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Jazzzeitung
2004/12-2005/01 ::: seite 2
news
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Kunstpreis der Stadt Zürich an Pierre Favre
In diesem Jahr erhält der 1937 in der französischen Schweiz
geborene, aber seit vielen Jahren in Zürich lebende Schlagzeuger
oder besser -werker Pierre Favre den mit 50.000 Franken ausgestatteten
Kunstpreis der Stadt Zürich.
Viele Wege ist Favre gegangen, hat mit vielen Jazzmusikern gespielt, war
Mitglied der Radio DRS Big Band, hat in Paris, Rom und Paris gelebt. Er
ist ein außergewöhnlicher „Klangtüftler und Poet“,
wie es Nick Liebmann kürzlich im Programmheft des Festivals in Schaffhausen
ausgedrückt hat. Sein neuestes Projekt stellte er dort im Frühjahr
vor, das Pierre Favre ARTE Quartett, eine außergewöhnliche
Kommunikation mit drei Saxophonisten, ein beredtes Beispiel für seine
traditionelle Zusammenarbeit mit jungen Musikern aus der Schweiz. Das
heißt nicht, dass er seine alten Weggefährten wie zum Beispiel
Irène Schweizer vergisst, mit der er kürzlich eine neue großartige
CD („Ulrichsberg“ bei Intakt) veröffentlicht hat, ein
aktuelles Beispiel für seine hohe Kunst der freien Improvisation.
Wie kein anderer Schlagzeuger der Gegenwart entfaltet Favre mit seinem
großen Schlag-Instrumentarium eine außerordentliche Vielfalt
an Klangideen und -bildern, setzt Klänge um in erlebte Poesie. Vor
allem aber liegt sein Verdienst darin, einer langen Reihe von jungen Schlagzeugern
aus der Schweiz den Weg gezeigt zu haben, sie auf ein eigenes Leben mit
den Schlaginstrumenten auf eine inspirierende Art vorbereitet zu haben.
Lucas Niggli, selbst bereits ein großer Stern am Schlagzeughimmel,
erinnert sich daran, dass Favre ihn extrem ermutigt habe, seinen eigenen
Weg zu gehen. Er habe ihn nicht mit fertigen Lösungen konfrontiert,
sondern ihm beigebracht, dass er sich selbst die wichtigen Fragen stelle.
Er sei sein bester Lehrer auf dem Weg zu einer eigenen Sprache gewesen.
In den letzten Jahren hat sich Favre auch einen Namen als Komponist gemacht.
Überrascht hat ihn die Preisverleihung, wobei er feststellte, dass
ihm die Ehre wichtiger sei als das Geld. Mehr als nur bemerkenswert ist
es, dass die Kulturstadt Zürich ihren wichtigen und hoch dotierten
Preis an einen Künstler der aktuellen Musik vergibt, der nicht zu
den leuchtenden Sternen gehört, die Tausende von Hörern in die
Säle locken, der dafür aber für Generationen von Musikern
Zeichen setzt zur Besinnung auf die großen europäischen Musikqualitäten.
Hans-Jürgen von Osterhausen
JAZZ AWARDS 2004: Erfolge für ACT
JAZZ AWARDS werden vom Bundesverband der Phonographischen Wirtschaft Produktionen
aus dem Jazz-Bereich verliehen, die die magische Grenze von 10.000 verkauften
Exemplaren überschreiten. Dies kommt weit weniger häufig vor,
als man meinen mag: Im ganzen letzten Jahr beispielsweise konnte diese
Auszeichnung an nicht mehr als 15 Jazz-Alben in Deutschland vergeben werden…
Um so mehr Grund zu Freude und Stolz hat deshalb das Münchner Label
ACT: Denn 2004 gehen sechs Jazz-Awards an Produktionen aus diesem Haus
und das Album von Nils Landgren: FUNKY ABBA (9430-2) ist nur ein halbes
Jahr nach Erscheinen sogar mit einem Platin Award für 20.000 verkaufte
Platten ausgezeichnet worden – als erstes ACT-Album überhaupt.
Dieser Goldregen ist vor allem einem ACT-Künstler und seinen großartigen
Leistungen zu verdanken: dem vielseitigen schwedischen Posaunisten und
Sänger Nils Landgren. Drei der ausgezeichneten Alben sind unter seinem
Namen veröffentlicht, zwei weitere – die Aufnahmen von Rigmor
Gustafsson und Viktoria Tolstoy – hat er als Produzent betreut.
Und so festigt ACT mit sechs der erfolgreichsten Jazz-Alben des Jahres
seinen Ruf als „ The New Force In Jazz“ (Village Voice NY),
www.actmusic.com
„Klangvisionen“ – Festival für intuitive Musik
In den letzten Jahren wurde in der Kölner Südstadtkirche St.
