Anzeige |
|
|
Anzeige |
|
Das Südtirol Jazzfestivals Alto Adige, das dieses Jahr in seine 28. Runde ging, ist zu einem der zentralen Kulturereignisse nicht nur der Region Südtirol, sondern auch des südlichen Alpenraumes geworden. Über 10 Tage hinweg spielen rund 250 Musiker aus 16 Nationen in Städten und Dörfern, auf Almhütten und bei Winzern, in Schlössern und sogar auf einem Floß. Das Spektrum der Orte reicht von Bozen bis Burgeis und Sterzing bis Meran, die stilistischen Schwerpunkte liegen auf europäischen und italienischen Musikern, die durch Gäste aus aller Welt ergänzt werden. Dabei werden eigene Projekte kreiert, die sich sonst nirgendwo anders finden und über die touristischen Vorzüge des Festivals hinweg dem Programm ein individuelles, markantes Profil geben.
Beispiel Noa. Man kennt die israelische Sängerin als Popstar der Weltmusik, durchaus stimmgewaltig, aber musikalisch zuweilen etwas schlicht, weil allzu pathostrunken und neofolkloristisch. Dieser Aspekt interessierte Klaus Widmann daher wenig und so lud er sie ein, sich mit einem italienischen Trio zu verknüpfen. Am Klavier saß die feinsinnige Rita Marcotulli. Luciano Biondini sorgte mit dem Akkordeon für mediterrane Farben und Fabrizio Bossos Trompete passte sich stilistisch wandlungsfähig in den Rahmen. Noa, die sich selbst als Perfektionistin versteht und gerne alles unter Kontrolle hat, brachte lediglich ihren Partner Gil Dor an der Gitarre mit, der Rest blieb der Spontaneität des Eröffnungsabends im Bozener Stadttheater überlassen. Das Resultat des Treffens war erstaunlich, denn je weniger feste Arrangements vorgegeben waren, umso charmanter und stellenweise mitreißender geriet die Musik. Die Sängerin, die in den Anfängen ihrer Karriere in New York
Jazz studiert hatte, erwies sich als faszinierend energetische Interpretin
amerikanischer Standards. Ihr „Lush Life“ hatte genau die
nötige Portion Emotion, um nicht ins Sentimentale umzuschlagen, „This
Masquerade“ präsentierte eine perfekt zickige Artistin der
Details, die sogar Soul ins Spiel brachte. Obwohl insgesamt ein wenig
lang, zeigte dieses Musikertreffen genau den Esprit eines Festivals,
das sich der eigenen Tradition der Experimente, mit dem es in den Achtzigern
begann, bewusst ist und zugleich die Brücke zum Publikum schlägt,
das noch verstehen will, was auf der Bühne passiert. Bosso und Biondini übrigens
hatten am folgenden Tag die Möglichkeit, erstmals als Duo auf der
Edel-Alm des Vigilius Mountain Resorts zu zeigen, dass sie auch als Kleinteam
etwas zu erzählen haben. Mit Forza jagten sie durch die Klangräume
der postfolkloristischen Jazzmoderne und erwiesen sich als kraft- und
humorvolles Gespann mit kaum zu bremsender Spielenergie. Das andere Extrem konnte man am Sonntag erleben, als zwei Marching-Dixie-Bands aufeinander trafen, die eine auf einem Floß swingend, die andere an Land den Ton angebend. Hier war bei allem Ernst auch der Eventcharakter gefragt und brachte die Musik direkt zu den Menschen, auf dem Wasser zu Flaneuren und Bikern an der Etsch und abschließend auch zu den Kulturbeflissenen auf der Burg Sigmundskron. Denn auch das ist wichtig für das Südtirol Jazzfestival Alto Adige. Die Musik soll nicht warten, bis die Menschen zu ihr kommen, sondern auf alle die zugehen, die vielleicht noch gar nicht wussten, was ihnen bisher entgangen ist. „One for my baby and one for the road” – mit diesem vor allem durch Frank Sinatra populär gemachten Song trat Dianne Reeves in George Clooneys Film „Good night and good luck” auf. Während des Schlusskonzertes des Südtirol Festival im Stadttheater Bozen erinnerte sich die Sängerin an die Dreharbeiten. Normalerweise seien die Helden der Leinwand im wahren Leben oft blass und unscheinbar – „nicht so Clooney,“ behauptete Reeves in ihrem improvisierten Blues-Intro. Sie sah den Director und sein Feuer in den Augen, und es war geschehen: „He said move, and I moved, he said, sing and I sang“. Nicht nur in diesem Stück zog Reeves alle Register ihrer Gesangskunst und ihres Showtalentes. Es ist ihr Markenzeichen, dass das eine untrennbar zum anderen gehört. „I felt in love with you“ und andere Jazzballaden wechselten sich ab mit Blues, Bossa Nova, Tango, Funk, Modern Jazz, Soul und viel, viel Gospel. Mit ihrem Programm gab Dianne Reeves eine stimmige Antwort auf die ewige Frage, was ist heute Jazz? Da gab es keine abgeschmackten Reminiszenzen an die große Zeit der Jazzsängerinnen, keine Klischees, die bedient wurden, Reeves machte modernen, lebendigen, blut- und glutvollen Jazz. Und wenn die Musiker ihres großartigen Quintetts mit dem Gitarristen Romero Lubambo, Peter Martin am Klavier, Reginald Veal am Bass und Terreon Gully am Schlagzeug, auch noch kollektiv den Refrain „See the Wonder of The Universe“ anstimmten, dann geriet das Publikum in fast schon religiöse Verzückung. Ralf Dombrowski/Andreas Kolb |
|