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Kürzungen, Einsparungen, Streichungen, Gebührenerhöhungen – das sind kurz gesagt die Themen, die man derzeit mit Rundfunk in Verbindung bringt. Dieser Artikel stimmt nicht in diesen Tenor mit ein, denn er hat Positives zu melden. Auch wenn die Jazzredaktion des Bayerischen Rundfunks noch immer zur Abteilung „Leichte Musik“ zählt, der Jazz hat mehr Gewicht bekommen in den vergangenen Monaten.
Dass Joe Kienemann und Peter Machac in Pension gingen nutzte die Hauptabteilung Musik im BR nicht dazu, das Angebot an Blue Notes zu reduzieren, sondern man baute den Jazz im Programm von Bayern 4 Klassik und Bayern2Radio sogar noch aus. Über die Arbeit von Beate Sampson und Henning Sieverts berichtete die Jazzzeitung bereits in ihrer Ausgabe vom Dezember 2003. Jetzt porträtiert die Jazzzeitung den Neuen im Team, Roland Spiegel, vielen Jazzfreunden seit Jahren ein Begriff als Kulturredakteur der Münchner Abendzeitung „AZ“ wo er bis März 2004 arbeitete. Doch obwohl Roland Spiegel seit 1980 für Printmedien tätig
ist – begonnen hatte alles bei der „Nürnberger Zeitung“,
1995 ging er zur AZ nach München – gehört seine eigentliche
Liebe dem Radio. Dem guten alten Radio muss man beinahe sagen, denn Spiegel
gehört einer Generation an, die noch nicht mit MTV aufgewachsen ist.
Als Teenager hörte er Nachmittag für Nachmittag die legendäre
Rockmusiksendung Club 16. „Punkt 16 Uhr waren die Hausaufgaben fertig,
Verabredungen wurden um diese Zeit nicht getroffen“, erinnert sich
der Radiomacher an seine frühe Prägung durchs Radio. Dann allerdings entschied er sich für einen großen Umweg: Mit 18 war er „politisch entflammt“, wollte er Journalist werden und Kommentare in die Welt setzen. Das Radio verlor Spiegel zunächst aus dem Blickfeld, der politische, auch lokalpolitische Print-Journalismus war ihm näher. Sein Chefredakteur erkannte die Begabung und Leidenschaft des jungen Mitarbeiters für Theater und Musik. Als es darum ging, die Stelle eines Kulturredakteurs zu besetzen, fiel seine Wahl auf Roland Spiegel. Ein Studium der Musikwissenschaft und Romanistik vervollkommnete Spiegels journalistische Kompetenz. Und das Radio? Ganz hatte er es nie vergessen. In den frühen Neunzigern schrieb er Sendungen für Studio Nürnberg des BR. Seit 1998 produzierte er regelmäßig Sendungen für die Joe Kienemanns Feature-Reihe „All that Jazz“, gemeinsam mit Autoren wie Ssirus W. Pakzad, Ralf Dombrowski und Marcus Woelfle. Als der BR vor etwa einem Jahr einen Redakteur für Klassik und Jazz suchte, handelt Roland Spiegel. Sein Profil muss ideal gewesen sein: Man suchte jemanden, der sich nicht nur mit Jazz auskennt. Dazu Spiegel: „Es war der Wunsch des BR, jemand zu finden, der ein Gelenk herstellen kann zur B4 Redaktion.“ Wer eignete sich da besser als jemand, der nach eigenen Worten in Nöte käme, wenn er sich entscheiden müsste, ob er zu einem Konzert von Wynton Marsalis mit dem Lincoln Center Jazz Orchester ginge, oder zu einem Konzertabend des Artemis Quartett mit Beethoven – wenn beides am selben Abend stattfände. Spiegel, Sampson und Sieverts haben gute Startbedingungen: Seit der Programmreform Anfang 2004 gibt es mehr Jazz im Bayerischen Rundfunk zu hören. Die bisherige 23 Uhr-Schiene: (die letzte Stunde auf B4 Klassik ist immer Jazz) wurde um eine weitere Stunde ergänzt: Freitag nachmittag, 15 Uhr, um die Sendung „Pour le piano“ auf Bayern4Klassik. Das erlaubt Spiegel, Sampson und Sieverts, weiteres Publikum über das Stammpublikum der Jazztime hinaus zu erreichen“ Eine neue Jazzsendung gibt am Samstag von 18 bis 19 Uhr in Bayern4Klassik, „Jazz & mehr“. Hier mischt sich Jazz mit verwandten Musikarten von Klassik über Tango, Flamenco und anderem. Auch für die tägliche Magazinsendung „Leporello“ steuert Spiegel Jazziges bei. In der „Radiowelt am Samstag“, sie trägt den Untertitel Jazz und Politik“ und läuft auf Bayern2Radio, spielt der Jazz eine wichtige Rolle zwischen politischen Hintergrundberichten, Interviews und Essays. Weiter geführt werden auch die BR-Eigenproduktionen „Bühne frei in Studio 2“; jetzt betreut von Beate Sampson, „Jazz auf Reisen“, jetzt betreut von Roland Spiegel, sowie das Jazzkonzert (etwa im Gärtnerplatztheater oder in der Münchner Unterfahrt). Die Eigenproduktionen liegen Spiegel besonders am Herzen: „Es ist zum einen eine wichtige Unterstützung für Musiker, zum anderen kann sich eine öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalt gerade durch solche Mitschnitte vom Programm anderer Sender abheben. Das ist Tonmaterial, das es nirgends zu kaufen gibt, Musik die man nur bei uns hören kann. Fast wie ein Konzerterlebnis in den eigenen vier Wänden.“ Aufs Ende der Kienemann-Ära angesprochen, und auf eigene Pläne, meint Roland Spiegel: „Es wird schwierig sein, der Sache ähnlich markant seinen eigenen Stempel aufzudrücken, wie dies Joe Kienemann getan hat.“ Doch Spiegel fehlt es weder an Selbstbewusstsein, noch an Visionen. Das Jazzprogramm will er in dem Qualitätsstandard weiter führen, den Joe Kienemann gesetzt hat. Mit Dombrowski, Pakzad und Wölfle stünden ihm drei der besten Jazzjournalisten im deutschsprachigen Raum zur Verfügung. Deren Potenzial will er nutzen um Pluralität, Farbenreichtum, stilistische Vielfalt und eine Vielfalt von Sendeformen zu präsentieren. Seine Idee von einem guten Jazzprogramm verdeutlicht Roland Spiegel in einem abgewandelten Satz von Archie Shepp. Jazz sei die klassische Musik der amerikanischen Schwarzen, sagte dieser. Spiegel erweitert: „Jazz ist eine andere klassische Musik, jedoch mit ähnlicher Stilhöhe des Musikmachens und ähnlicher Komplexität wie diese.“ Andreas Kolb |
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