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Unermüdlich. Unermüdlich, das meint im Fall von Franz Dannerbauer hartnäckig bis zur Sturheit, fleißig bis zur Selbstaufgabe und ausdauernd bis zur Erschöpfung. Liest man die spärlichen biografischen Daten und Artikel im Netz über den Münchner Bassisten ein wenig gegen den Strich, wird man auf eine Schiene gesetzt, die je nach Temperament tiefe Bewunderung oder kaum weniger tiefe Skepsis auslösen kann. Seit 30 Jahren ist der Komponist und Musikpädagoge mit seiner „Music Liberation Unit“ – meist als MLU abgekürzt – auf der Jazzstraße unterwegs, um für sich und seine Musik zu werben.
Dass er das seit über 20 Jahren mit den gleichen Ansprüchen und – leider auch immer gleichen – Floskeln tut, spricht einerseits für ihn, seine Konsequenz, sein Beharrungsvermögen, seine Zähigkeit und Zielstrebigkeit, mit der er seine „ganz persönliche Selbstbefreiung (Liberation) durch die Musik“ verfolgt. Im Interview mit Eva Maier, aus dem das Zitat stammt, spricht Dannerbauer aber auch davon, dass es ihm „zugleich (auch) um eine Befreiung der Musik aus verschiedenen Formen der Reglementierung geht“. Um welche Reglementierungen es konkret im Einzelnen geht, bleibt ein wenig im Nebulösen. „Prinzipiell ist es wohl schwierig, meine Musik einzuordnen.“ Da macht es sich der kreative Einzelgänger denn doch etwas einfach. Im Stil eines inzwischen nicht mehr ganz modernen, an Bop, Modern Jazz und Individualstilen, wie den Charles Mingus’ orientierten Formen hat Dannerbauer in drei Jahrzehnten ein beachtliches musikalisches Œuvre geschaffen. Das zeichnet ihn als formbewussten Stilisten und Melodiker aus, der in seinen suitenähnlichen Kompositionen gern „Geschichten erzählt (und) Rückblick hält“. Seine Stücke „vereinen ganz unterschiedliche Phasen und Stimmungen“, sie swingen, wechseln oft Tempi und Rhythmus, lassen europäisches Gedankengut durchblitzen, verlassen aber nie das dichte Schienengewirr, das den Jazz mit seiner offenen Bluesgrundlage insgesamt auszeichnet. Es ist wohl eine tiefe Sehnsucht nach dem Außerordentlichen, dem Besonderen, Einzigartigen, die den Bassisten und Bandleader seit jeher antreibt. Nach eigenen Angaben waren es die „enorme Ausstrahlung und Ausdruckskraft“ zweier höchst unterschiedlicher Musikerpersönlichkeiten – nämlich Jimi Hendrix und Charles Mingus – die ihn bereits als jungen Mann faszinierten und denen er nachzueifern versuchte. Stilistisch bewegt er sich dabei bis heute in musikalisch hoch interessanten, keineswegs allzu breit ausgelatschten Pfaden, die aber vom breiten Publikum eher gemieden werden. Zum Jubiläum seiner MLU, gleichzeitig Label der selbst produzierten, mittlerweile sieben Tonträger, hat Franz Dannerbauer das Album „Paralyse“ auf MLU-Records veröffentlicht. Die CD mit einigen älteren, ansprechend arrangierten und neuen Stücken ist in der aktuellen Sextettbesetzung mit Karl Lehermann (tp, flh), Maximilian Braun (ts, fl), Baritonsaxofonist Stefan Zenker, Max Oswald am Flügel und Joe Baudisch am filigran-dynamischen Schlagzeug aufgenommen worden. Es reflektiert persönliche Schicksalsschläge (Farewell Mrs. J.B. / Old Man / Pother for nothing), als auch alltägliche Erfahrungen und ein Stück Lebenswirklichkeit eines freischaffenden Musikers. Damit zählt Dannerbauer durchaus nicht zu den „bedeutendsten Komponisten Deutschlands“, wie es einmal ein schreibender Kollege formulierte. Aber verstecken, verstecken braucht sich der Dannerbauer mit seiner Arbeit auch nicht gerade. Es sind ebenso eindringliche wie eindrückliche Stücke auf dem Album enthalten. Anderes dagegen klingt wieder etwas zu aufgesetzt, konstruiert, da würde man sich manchmal etwas mehr Freiraum – und weniger reglementierende Arrangements – für die Ensemblemitglieder wünschen. Bei allen Wenns und Abers, eine dicke Gratulation an Franz Dannerbauer, der immer aufrichtig seinen Weg gegangen ist und uns dabei oft spannende, bewegende Erlebnisse verschafft hat. Einen Wunsch hätte der Schreiber gern offen: Der hundertfach zitierte und reproduzierte Satz „Käme Franz Dannerbauer aus New York, wäre der standhafte Geheimtipp wohl längst ein Star“ gehört endgültig auf den Müllhaufen. Denn auch durch immer neue Wiederholungen wird er nicht wahrer, unterstreicht nur eine Identitätskonstruktion, die der bayerische Jazzkomponist lieber Leuten wie Madonna oder anderen „ewigen Geheimtipps“ überlassen sollte. Michael Scheiner |
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