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Wer immer noch glaubt, Jazz in Dresden beschränkt sich auf alljährliche Dixieland-Paraden, sollte ganz rasch gründlich umdenken. Nicht nur, weil seit beinahe zehn Jahren der Jazzclub Neue Tonne e.V. Vielfalt und Wagnis offeriert, seit 1997 auch das Blue Note einen höchst berühmten Namen aus dem Big Apple kopiert, sich eine Club-Szene entwickelt und obendrein großartiger Jazz in der Semperoper Raum hat; nein, vor allem, weil seit geraumer Zeit eine Menge an Initiativen die improvisierte Musik quasi „von unten“ befruchten und darüber hinaus zukunftsträchtig bereichern wollen.
Dresdens Hochschule für Musik Carl Maria von Weber spielt da eine besondere Rolle. Das innovative Moment der freien Musik hat hier freies Feld. Seit einiger Zeit schon sind renommierte Namen in der Dozentenschaft des 1856 gegründeten Hauses vertreten; gut möglich, dass damit auch die Lust der improvisationsfreudigen Studentenschaft angeregt wird, sich verstärkt um einen Studienplatz in Dresden zu bewerben. Mit einem solchen Attribut soll das tatsächliche Studienangebot allerdings nicht zu Unrecht geschmälert werden, die zuständige Fachrichtung heißt Jazz/Rock/Pop (im hochschulinternen Sprachgebrauch JRP) und umreißt die Vielfalt der Ausbildung genauer. Generationswechsel weitet das Spektrum Professor Stefan Gies, seit 2003 Rektor an Dresdens Musikhochschule,
verweist denn auch auf die lange Tradition dieser genreübergreifenden
Unterrichtsform: „Was Dresden in diesem Bereich hat, ist deutschlandweit
einmalig und reicht bis ins Jahr 1962 zurück. Seitdem gibt es die
Tanz- und Unterhaltungsmusik als eigenständiges Fachgebiet. Mitte
der 1990er Jahre ist das dann als JRP umstrukturiert worden und konnte
sich daraufhin noch mehr nach außen öffnen.“ Der nun
bald scheidende Rektor – nach zwei Amtszeiten durfte Gies nicht
erneut verlängert werden, mit Semesterbeginn übernimmt der
Dirigent und Komponist Ekkehard Klemm diesen Posten – verweist
mit einigem Stolz darauf, in jüngerer Zeit einen Generationsschub
betrieben zu haben. Von enormem Vorteil dürfte schon in früherer Vergangenheit gewesen sein, dass es kaum Berührungsängste der Genres gab, auch wenn das Wort von den einst hier unterwiesenen „Schlagertussis“ noch immer die Runde macht. Das hat es zu DDR-Zeiten gegeben – und mag damals durchaus für eine gewisse Professionalität auch in diesem Bereich der Unterhaltungsmusik gesorgt haben. Längst ist die Öffnung weitergegangen, etwa zur Weltmusik, zum Rock, zur freien Improvisation. Die Namen der hier Lehrenden – von Céline Rudolph über Sebastian Merk bis hin zu Finn Wiesner und Thomas Zoller – ist lang, renommiert und dürfte der Attraktivität der Einrichtung nur dienlich sein. Sie zieht, wie zu erwarten ist, interessierte Bewerber an die Studienplätze. Denen soll im Laufe der instrumentengruppenbezogenen JRP-Ausbildung eine Schärfung des persönlichen künstlerischen Profils vermittelt werden. So sieht es Gitarrist Ralf Beutler, der als Professor zudem Studiendekan der Fachrichtung ist. „Rein künstlerisch arbeiten, das gibt es kaum. Wir wollen die Studenten bestmöglich und umfassend auf die Realität vorbereiten, in die wir sie nach dem Studium entlassen. Dazu zählt auch, sie mit allen Informationen auszustatten, die für den weiteren Werdegang sozusagen außermusikalisch vonnöten sind.“ Ganz klar klingt das nach Markt, der nicht unbedingt grausam sein muss, aber in jedem Fall unerbittlich ist. Spätestens bei diesem Punkt wird auch deutlich, dass an der Musikhochschule nur marginal zwischen Klassik- und Jazz-Studenten unterschieden wird. Was zählt, ist allein Qualität, egal in welchem Genre; und der Alltag ist für Absolventen aller Fachrichtungen sowieso erst einmal unbequem. Daher wird schon während des Studiums eine Vernetzung angestrebt, werden gemeinsame Projekte initiiert und legt Beutler die Basis dafür etwa in seiner Tätigkeit am Sächsischen Landesgymnasium, wo er mit großem Stolz ein Ensemble der 8. Klasse leiten kann, das Jazz und Klassik bestens verbindet. Junge Menschen kommen über den Jazz zur MusikTrompeter Till Brönner, seit vorigem Jahr Professor an Dresdens Musikhochschule, gönnt den Studierenden die behütete Zeit ihres Studiums, hält aber für wichtig, dass ihnen Gäste aus der Praxis hin und wieder die Augen öffnen. Der Jazzer will auch in Dresden nicht als Außenseiter und Star gesehen werden, sondern zeigt sich am Gesamtbild der Hochschule interessiert. Bewerberzahlen seien für ihn daher marginal. Schließlich sei es kaum wahrscheinlich, dass ein Leitungswechsel über Nacht neue Talente hervorzaubere. Ihn interessiere – und darin sei er sich mit seiner Kollegenschaft einig –, was bei der Ausbildung herauskomme. Bei seinen Konzerten könne der Echo-Preisträger hautnah erleben, wie begeistert junge Menschen oft sind. So sei es kein Wunder, dass viele von ihnen über den Jazz zur Musik gelangen. Das müsse unbedingt unterstützt und gefördert werden, ein dazu denkbar geeignetes Pilotprojekt werde im September der „Tag der offenen Tür“ in der Musikhochschule sein. Deren Betrieb steht dann mal einen ganzen Tag lang zum Auskosten und Tes-ten bereit. Freilich seien die Lehrkräfte, unabhängig von ihrer sonstigen Popularität, nur dazu da, den potentiellen Jazzern von morgen und übermorgen Ziele zu setzen und sie auf dem Weg dahin nach besten Kräften zu unterstützen. Zauberei sei da nicht drin, meint Till Brönner, aber eine Riesenarbeit, die ihm sehr viel Spaß mache. Dass dieser Spaß nur ein gemeinsamer sein kann, scheint nach einem Gespräch mit dem eloquenten Musiker selbstverständlich. Michael Ernst |
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