Maternus von Markus Stockhausen und Rolf Zavelberg eine Konzertreihe etabliert,
die unter Kennern weit über die Stadtgrenzen hinaus hohe Anerkennung
genießt. Zum fünfjährigen Bestehen der Reihe wird die
Aktivraum-Agentur in Zusammenarbeit mit MusicArts Köln e.V., der
Kirchengemeinde St. Maternus und dem Deutschlandfunk diese innovative
Konzertform nun mit dem Festival Klangvisionen vom 11. bis 13. März
(St. Maternuskirche, Köln Südstadt, Alteburger Str.) einem breiteren
Publikum bekannt machen. Musiker aus verschiedenen Ländern und aus
ganz unterschiedlichen musikalischen Traditionen sind solistisch sowie
in Begegnung mit Markus Stockhausen und anderen Musikern zu hören.
Alle Musiker tragen meist intuitiv zu einer lebendigen experimentellen
und spontanen Musik bei. Insgesamt acht Konzerte (davon ein Kinderkonzert)
sowie Begegnungen in Form von Workshops eröffnen neue Perspektiven
vom Klang im Raum und vertiefen die Kommunikation zwischen acht begnadeten
Musikern untereinander und mit ihrem Hörer als aktivem Partner. Das
komplette Programm finden Sie im Internet unter www.aktivraum.de.
Auf der Website können auch Karten bestellt werden.
Neues von Ex-ESC Records
Nach der Insolvenz der EFA Medien GmbH ist das ehemalige ESC-Records-Team
wieder komplett und nennt sich nun BHM Productions. B für Joachim
Becker, der wie früher bei ESC den Gründer und A&R in Personalunion
darstellt. H für Uwe Hager, der als A&R und Productmanager bei
ZYX Music bekannt wurde und M für Christa Mikulski, Inhaberin und
Geschäftsführerin bei ZY, den Vertrieb der BHM-Produktionen
übernimmt in Deutschland und der Schweiz ZYX Music, in Österreich
Echo-ZYX. Infos: www.bhm-music.de
St. Ursula München aufgelöst
Der Jazzclub München e.V. musste sein schönstes „Jazzwohnzimmer“
aufgeben und ist auf der Suche nach neuen Locations. Zwei neue Standorte
konnten bereits gefunden werden, einmal das Forum 2 im olympischen Dorf
und die Fasanerie in der Hartmannshofer Straße, außerdem steht
der Club in Verhandlungen mit dem Rolandseck in München Schwabing.
Die Jazzwerke München sind dort bereits zu Gange.
Frankfurt-Ausstellung verlängert
Die Ausstellung „Der Frankfurt Sound – eine Zeitreise in Jazz“
(siehe JZ 11-04, S. 3) wird wegen des großen Andrangs bis 16. Januar
verlängert. Aktuelle Informationen zur Ausstellung unter: www.frankfurt-sound.de
Erste Scheiben-Jury tagt
Kooperation von Jazzzeitung, Mediamarkt und Jazzclub Regensburg
Wie im Editorial der letzten Ausgabe bereits angekündigt wird am
Sonntag, den 23. Januar 2005 im Jazzclub Leerer Beutel in der Bertoldstraße
in Regensburg die erste „Scheiben-Jury“ tagen. Der Eintritt
ist übrigens frei.
Mit dabei in diesem ersten „musikalischen Trio“, das Neuerscheinungen
und Reissues im Jazzplattenbereich vorstellen und diskutieren wird, sind
der Schlagzeuger Gerwin Eisenhauer, vielseitig interessiert und immer
auf der Suche nach neuen Anregungen und Bandprojekten, ein Redakteur des
Bayerischen Rundfunks und Andreas Kolb, Chefredakteur der Jazzzeitung.
Er war Anfang der 90er Pressesprecher bei ECM Records und ist Jurymitglied
des Deutschen Jazzpreises (Albert-Mangelsdorff-Preis) und der German Jazz
Trophy.
Die Initiatoren und Kooperationspartner erhoffen sich von der Veranstaltung,
die vierteljährlich stattfinden wird, Ähnliches: Der Jazzclub
Regensburg möchte vor allem seinen Mitgliedern und den Konzertbesuchern
des Leeren Beutels die Kaufentscheidung erleichtern. „Wir laden
drei ‚Sachverständige’ ein mit sehr unterschiedlichem
Blick. Dazu kommen Anekdoten, Hintergründe und Stilistiken der neueren
Jazzgeschichte. Ein „Literarisches Trio“ für Jazzmusik.
