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Die Art, wie er seinen 50. Geburtstag feierte, mit und auf einer fünfwöchigen Mammuttournee fast ohne freien Tag ist typisch für ihn. Im Trio Roditi-Ignatzek-Rassinfosse kreuz und quer durch ganz Deutschland und mit Abstechern in die Schweiz, nach Luxemburg, Holland, Österreich und Kroatien, in die Metropolen und in Dörfer: Klaus Ignatzek gehört nicht nur seit Jahrzehnten als Pianist, Komponist und Bandleader zur Oberliga der europäischen Jazzszene. Er ist auch einer ihrer Eifrigsten, ein unermüdlicher Arbeiter, der ohne Musik, ohne Auftritte offensichtlich nicht leben kann.
Seine Diskografie ist ebenso lang wie seine Tourneepläne. Seit sich
Katze Micky auf der ersten Langspielplatte im Eigenverlag des Duos Voss-Ignatzek
1981 auf den Weg machte („Micky’s Walk“, Voig), damals
war der Pianist also Ende zwanzig, ist fast jährlich mindestens ein
neuer Tonträger unter seinem Namen erschienen, nicht selten waren
es drei, vier oder gar fünf in einem Jahr. Mehr als 200 eigene Songs
hat Ignatzek darauf veröffentlicht. Fast hätte er es geschafft,
zu den runden 50 Jahren auch 50 runde Scheiben vorzulegen, aber jetzt
sind es doch nur 48 geworden, mit der CD „Light in the Dark“
vom Trio Roditi-Ignatzek-Rassinfosse die soeben bei Nagel Heyer Records
erschienen ist. Wie hält er es durch, so viel auf Tournee zu gehen
und so viele Platten aufzunehmen? Woher nimmt er die Ideen für immer
neue Musik her? Wir machen mit den verschiedenen Projekten immer wieder längere Pausen. Man sieht sich eine Zeit nicht, jeder macht andere Dinge, jeder entwickelt sich auf seine Art weiter. Dann trifft man sich wieder und bringt die neuen Entwicklungen zusammen. Das ist eigentlich der Nährboden für alles, was ich mache. Es sind halt viele verschiedene Projekte, die kontinuierlich laufen. Und dadurch kommen auch verschiedene Sachen zustande. Die Projekte laufen parallel und befruchten sich gegenseitig. Wenn man nur eine Sache hätte, würde das wohl nie so lange laufen; 15 Jahre sind eine unglaublich lange Zeit.“ Gibt es unter diesen vielen Scheiben besonders empfehlenswerte? „Ich stehe zu allen meinen Aufnahmen, mehr oder minder. Natürlich ist es immer so, dass einem die letzten CDs am meisten am Herzen liegen.“ Von den älteren verbinden Ignatzek mit „The Spell“ mit Dave Liebman, „Day For Night“ mit Joe Henderson und der Quintett-Aufnahme „Live In Rome“ besondere Erinnerungen und Schritte in seiner Entwicklung. Klaus Ignatzek wurde am 4. November 1954 geboren. Er stammt „aus einer Familie, in der Musik zum Alltag dazu gehörte, meine Mutter hat Klavier gespielt, mein Bruder, der elf Jahre älter ist auch, er spielte auch in einer Dixieland-Kapelle. Als ich fünf oder sechs Jahre alt war, hat er mir ein paar Blues- und Boogie Woogie-Patterns gezeigt. Weil er mein Idol war als großer Bruder, habe ich das natürlich kopiert. Mit zehn oder elf Jahren habe ich im Fernsehen beim NDR-Jazz-Workshop Chick Corea gehört, ohne zu wissen, was das ist, aber das hat mir gefallen. Auf dem Umweg über die Beatles kam ich zur sogenannten Classic Rock Music, Emerson, Lake & Palmer, und The Nice.