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Jazzzeitung

2001/09  seite 7

berichte

 

Inhalt 2001/09

standards
Editorial
News
Fortbildung
no chaser: Kleine Fische
Glossar: Violoncello
Farewell: Joe Henderson

berichte
Jazz an der Donau stößt mit 15. Ausgabe an Grenzen
Zum 20. Münchner Klaviersommer
Das 20. Bayerische Jazzweekend in Regensburg
Paul Tanner in der Mohr-Villa

jazz heute
Break (von Joe Viera)
 Farewell. Tenorsaxophonist Joe Henderson verstorben
 Club statt couch. Interview mit Yvonne Moissl, DJF, Teil 2
 Kleine Fische

portrait / festivals

Groove des Südens. Jazz Highlight im Schloss Alteglofsheim
Bösendorfer im Birdland.
Ein Flügel, ein Club, und was daraus werden kann
Benny Goodmans Schüler. Julian Milkis erinnert sich an den „King of Swing“

play back.
Ellingtonia. Wiederveröffentlichungen aus den Sechzigerjahren
Stoische Bassgewitter.
Zwei Konzerte mit Dave Holland auf DVD

education
Deutsch, Mathe, Jazz
Kurse

dossier
Was tun wir eigentlich?
Kleiner informativer Bericht über die „Kunst der Improvisation“

medien/service
Charts & Critics Choice
Internet. Link-Tipps
Rezensionen 2001/09
Service-Pack 2001/09 als pdf-Datei (kurz, aber wichtig; Clubadressen, Kalender, Jazz in Radio & TV, Jazz in Bayern und anderswo (378 kb))

 

Vollendete Stimmen

Jazz an der Donau stößt mit 15. Ausgabe an Grenzen

Kaum zu glauben: Tagelang im Vorfeld Stürme, Regen und unbeständiges Wetter. Jazz an der Donau startet durch und der Himmel ist blau, blau, blau, wie der… Genau so! T-Shirts waren bis weit nach Mitternacht die angemessene Bekleidung. Zelt im Dampf. Einmal vor Hitze, das andere Mal vor aufkeimendem Ärger.

Herbie Hancock suchte Anschluss an den Zeitgeist. Foto: Michael Scheiner

Terminprobleme und Programmänderungen hatten vor Beginn des Festivals dazu geführt, dass auf einen vollen Freitag ein prall gefüllter Samstag folgte. Zwölf Stunden Musik, bevor eine ein- und nachsichtige Polizei endgültig den Stecker zog. Die heiße Show der Alt-Discorocker von „Kool And The Gang“ fand so ein würdiges Ende. Zuvor Stars, von denen jeder eitel genug war, um möglichst spät, sprich: zur Primetime aufzutreten und deshalb alles (Mögliche) tat, um Zeit zu schinden. Herbie Hancock setzte mit einem über einstündigen Aufbau und Soundcheck dem Ganzen die Krone auf. Der hoch technisierte Auftritt des 61-jährigen Pianisten ließ sich dann jedoch auf eine knappe Formel bringen: Viel Aufregung um (fast) nichts. Schneeweiße Apple-Notebooks programmiert mit Sound-Kinkerlitzchen, abgedrehten Spaceklängen wie aus der Frühzeit turmhoher Synthesizer und anderen musikalisch rätselhaften Gimmicks. Der Meister selbst entpuppte sich als Verkünder platter Weisheiten. „Tag und Nacht sind gleich!“ und „Wissen ist Zukunft“, lauteten zwei der extrem tiefschürfenden Botschaften.
Ein-, zweimal blitzten in dem Soundkuddelmuddel frühere Mwandishi-Themen auf und gaben dem Ganzen eine tanzbare Richtung. Immerhin, aber auch zusammen mit den schönen, starken Linien von Trompeter Wallace Rooney zu wenig, um musikalisch wirklich Sinn zu machen.