Wir schaffen mit diesem Abend eine weitere Möglichkeit, Jazz für
sich zu entdecken oder tiefer einzusteigen.“ Mit im Boot ist der
Mediamarkt Regensburg, der den Jazzclub seit Jahren sponsert und als präsenter
Partner während des Scheiben-Jury-Abends Listen der besprochenen
CDs zum Bestellen auslegen wird, die Lieferung folgt frei Haus, es fallen
keine Portokosten an. Natürlich erhofft sich Media-Markt-Geschäftsführer
Reinhard Weigl auch, auf diesem Wege den Jazzfans sein breites Sortiment
vor Ort ans Herz legen zu können. Die Jazzzeitung sucht wie immer
den direkten Kontakt zu ihren Leserinnen und Lesern und neue Anregungen
für Leserfreundlichkeit und -interessensgebiete.
Vorgestellt werden am 23.1. unter anderem: Madeleine Peyroux: Careless
Love (Emarcy/Universal), Renee Olstaed: Renee Olstead (Sony), Gilad Atzmon
& The Orient House Ensemble (enja), Johannes Enders: Human Radio (enja)
und Bireli Lagrene: Move (SoulFood FDM 366682). Also: Termin vormerken
und auf nach Regensburg.
Ursula Gaisa
Alle Jahre wieder…
Neue CDs für ein entspanntes Weihnachtsfest
An Weihnachts-CDs scheiden sich meist die Geister: was Puristen als saisonalen
Kitsch verachten, wird von romantischeren Seelen heiß geliebt und
oftmals sogar gesammelt. Wir haben uns umgehört und einen repräsentativen
Querschnitt, der keineswegs auf Vollständigkeit pochen kann, herausgesucht,
den wir im Anschluss kurz vorstellen. Vielleicht ist ja auch das eine
oder anderen Last-Minute-Weihnachtsgeschenk für befreundete Jazzfans
dabei…
Mit großen Namen protzen die Majors, sehr zu empfehlen Dianne Reeves
mit „Christmas Time Is Here“ (Blue Note), die Liedauswahl
ist nicht besonders originell, die Intepretationen aber angenehm elegant,
swingend und entspannt. Edel veröffentlicht pünktlich zum Fest
die erste Weihnachts-CD von Dionne Warwick mit allen Klassikern von White
Christmas bis Silent Night, Tendenz schmelzpoppig. RCA/BMG hat Harry Belafonte-Aufnahmen
aus den 50ern neu aufgelegt, hier geht’s elegisch gospelartig zur
Sache. Auf die originellen Intepretationen im 20er-Jahre Soundmantel von
Max Raabe und seinem Palast Orchester setzt BMG Deutschland („Vom
Himmel hoch, da komm’ ich her“), sicherlich mit Erfolg. Das
Mannheimer Label Ridenstein Records lässt es mit dem Big Brazz Pack
gewaltig krachen. „Es ist ein Ros entsprungen“ arrangiert
für Big Band, da bleibt kein Auge trocken, und es kann zu Tanzeinlagen
unter dem Weihnachtsbaum kommen, garantiert („Santa Claus Is Jammin’
Into Town“).
Auch Sequels haben oft ihr Gutes: „SNOW 2 – The Get Easy!
Christmas Collection Vol II“ (Universal) enthält wieder originelle,
rare Besonderheiten, die selbst Hardcore-Weihnachts-CD-Fans (noch) nicht
kennen, großartig. Die süddeutsche Szene um die Brüder
Eisenhauer veröffentlicht ebenfalls nach dem großen Erfolg
2003 „Weihnachtssongs aus Regensburg“, mit dabei die Gänsehautstimmen
von Steffi Denk und Lisa Wahlandt mit einem zuckersüßen „Santa
Baby“ und einem fein geschliffenen „Rudolph, The Red Nosed
Reindeer“ (nur in Geschäften in R. erhältlich).
Mit „Santa Baby“ landet Bobtale Records (Bestellungen: bob@bobtale.de)
sicher einen Hit. Den Titelsong interpretiert Dana Darau, dass einem ganz
warm um’s Herz wird. Helmut Nieberle und Helmut Kagerer an Gitarren
und Ukulele tun das Ihrige dazu, dass man das Gefühl hat, Klassiker
wie „Stille Nacht“ oder „Leise rieselt der Schnee“
zum ersten Mal wieder richtig zu hören. Nachdenklich Meditatives
steht neben swingender Gute-Laune-Musik. Wunderbar. Merry Christmas! ug
+ veranstaltungstipp +
Am 25. Januar 2005 um 21 Uhr spielt in der Reihe „Jazz im Gärtnerplatz“
das
Abdullah Ibrahim Trio im Staatstheater am Gärtnerplatz. Abdullah
Ibrahim, der erst kürzlich seinen 70. Geburtstag feierte, startete
seine internationale Musikkarriere bereits im Jahr 1949. Er gilt als Pionier
der Weltmusik und weiß meisterhaft afrikanische Rhythmik, arabische
Klänge, englische Kirchenmusiktradition und europäische Musik
der Romantik zu einer unverwechselbaren und sehr persönlichen Stilmischung
zu verschmelzen. Seine Musik zeichnet sich durch Originalität, Einfachheit
und Intensität aus.
