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Gegenüber sitzt eine schlanke junge Frau und strahlt mir mit einem offenen Lächeln unter ihrer blonden Kurzhaarfrisur entgegen, Charlotte Ortmann. Sie verbreitet eine stille Fröhlichkeit, die man auch in ihrer Musik wiederfindet. Charlotte Ortmann ist Jazzmusikerin, sie spielt Flöte und Saxophon. Sie liebt die Improvisation, ist aber auch in der Klassik zu Hause. Sie ist neugierig, sie weiß, was sie nicht will, auf eine Stilrichtung lässt sie sich nicht festlegen. Charlotte Ortmann (Jahrgang 1985) hat im Alter von sieben Jahren begonnen, Gitarre zu lernen, dann Klavier. Schon früh hat sie bemerkt, dass Gitarre nicht „mein Instrument ist“, dennoch hat sie zehn Jahre weitergemacht. Am liebsten hätte sie Oboe gelernt, doch sie war zu klein und so entdeckte Charlotte Ortmann die Querflöte für sich. Mit neun Jahren bekam sie ihren ersten klassischen Unterricht, den sie die folgenden zwölf Jahre weiter besuchte. Ihre musikalische Prägung verlief schon in der Kindheit mehrgleisig, da sie von Anfang an zu Hause mit ihrem Vater, einem Jazzer, Pianist und Kontrabassist, viel Musik gemacht hat. So habe ich ohne Vorwissen Jazz gespielt, einfach aus dem Bauch heraus improvisiert.“ Noch heute ist sie froh darüber, wie ihr Vater sie unterstützt hat, spielerisch, ganz ohne zu drängen. Der Gedanke, Musik zu studieren kam ihr jedoch erst nach einem Austauschjahr in Kanada. Dort hat sie in verschiedenen Bands gespielt und mit dem Tenorsaxophon begonnen. Sie war 18, als sie den Entschluss fasste Jazz zu studieren. 2005 zog sie dann von Remscheid nach Weimar, wo sie bis 2009 studierte. Charlotte Ortmann wurde mehrfach beim Bundeswettbewerb „Jugend musiziert“ ausgezeichnet, zuletzt 2005 mit dem 2. Preis für Klarinette im Duo. Außerdem ist sie 1. Preisträgerin des Bergischen Jazz Löwen und Stipendiatin der Ria-Fresen-Stiftung. Nach dem Studium zog es sie ins Rheinland zurück, doch diesmal in das für seine lebendige Jazzszene bekannte Köln. Für die schon immer experimentierfreudige Charlotte Ortmann kam ein Klassikstudium nicht in Frage, „die klassische Musik ist für mich zu festgelegt“. Dennoch lässt sie immer wieder ihre klassischen Erfahrungen in ihre heutige Musik einfließen. Charlotte Ortmann spielt nicht nur Flöte und Saxophon, sie komponiert und arrangiert auch. An ihr erstes selbst komponiertes Stück erinnert sie sich noch sehr genau. „Remember Him“ ist eine Hommage an einen Musikerfreund, der sich während ihrer gemeinsamen Studienzeit selbst vom Leben verabschiedet hat. „Er war ein so guter Schlagzeuger. Am Abend zuvor haben wir noch in einer Jam Session gespielt.“ Trauer, Sehnsucht und Erinnerung fließen aus den ersten zarten Tönen der Querflöte, um dann von einer starken, fröhlichen Melodie aufgenommen zu werden. Wie bei einem nachdenklichen Spaziergang im Sommerregen ist trotz Melancholie viel Lebensfreude zu spüren. Diese Mischung von Nachdenklichkeit und Heiterkeit ist charakteristisch für die übrigen Stücke der 2009 mit ihrer Band Farbton selbst produzierten CD. „Ich möchte keine depressive, bedrückende Musik spielen, ich möchte Lebensfreude transportieren.“ Und das ist ihr bei ihrer ersten CD auch gelungen. Man meint in ihren Stücken die Luftigkeit eines sonnigen Vormittags zu spüren, die Leichtigkeit eines Treffens mit alten Freunden. Bei aller Melodiösität kann die Band aber auch erdig grooven, frei improvisieren und sich in Atonalität verlieren. Die Melodie wird immer wieder durch Rhythmuswechsel aufgebrochen, mit swingendem Jazz, Rock oder Klassikelementen versetzt. „Dass ich Klassik immer noch mag, hört man meinen Stücken auch an“, sagt Charlotte Ortmann mit einem Lachen. Das Komponieren ist für sie eine ganz persönliche Sache, ein Ausdruck der eigenen Erfahrungen, Gedanken und Gefühle, „ich spiele aus dem Bauch heraus“. Und man spürt mit jedem Ton ihre Offenheit, dass sie nicht versucht, Trends oder Moden zu bedienen. Dabei muss sie sich manchmal die Kritik gefallen lassen, dass ihre Musik zu eingängig, zu schön sei. Während in ihrer seit 2008 bestehenden Band Farbton (Florian Zeller, Piano; Sebastian Stahl, Schlagzeug) ausschließlich ihre eigenen Kompositionen gespielt werden, setzt ihre zweite Weimarer Band Kaleidoskop (Niklas Kraft, Rhodes; Daniel Vargas, Kontrabass und Alex Thunder, Schlagzeug) ganz auf die Improvisation. Auch hier ist Platz für Melodien, doch herrschen andere Töne vor. Deutlich hört man die Einflüsse von Jazz-Rock und Elektro-Rock der 1970er und 1980er Jahre, entstehen freie Improvisationsfiguren und freche Solis. Es passiert alles auf der Bühne, jeder bringt seine Ideen ein und die anderen entwickeln etwas daraus. Dieses spontane musikalische Kommunizieren ist für Charlotte Ortmann „wie eine intensive Unterhaltung“. Ein Auftritt macht ihr besonders Spaß, „wenn der Funke auf das Publikum überspringt und die Leute zu tanzen anfangen“. Auch in ihrer neuen Kölner Heimat spielt Charlotte Ortmann in einer Band und hat mit ihr einen neuen Stil für sich entdeckt. Das Sven-Jungbeck-Quartett (Sven Jungbeck, Lead-Gitarre; Markus Callejon-Cespedes, Rhythmus-Gitarre; Reinhard Glöder, Kontrabass; Charlotte Ortmann, Flöten) spielt Gypsy-Jazz nach dem Vorbild des legendären Gitarristen Django Reinhardt. Das glückliche Zusammenspiel vom Zufall und ihrer musikalischen Offenheit machte sie zum Mitglied der Band, als diese ein Melodieinstrument suchte. Außerdem hat sie als Flötistin und Saxophonistin einen festen Platz im Peter-Ortmann-Quartett (Peter Ortmann, Klavier; Caspar van Meel, Kontrabass; Dominic Brosowski, Schlagzeug), das im Jazz, Funk und Soul zu Hause ist. Von Vater-Tochter-Beziehung ist bei ihren Auftritten nichts zu merken. Längst ist Charlotte Ortmann zu einer eigenen Musikerpersönlichkeit herangewachsen. Ihre Stärken, gerade in die zarten, leisen Passagen viel Ausdruck zu bringen, ihr klarer Ton, starke Melodiösität, aber auch schnelle Reaktionsgabe kommen auch hier zum Tragen. Man darf gespannt sein, wohin sich Charlotte Ortmann weiter entwickelt, vielleicht zu einem zweiten „Herbie Mann“. Anne Kotzan Konzerttermine 3.9.2010, 21.30 Uhr: Kaleidoskop – Kasseturm, Weimar |
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