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Kaum zu glauben: Tagelang im Vorfeld Stürme, Regen und unbeständiges Wetter. Jazz an der Donau startet durch und der Himmel ist blau, blau, blau, wie der Genau so! T-Shirts waren bis weit nach Mitternacht die angemessene Bekleidung. Zelt im Dampf. Einmal vor Hitze, das andere Mal vor aufkeimendem Ärger.
Terminprobleme und Programmänderungen hatten vor Beginn des Festivals dazu geführt, dass auf einen vollen
Freitag ein prall gefüllter Samstag folgte. Zwölf Stunden Musik, bevor eine ein- und nachsichtige Polizei
endgültig den Stecker zog. Die heiße Show der Alt-Discorocker von Kool And The Gang fand so
ein würdiges Ende. Zuvor Stars, von denen jeder eitel genug war, um möglichst spät, sprich: zur Primetime
aufzutreten und deshalb alles (Mögliche) tat, um Zeit zu schinden. Herbie Hancock setzte mit einem über
einstündigen Aufbau und Soundcheck dem Ganzen die Krone auf. Der hoch technisierte Auftritt des 61-jährigen
Pianisten ließ sich dann jedoch auf eine knappe Formel bringen: Viel Aufregung um (fast) nichts. Schneeweiße
Apple-Notebooks programmiert mit Sound-Kinkerlitzchen, abgedrehten Spaceklängen wie aus der Frühzeit turmhoher
Synthesizer und anderen musikalisch rätselhaften Gimmicks. Der Meister selbst entpuppte sich als Verkünder
platter Weisheiten. Tag und Nacht sind gleich! und Wissen ist Zukunft, lauteten zwei der extrem
tiefschürfenden Botschaften. Abgesehen von diesem enttäuschenden Auftritt Hancocks, tischten die Veranstalter mit Manhattan Transfer, dem Flamencogott Paco de Lucia, Abdullah Ibrahim und einer weiteren Runde Ray Brown´scher Geburtstagsdauerfete nur vom Feinsten auf. Man ließ sich die 15. Ausgabe etwas kosten und ist damit, was die Verkraftbarkeit an Kosten und Publikum angeht, vermutlich am oberen Rand angelangt. Etwa 3.500 Besucher allein am Samstag, das lässt sich nur noch bei gänzlichem Verzicht auf Bestuhlung übertrumpfen. Zur Eröffnung präsentierten Nachwuchsbands, die eine Woche zuvor bei einem jurierten Contest ermittelt worden waren, ein bemerkenswertes Niveau. Bes(ch)wingter Knüller im Festzelt an der Vilshofener Rennbahn war aber zweifellos das Vokalquartett Manhattan Transfer. Die Amerikaner setzten musikalisch und in der Präsentation die Maßstäbe. Von der ersten bis zur letzten Sekunde wirkte der Auftritt der stimmlich und gesanglich vollendet klingenden New Yorker mit ihrer hochklassigen Band leicht, spritzig, abwechslungsreich, humorvoll, traumhaft perfekt und dennoch keine Spur glatt. Ein hinreißender Genuss. Ob Janis Siegel mit ihrer wundervollen Altstimme eine growlende Posaune imitiert, dass einem heißkalte Schauer über den Rücken laufen oder Louis Armstrongs Mahagony Hall Stomp pulsierende Lebenslust pur vermittelt, diese Show gehört schon heute zur Geschichte von Jazz an der Donau. Dass Bassist Tim Hauser kein Bluessänger ist und es mit dem selbstironischen Cleanhead dennoch tut, Schwamm drüber! Wenn Manhattan Transfer ganz schnulzig vom sanften Wind singen, der das Land küsst, fliegen die Seelen der Zuhörer mit und bei Joe Zawinuls Welthit Birdland reißt es alle von den Stühlen: Standing Ovations, Zugabe, Soulful to go, viel zu wenig. Flamenco: Streng, stark, archaisch. Musik, die durch Mark und Bein geht, keinen Raum für wohliges Baden in Melodien lässt. Auch in der hoch artifiziellen Ausprägung eines Meisters wie Paco de Lucia bewahrt sich diese musikalische Klage ihre aufwühlende Archaik. Nach einem einleitenden Solo de Lucias entfachten der junge Sänger Rafael de Utrera und der Tänzer Jose Grilo mit Klatschen und Aufstampfen dieses dunkle Feuerwerk. Auf andere Weise ebenfalls streng, zelebrierte Pianist Abdullah Ibrahim den Auftritt seines Trios wie ein langes, inniges Gebet. Er verband ältere und einige neuere Stücke, in denen wunderschöne einfache Melodien mit repetitiven Mustern verknüpft sind, vergleichbar der Kunst der südafrikanischen Ndebele und anderer Völker. Im Wechsel von Solo und Trio balancierte Ibrahim dieses delikate Kammerspiel zwischen zarter Innerlichkeit und sakralem Monument. In völlig andere, weltliche Richtung führte der entspannt swingende Auftritt Ray Browns mit einer großartigen Geburtstags-Tour-Besetzung. Im Kerntrio mit Jeff Hamilton, Schlagzeug, und dem 78-jährigen Senior der Truppe, dem jugendlich frisch klingenden Pianisten Hank Jones, schlenderte der Bassist mit präzisem Timing gelöst und heiter durch die Swing- und Bopgeschichte. Trompeter James Morrison setzte strahlende, Steve Turre herrlich maulende Akzente auf seiner gestopften Posaune und die junge Sängerin Melissa Walker rückte nicht erst mit dem abschließenden Bye-bye Blackbird stimmlich und optisch in den Mittelpunkt. Kurt Schreiner |
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