“ „In den 60er-Jahren waren in meiner Heimatstadt Wilhelmshaven zwei Mitglieder des Stadtrats frei improvisierende Jazzmusiker, die haben Geld für den Club locker gemacht und das war ein Katzensprung von meinem Elternhaus. Da bin ich dann mit 15 zum ersten Mal zu einem Konzert gewesen und ab dann zu jeder Musikveranstaltung, wenn ich nur immer konnte. Da habe ich alles gehört, von ganz freier Musik bis Jazzrock, die Scorpions, Dexter Gordon, Johnny Griffin und viele andere Musiker, drei Meter von mir entfernt. Im Nachhinein betrachtet, hat mir das vieles geebnet, weil mir dann klar war, was mich interessiert. Und ich habe dann auch festgestellt – das war eine sehr interessante Erfahrung –, dass nicht der Musikstil wichtig war, den man ja nur aus dem Programm entnehmen konnte, mit 15, 16 weiß man ja gar nichts, sondern das, was die Musiker daraus gemacht haben. Als ich beim ersten Jazzkonzert war, da spielte ein Klaviertrio, der Schlagzeuger hat ting-tingeling gemacht, der Bass wumm wumm und der Klavierspieler hat Linien gespielt, habe ich gesagt: Das ist genau die Musik, die will ich auch machen.“ Schon die erste Schallplatte bekam gute Kritiken, Ignatzek war damit schnell erfolgreich. „Einem selber kommt das nicht schnell vor, weil man weiß was dahinter steht. Mit Jochen Voß gab es vorher ein jahrelanges Zusammenspiel, viel Üben, viel Livespiel. Das ist vielleicht einer der wichtigsten Sätze, die ich jetzt sage: Das habe ich schon ganz am Anfang gemerkt, dass man nur begrenzt zu Hause sein kann. Man muss immer versuchen, mit besseren Leuten zu spielen und man muss vielerlei spielen, denn dann kann man das, was man geübt hat, auch so umsetzten, dass es intuitiv wird. Wenn man drei oder vier Jahre immer unterwegs ist und unter Stress Musik machen muss und viel Auto fährt, ergibt das dann andere Aufnahmen also solche, auf die man sich drei Wochen vorbereitet. Das ist eigentlich das Geheimnis des Quintetts und aller meiner Projekte, dass ich jahrelang mit diesen Leuten zusammenspiele. Mit Claudio Roditi spiele ich jetzt das fünfzehnte Jahr, mit Jean-Louis Rassinfosse und Gustavo Bergalli 16 Jahre, mit Bruno Castellucci zwölf Jahre, mit Florian Poser fast 25 Jahre, mit Anca Parghel ebenfalls 16 Jahre. Das sind alles Projekte, die kontinuierlich laufen, und dann kommt man natürlich tief in die Musik hinein, und zwar nicht vom Reden, sondern vom Spielpraktischen her, wo man dann auch intuitiv schneller weiß, was da passiert. Ich sehe immer wieder, dass die ganzen Szenen in Deutschland, und das ist in anderen größeren Ländern ähnlich, sich untereinander überhaupt nicht kennen: Da gibt es die Münchener, die Berliner, die Kölner, die Frankfurter, die Stuttgarter Szene, und dann gibt es die norddeutsche, die Hamburg-Hannover-Szene und keiner kennt die anderen. Das ist natürlich für jüngere Leute, die in den Startlöchern sitzen, sehr schwierig, weil es nur noch wenig Möglichkeiten gibt, Austausch zu haben, dass man auch mal auf Tour geht. Manchmal ist es natürlich auch so, dass zu wenig Einsatz von den Leuten kommt, dass sie zu wenig wagen. Dass sie denken, ich habe da jetzt schon zehnmal angerufen, warum passiert nichts? Warum ruft mich keiner an? Man muss natürlich sein Leben selber in die Hand nehmen und das machen vielleicht manche zu wenig.“ Ich danke dir für das Gespräch und wünsche dir alles Gute für deinen weiteren Lebens- und musikalischen Weg. Text/Foto: Godehard Lutz Termine
Auswahl-Diskografie
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