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So wenig der „Klavier Sommer“ einst in seinen späten Jahren noch mit einem Festival der Tasten zu tun hatte, so lässig geht nun der „Jazz Sommer“ mit seinem Titel um. Das vom Hotel Bayerischer Hof in Eigenregie am Leben erhaltene fünftägige Überbleibsel des seinerzeit an mehreren Spielorten abgehaltenen Großereignisses setzte auch in diesem Juli auf stilistische Vielfalt. Und kurioserweise war das am ehesten unter Jazz fallende Konzert das enttäuschendste. Star-Bassist Ron Carter, einer der gefühlten Weltrekordhalter, was die Beteiligung an Platteneinspielungen angeht, brachte am Eröffnungsabend mit seinem Golden Striker Trio kaum mehr als gepflegte Langeweile auf die Bühne des Nightclubs. Der „musicians musician“ Ron Carter war immer schon für extreme Konzerte gut: Wird er gefordert, kann es zur Sache gehen. Beschränken sich seine Begleiter allerdings tatsächlich eher auf Begleitung wie hier Russell Malone mit seiner brav geschrubbten Rhythmusgitarre und Mulgrew Miller mit seinen fein ziselierten Piano-Girlanden, dann wird der musikalische Fluss schnell sehr gleichförmig. Und es lassen sich auch Carters gelegentliche Intonationsschwächen – ein Kuriosum bei einem Mann seines Rufs – nicht überhören. Dass die drei älteren Herren in ihren wie aus dem Klischee des Modern Jazz gegriffenen dunklen Anzügen zu Krawatte in der Uptempo-Zugabe dann plötzlich holzten wie bei einer ordinären Unterfahrt-Jam-Session, tat nichts mehr zur Sache. Überschneidend, etwas früher beginnend konnte man im Festsaal ein echtes Kontrastprogramm erleben. Mac Rebennack jr. alias Dr. John, seines Zeichens Pianist, Gitarrist, Sänger, Komponist und Produzent, Instanz und Schlüsselfigur des kreolisch gefärbten Südstaaten-Rhythm & Blues wie des Psychedelic Rock, gab sich nach einer gefühlten Ewigkeit mal wieder in München die Ehre. Mit seinem Quartett The Lower 911 zelebrierte der 70-Jährige im leuchtend blauen Seidenanzug zu Kreolen-Ohrring, Muschelkette, Basthut, geflochtenem Zopf und dicker Sonnenbrille einen standesgemäßen New-Orleans-Voodoo-Gottesdienst: Im von allen Blues- und Jazz-Paradiesvögeln der Stadt bevölkerten Saal machte er sich alles gefügig, was sich in jene schwer groovende, schwüle und erdige Cajun-Mixtur verwandeln lässt, für den steht wie kein anderer. Angefangen von Jazz-Standards wie „Makin’ Whopee“ – später kam auch noch eine famose Swampland-Version von „Caravan“ hinzu – über Party-Reißer wie „Iko Iko“ bis zum aktuellen, vom Kumpel Allen Toussaint geschriebenen, fett daher rumpelnden „Big Gap“ war alles dabei. Dabei war es eine Demonstration der Ökonomie, ein Exempel an den Tasten, dass es nicht darum geht, wieviel, sondern wann und wie man etwas spielt. Nicht minder bunt ging es tags darauf beim Posaunisten Fred Wesley zu, was beim altgedienten James-Brown-Posaunisten und -Orchesterleiter, der das Erbe des „Godfather of Soul“ parallel zu und manchmal auch gemeinsam mit Maceo Parker und Pee Wee Ellis fortführt, durchaus überraschte: ein Knalleffekt schon, dass er und seine New JB’s mit Chick Coreas „La Fiesta“ begannen. Latin und Salsa in Vollendung, dann Albereien mit dem Publikum, Blues, HipHop, Stegreif-Lyrik und ganz weiche Soul-Nummern neben den bewährten Funk-Brettern – Wesleys im Septett angetretene Band vermied jene musikalische Monokultur, die Funk-Konzerte mitunter ungenießbar macht. Nicht zuletzt ist Wesleys Truppe viel jazziger als die meisten Funk-Bands, weil er sich wie seinen Begleitern lange Solo-Improvisationen erlaubt. Dabei fiel vor allem Barney McAll an seinen drei Tastaturen – Flügel, Nord-Keyboard und Synthesizer – auf. Ihn würde man gerne bald wiedersehen. Jedenfalls hatte der Jazz-Sommer früh seinen Siedepunkt erreicht, den am Wochenende folgenden irrwitzigen Stilverwirblern Brooklyn Funk Essentials und den Salsa-Fegern von Manolito Simonet zum Trotz. Sozusagen zur Beruhigung kam dazwischen Trilok Gurtu mit seiner Band, der tat, was er immer tut: jenseits jeder denkbaren Kategorisierung Rhythmen, Sounds und musikalische Strukturen aus aller Welt zu sammeln und komplex zu verarbeiten. Erfreulich waren nicht nur die rund um den Jazz faszinierenden Konzerte, sondern auch der Zuspruch des Publikums – ganz gegen ansonsten mitunter bedrohlich rückläufigen Trend im Nightclub. So darf man auch fürs nächste Jahr hoffen. Oliver Hochkeppel |
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