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Duell im Morgengrauen. Oder auch: die Schlacht am kalten Buffett. Nach seinem Auftritt hat Stian Carstensen Appetit gekriegt auf noch mehr Musik. Während die schön dekorierten Catering-Häppchen auf dem Tisch in der Trinkstube auf Schloss Elmau ihre Unschuld bewahren, hat sich der Norweger sein Akkordeon noch einmal umgeschnallt und zielt, das traubenumrankte Käsearrangement im Angesicht, auf seinen bulgarischen Kollegen Peter Ralchev. Die jubelnden Sekundanten erlebten zwei Gewinner und zwei qualmende Akkordeons.
Zufällige Begegnungen wie diese gab es einige beim 4. European Jazztival auf Schloss Elmau. Andere Treffen waren vorher genau geplant. In Zeiten des Globalisierungswahnsinns stand das Festival wie ein Symbol dafür, dass man reibungslos, ja befruchtend miteinander umgehen kann, ohne auch nur einen Funken der eigenen Identität aufgeben zu müssen. Schade, dass unser aller Johannes Rau, der auf Schloss Elmau weilte, nie Zeuge dieser Umstände wurde. Er hätte einiges erleben können. In einer Gruppe etwa: zwei Franzosen, einen Italiener, einen Kroaten, einen aus Mauritius (Michel Portal Quintett). In der Nächsten: einen Syrer, einen Bulgaren, einen Amerikaner indianischer Abstammung (Theodosii Spassov und Mannen). Und in einer weiteren Formation: einen Sarden, einen Ungarn, einen Bulgaren Carlo Rizzo und sein fein abgestimmtes Trommelensemble. Alle sprachen eine gemeinsame Sprache, wenn auch mit unterschiedlichen Akzenten: die der Musik. Die Sprache des Jazz wurde allerdings selten gesprochen beim 4. European Jazztival, das genau genommen eigentlich Folktival hätte getauft werden müssen. Die Freiheit, die dem Jazz eigen ist, war zwar hier und da auszumachen, aber andere linguistische Parameter wie Swing oder Blue Notes kamen bestenfalls als Andeutung vor. Auch das Thema des Festivals, die Levante, war genau genommen eine Mogelpackung, denn diverse Lexika sehen diesen Kulturraum im östlichen Mittelmeer angesiedelt, unter Einbeziehung Kleinasiens und Ägyptens. Doch der musikalische Schwerpunkt lag in Bulgarien und Rumänien. Dort ist zwar das Leben ärmlich, aber die Musik fährt ständig auf der Überholspur. Der Klarinettist Ivo Papasov etwa raste mit dem Zig Zag Trio im sechsten Gang über die Bühne man konnte förmlich die Kondensstreifen sehen. Sein Kaval spielender Landsmann Theodosii Spassov hatte sich dagegen eher aufs Meditative verlegt und kuschelte sich mit Glen Velez (Rahmentrommeln) und Haig Yazdjian (Oud) an die Zuhörer-Seelen. Auch eher bedächtig war das, was der bulgarische Film- und Theaterkomponist Antoni Donchev mit seinem Quintett vorführte. Wunderbar stimmungsvolle Klangflächen begeisterten das Publikum. Hier stimmte endlich auch einmal das Verhältnis Jazz-Folklore, wie etwa auch beim Franzosen Michel Portal, der imaginäre und real existierende Folklore mit den Errungenschaften des Jazz kreuzte. Sonst in Elmau: Tapping-Weltmeister Enver Ismailov, der mit dem Black Sea Trio das Schwarzmeer flott aufwühlte und seiner Gitarre mit beiden Händen an den Hals ging. Die Gitarristen Miroslav Tadic und Vlatko Stefanovski bearbeiteten mazedonische Folklore schön zwar, aber letztendlich etwas harmlos. Der Akkordeonist Stian Carstensen gab mit dem Saxophonisten Trifon Trifonov ein Dauerpotpourri, wirbelte Ragtime, Swing, ölige Schlager, bulgarische Folklore und bekannte Filmthemen durcheinander. Die Enttäuschung des Festivals: der rumänische Piano-Experimentator Harry Tavitian. Der war eigentlich nur plump und vordergründig. Was soll´s ein schwarzer Fleck bei einem leuchtenden Festival. Ssirus W. Pakzad |
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