Anzeige |
|
|
Anzeige |
|
In den 30er-Jahren schien die Welt wohl noch in Ordnung gewesen zu sein: Ein Ticket für die New Yorker Subway kostete gerade einmal fünf Cent und in den Clubs in Harlem konnte man sich das Bier noch leisten. So jedenfalls berichtet es Paul Tanner, einst Posaunist der Glenn- Miller-Band. Tanner war am 22. Juni in der Mohr-Villa in München-Freimann zu Gast und plauderte am Rande eines Auftritts des Munich Swing Orchestra ein wenig über die guten alten Zeiten. Von der 42. Straße aus habe er viele Jazz-Lokalitäten zu Fuß erreichen können. Nur wenige Häuserblocks trennten die großen Hotels, in deren Bars und Ballrooms Abend für Abend die legendären BigBands von Fletcher Henderson bis Benny Goodman auftraten.
Wenn die Mitglieder der Glenn-Miller-Band einen Abend frei hatten, dann zogen sie von einem Haus zum nächsten, um die berühmten Kollegen zu hören. Auch Paul Tanner hatte damals solche Streifzüge unternommen und so konnte er der interessierten Jazzgemeinde in Freimann auch einige originale Musikbeispiele aus jener Zeit präsentieren. Dazu hielt Tanner manche Anekdote parat, über die man herzlich schmunzeln durfte beispielsweise über seinen Flirt mit der frechen Doris Day oder aber wie Buddy Rich einmal mit einem blauen Auge zum Auftritt kam, das ihm angeblich Frank Sinatra verpasst haben soll. Der heute über 80 Jahre alte Swing-Star ist schon lange nicht mehr als Musiker aktiv. In den letzten Jahren hat sich Tanner vor allem als Buchautor hervorgetan, und manche seiner Schmonzetten aus den 30er- und 40er-Jahren kann man in seinen Büchern nachlesen. Nach der Glanzzeit der Glenn-Miller-Band hatte sich Tanner nochmals intensiven musikalischen Studien hingegeben und spielte später als Orchestermusiker unter anderem bei Zubin Mehta und Leonard Bernstein. Seine eigene Posaune hat Tanner längst verkauft das kostbare Instrument hänge nun bei einem reichen Japaner daheim in Tokyo wie ein Geweih an der Wand, so Tanner. Das Konzept der Stadtteilkultur in Freimann scheint aufzugehen und so findet auch der Jazz in der nördlichen Münchner Vorstadt in dem geschmackvoll renovierten Altbau ein gebührendes Domizil. Die Mohr-Villa in Freimann war zu diesem vierten Jazzabend hoffnungslos überfüllt, und es grenzte schon fast an ein Wunder, dass das komplette Munich Swing Orchestra (vier Trompeten, vier Posaunen, fünf Saxophone, Piano, Gitarre, Bass und Schlagzeug) auf der engen Bühne Platz finden konnte. Bandleader Charly Hahn hatte das klassische Glenn-Miller-Repertoire ein wenig angereichert mit beliebten Swing-Titeln von Millers Zeitgenossen. So konnte sich das Publikum an einem großen Swing-Abend von Basie bis Ellington erfreuen. Nun kündigt sich bereits das nächste Event in der Mohr-Villa Freimann an: Vom 19. bis 21. Oktober heißt es Freimann swingt. Beim ersten Vorstadt-Jazzfestival Freimann werden das Joe Viera Trio und die Band von Klaus Ignaztek feat. Claudio Roditi auftreten; außerdem gibt es einen Jazzfrühschoppen mit der Old-Timer Jazz-Band Prag. Wolfgang Seemann |
|