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Nils Landgren trifft keine Schuld: Der neue Chef der Berliner Festspiele, Joachim Sartorius, hatte die Idee, jährlich einen neuen künstlerischen Leiter fürs Jazzfest zu nominieren. Er beauftragte Landgren unter dem Titel Northern Jazzposure für fünf Tage Musiker aus Schweden, Norwegen, Finnland, Dänemark und Island aufs Jazzfest Berlin einzuladen. Landgren holte die Stars, aber auch die Newcomer der skandinavischen Szene und das Publikum strömte. Im Programmheft fanden sich viele unbekannte Namen, und man konnte manche Entdeckung machen wenn man seine afroamerikanisch-zentrierte Brille absetzte.
Trotz einiger Aha-Erlebnisse beschlich einen nach einiger Zeit auch ein Gefühl der Enge: Fünf Tage Skandinavien
passiert sonst nichts in der Welt? Auch wenn das Festival in sich stimmig war, das Konzept eines Themenfestivals
für die beiden nächsten Jahre sind die Schwerpunkte Chicago und Südafrika im Gespräch
scheint in dieser hermetischen Form nicht zukunftsträchtig. Zu den Glanzpunkten des Festivals zählte der Auftritt des deutsch-französischen Jazz-Ensembles von Albert Mangelsdorff und Jean-Rémy Guedon. Mangelsdorff hatte als ehemaliger künstlerischer Leiter von Nachfolger Nils Landgren eine Carte Blanche für einen Auftritt erhalten und es war sein expliziter Wunsch, mit dem von ihm seit vielen Jahren betreuten deutsch-französischen Jazz-Ensemble zu arbeiten. Bemerkenswert auch die erstmals ins Programm eingebettete Verleihung des Deutschen Jazzpreises, den die Union Deutscher Jazzmusiker (UDJ) und die GEMA-Stiftung dieses Jahr an Wolfgang Schlüter vergab. Die übliche Hölzernheit derartiger Anlässe kam nicht auf: Siegfried Schmidt-Josts Laudatio zeichnete sich durch Knappheit aus und ließ dem Vibraphonisten Raum für ein ausgiebiges und überhaupt nicht nostalgisches Konzert mit seinem Weggefährten Michael Naura. Beispiele für ihre Innovationsfreudigkeit gaben die skandinavischen Musiker weniger im gediegenen Ambiente des Hauses der Berliner Festspiele, sondern beispielsweise im Tränenpalast, einer Clubdisco am Reichstagsufer. Hier spielten die Norweger Nils Petter Molvaer, Bugge Wesseltoft und der Schwede Goran Kajfes mit ihren jeweiligen Bands zum Tanz auf. DJs, Turntables und Samplings waren stets inklusive und wenn wie bei Goran Kajfes geschehen in ihrer Musik starke Bezüge zu Herbie Hancock, Miles Davis oder Joe Zawinul auftauchten, dann leuchteten auch die Augen der Zuhörer unter 20, für die diese Jazzheroen nicht automatisch zur musikalischen Sozialisation gehört hatten. Neues, Experimentelles, Spartenüberschreitendes fehlte: Wo war zum Beispiel das finnische Oscar H.O.T. Quartett, das Standards ganz neue Qualitäten abzugewinnen vermag, wo war der Gitarrist Raoul Björkenheim, für den Jazz, Rock und Neue Musik zusammengehören. Oder wo war der Bassist Anders Jormin, der Jazz und Volkslied in eine ganz eigene Kammermusik ummünzt. So ähnelte die Struktur des Jazzfests unter dem Elch doch wieder der vieler anderer: hier etwas gepflegter, unterkühlter Barjazz, dort ein bisschen Jazz mit Turntables für die Jungen, viel Big-Band-Formationen in bester Jazzfest-Tradition und als Highlights amerikanische Stars. Andreas Kolb |
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