Abgesehen von diesem enttäuschenden Auftritt Hancocks, tischten die Veranstalter mit Manhattan Transfer, dem Flamencogott Paco de Lucia, Abdullah Ibrahim und einer weiteren Runde Ray Brown´scher Geburtstagsdauerfete nur vom Feinsten auf. Man ließ sich die 15. Ausgabe etwas kosten und ist damit, was die Verkraftbarkeit an Kosten und Publikum angeht, vermutlich am oberen Rand angelangt. Etwa 3.500 Besucher allein am Samstag, das lässt sich nur noch bei gänzlichem Verzicht auf Bestuhlung übertrumpfen.

Zur Eröffnung präsentierten Nachwuchsbands, die eine Woche zuvor bei einem jurierten Contest ermittelt worden waren, ein bemerkenswertes Niveau. Bes(ch)wingter Knüller im Festzelt an der Vilshofener Rennbahn war aber zweifellos das Vokalquartett Manhattan Transfer. Die Amerikaner setzten musikalisch und in der Präsentation die Maßstäbe. Von der ersten bis zur letzten Sekunde wirkte der Auftritt der stimmlich und gesanglich vollendet klingenden New Yorker mit ihrer hochklassigen Band leicht, spritzig, abwechslungsreich, humorvoll, traumhaft perfekt und dennoch keine Spur glatt. Ein hinreißender Genuss.

Ob Janis Siegel mit ihrer wundervollen Altstimme eine growlende Posaune imitiert, dass einem heißkalte Schauer über den Rücken laufen oder Louis Armstrongs „Mahagony Hall Stomp“ pulsierende Lebenslust pur vermittelt, diese Show gehört schon heute zur Geschichte von Jazz an der Donau. Dass Bassist Tim Hauser kein Bluessänger ist und es mit dem selbstironischen „Cleanhead“ dennoch tut, Schwamm drüber! Wenn Manhattan Transfer ganz schnulzig vom sanften Wind singen, der das Land küsst, fliegen die Seelen der Zuhörer mit und bei Joe Zawinuls Welthit „Birdland“ reißt es alle von den Stühlen: Standing Ovations, Zugabe, „Soulful to go“, viel zu wenig.

Flamenco: Streng, stark, archaisch. Musik, die durch Mark und Bein geht, keinen Raum für wohliges Baden in Melodien lässt. Auch in der hoch artifiziellen Ausprägung eines Meisters wie Paco de Lucia bewahrt sich diese musikalische Klage ihre aufwühlende Archaik. Nach einem einleitenden Solo de Lucias entfachten der junge Sänger Rafael de Utrera und der Tänzer Jose Grilo mit Klatschen und Aufstampfen dieses dunkle Feuerwerk.

Auf andere Weise ebenfalls streng, zelebrierte Pianist Abdullah Ibrahim den Auftritt seines Trios wie ein langes, inniges Gebet. Er verband ältere und einige neuere Stücke, in denen wunderschöne einfache Melodien mit repetitiven Mustern verknüpft sind, vergleichbar der Kunst der südafrikanischen Ndebele und anderer Völker. Im Wechsel von Solo und Trio balancierte Ibrahim dieses delikate Kammerspiel zwischen zarter Innerlichkeit und sakralem Monument.

In völlig andere, weltliche Richtung führte der entspannt swingende Auftritt Ray Browns mit einer großartigen Geburtstags-Tour-Besetzung. Im Kerntrio mit Jeff Hamilton, Schlagzeug, und dem 78-jährigen Senior der Truppe, dem jugendlich frisch klingenden Pianisten Hank Jones, schlenderte der Bassist mit präzisem Timing gelöst und heiter durch die Swing- und Bopgeschichte. Trompeter James Morrison setzte strahlende, Steve Turre herrlich maulende Akzente auf seiner gestopften Posaune und die junge Sängerin Melissa Walker rückte nicht erst mit dem abschließenden „Bye-bye Blackbird“ stimmlich und optisch in den Mittelpunkt.

Kurt Schreiner

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