1962 kehrte der im Exil lebende Künstler, der weltweit als einer
der besten und produktivsten Jazzkomponisten angesehen wird, wieder in
seine Heimat zurück. Auch unter Freunden der klassischen Musik hat
der Pianist und Bandleader eine große internationale Fangemeinde.
Zu seinen bekanntesten Einspielungen zählen »African Market
Place«, »The Wedding«, »Mindif« und »African
Piano«. Bitte vormerken: Das nächste Konzert der Reihe findet
am 25. Februar mit Roberto di Gioia’s Marsmobil statt. Karten unter
Tel. 089/21 85 19 60, per E-Mail an tickets@st-gaertner.bayern.de
oder unter www.staatstheater-am-gaertnerplatz.de
Jazz Workshop in St. Gerold mit Lackerschmid und Schlesinger
Vom Sonntag 2. Januar bis Donnerstag 6. Januar 2005 findet in der Propstei
im österreichischen Vorarlberg ein Workshop für alle Instrumente
und Stimmen statt. Aus den maximal 14 Teilnehmern werden eine gemeinsame
und diverse kleinere Formationen zusammengestellt. Theorie und Praxis
sowie Notisten und Gehörmusiker ergänzen sich gegenseitig. Bei
der Anmeldung bitte Instrument(e) und bisherige Voraussetzungen angeben.
Bei zu vielen Bewerbern desselben Instruments wird nach den Kriterien
Spielniveau und Anmeldedatum ausgewählt. Infos: www.lackerschmid.com
jazz-spot
Woody Shaw
Was haben Dizzy Gillespie, Miles Davis und Wynton Marsalis gemeinsam?
Respekt und Anerkennung für eine im Mai 1989 viel zu früh verstummte
Trompetenstimme des Jazz: Woody Shaw. Nachzulesen sind deren anerkennende
Worte, sowie die üblichen Angaben zu Leben, Werk und Aufnahmen unter
www.woody shaw.com – die Website bietet aber auch Hörproben
und Videosequenzen, die ein erstes Kennenlernen ermöglichen. Schon
mit elf Jahren begann er die Grenzen seines selbstgewählten Instruments
zu erkunden, schaffte das, wonach mancher Meister sein Leben lang strebt:
eine ganz eigene Ausdrucksweise zu entwickeln. Aufgewachsen in New Jersey,
mit 16 von der Schule abgegangen – „Ich musste einfach spielen.“
Seine Kenntnisse hatte er sich fast vollständig selbst angeeignet.
Nat Hentoff zitiert ihn in dem Plattentext zu der bei Blue Note erschienenen
Platte „Unity” wie folgt: „Nicht was Du in der Schule
lernst zählt, sondern das, was Du musikalisch um Dich herum zu hören
bekommst…“ Sein erstes überregionales Engagement hatte
er gemeinsam mit Chick Corea 1963 bei Willie Bobo, im darauf folgenden
Jahr zog es ihn nach Paris, wo er mit dort schon etablierten amerikanischen
Exil-Musikern wie Bud Powell und Art Taylor spielte.
Während seine Musikalität ihn im Laufe seiner Karriere die Türen
zu Gigs und längerfristigen Kooperationen mit Größen wie
Eric Dolphy, Kenny Clarke, Donald Byrd und Horace Silver öffnete,
verschloss sich so mancher Weg durch Drogenkonsum und dadurch verursachte
Krankheiten. Im Auf und Ab seiner musikalischen Laufbahn nahm er einige
unvergängliche Alben auf, die heute auf CD erhältlich sind.
Zu den Highlights zählen das seiner rothaarigen Frau Maxine Gregg
gewidmete Album „Little Red’s Fantasy“, für das
er von Frank Strozier am Altsaxophon, Ronnie Mathews am Klavier, Stafford
James am Bass und Eddie Moore am Schlagzeug begleitet wurde, aber auch
die 1987 in der Schweiz aufgenommene Live-CD „In My Own Sweet Way“,
auf der er mit Fred Henke am Klavier, Neil Swainson am Bass und Alex Deutsch
am Schlagzeug zu hören ist und die viele Fans als sein Vermächtnis
betrachten. Eine von Todd Poynor zusammengestellte ausführliche Diskografie
erleichtert im Internet nicht nur den Zugang zu seinem Werk, sondern gibt
mit Transkriptionen und Kommentaren auch nützliche Tipps für
den erfahrenen Hörer: www16.brinkster.com/fitzgera/woody/wsdisc.htm
Am 24. Dezember wäre Woddy Shaw 60 Jahre alt geworden.
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