriminell und ausbeuterisch ist. Nat Hentoff, der auch Bücher über Country-Musik schrieb: Für mich waren Jazz und Country noch nie ein Gegensatz. Dafür beschäftigt sich jetzt ein Heer von Juristen damit, ob die Millionen-Tantiemen des Country-Songs eigentlich Bessie Smith zustehen, ob ihr Song neu zum Copyright angemeldet werden kann, wer ihre Rechtsnachfolger sind, ob man die Country-Produzenten belangen kann und so weiter. Zumindest die Anwälte profitieren von der Jazzforschung. Rainer Wein |
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