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Ich bin Jazzfan. Wie sag ich’s meinem Kinde? Wenn die Kleinen groß genug sind, die Erklärung zu verstehen, hat der Jazzfan versagt – denn schon im zarten Kindesalter gibt es Lieder, die über Rhythmus und Reim Kinderphantasie gefangen nehmen können. Wer nicht in der glücklichen Lage ist, selbst zum Instrument greifen zu können, um zu begeistern, dem bleibt, jenseits der unersetzlichen Live-Erfahrungen und musikalischen Früherziehung an Musikschulen, zu Hause nur der Weg über verschiedene Medien. Verve hat mit seiner nur etwas mehr als halbstündigen CD „Jazz for Kids: Sing, Clap, Wiggle and Shake“ hoffentlich keine Maßstäbe gesetzt, was Folgeproduktionen angeht, liefert aber den Grundstock und die Inspiration für die Jagd nach geeigneten Titeln im eigenen CD-Ständer. Und so wandert auf die Platte vom Junior dann vielleicht nicht „Old McDonald Had A Farm“ sondern Louis Jordans „Barnyard Boogie“ oder die ruhigere, aber nicht weniger Ohrwurm verdächtige „After School Swing Session“, nach der man allerdings „toodle-loddle-loo“ fest sein sollte – oder in der glücklichen Lage, die Kinder den Eltern zurückgeben zu können. Und eines ist auch klar: Kinderlosigkeit ist kein Grund, sich den Spaß zu versagen, nach Titeln zu suchen, mit denen man zumindest Kindern von Verwandten und Freunden ein Hörvergnügen schenken kann, das sie für den Jazz begeistert. Natürlich gibt es auch Produktionen aus eigenen Landen – einen genreübergreifenden Ansatz erlebt man bei der Musikpädagogin Dorothée Kreusch-Jacob die schon in ihrer „Songfamily“ mit ihren Söhnen, dem Pianisten Claudio Cornelius Kreusch und dem Gitarristen Johannes Tonio Kreusch Jazz und Klassik vereint. Auskunft über ihr beträchtliches Wirken gibt ihre Homepage: www.dorotheekreusch-jacob.com. Bilderbücher mit Soundtrack sind an sich nichts Neues – seit
Jahren zeichnet der Verband der deutschen Musikschulen mit seinem Leopold
„Gute Musik für Kinder“ aus und gibt damit vor allem
Klassikfreunden wertvolle Orientierungshilfen: www.musikschulen.de/seiten/projekte/leopold.htm.
Vielleicht schafft es ja im nächsten Vergabejahr, 2005, auch einmal
eine echte Jazzproduktion unter die Geehrten. Zur Inspiration empfehlen
wir zwei amerikanische Produktionen: „The Jazz Fly“ von Matthew
Gollub und „John Coltrane’s Giant Steps“ von Chris Raschka.
Während „The Jazz Fly“ in englischer Sprache in bester
Kinderbuchtradition von den Abenteuern einer Fliege auf dem Weg zu einem
Auftritt als Schlagzeuger erzählt, erschließt Chris Raschkas
Buch über die grafische Darstellung in bezaubernder Leichtigkeit
ein Musikstück, an dem schon mancher erfahrene Saxophonist gescheitert
ist. So unterschiedlich die Produktionen sind, eint sie ihre Kompromisslosigkeit
in Sachen musikalischer Qualität und der sichtbare Wille, die Kinder
bei hohem Unterhaltungswert ernst zu nehmen. Und heute? Während ich die Unterlagen sichte, die über Wynton und Branford Marsalis in der Sesamstrasse berichten, nölt im Kinderprogramm der ARD der nächste musikbefreite Bohlen-Klon. Musik- statt Werbepause, meine Neffen verlassen den Raum auf der Jagd nach einem Snack – unsere Kinder sind offensichtlich cleverer als man ihnen zutraut. Im CollegeRadio des Bayerischen Rundfunks finden Lehrer wie Schüler im Fach Musik zumindest schon einmal eine dreiteilige Geschichte des Jazz: www.college radio.de. Aber auch in Radio-Kindersendungen „verirren“ sich inzwischen immer wieder Jazzer, die tatsächlich eine Geschichte zu erzählen haben. Leider bleibt das Auffinden solcher Gelegenheiten meist dem Zufall überlassen. Das gilt auch für die Spielwiese Internet: Auf der Suche nach Jazz
für Kinder und Jugendliche kann man eine beachtliche Linkliste anhäufen,
vieles davon ist aber leider keinen einzigen Klick wert. Man mag von Wynton
Marsalis halten was man will, sein „Jazz for Young People Curriculum“,
das von „Jazz at Lincoln Center“ vertrieben wird, lässt
an Professionalität nichts zu wünschen übrig – wovon
man sich inzwischen auch online überzeugen kann: http://www.jazzatlincolncenter.org
/educ/curriculum/launcher.html Eines ist klar: Das Live-Erlebnis kann kein Medium ersetzen und Selbermachen macht Spaß. Doch nicht überall wo „Jazz for Kids“ drauf steht, ist auch Kindgerechtes drin, infantile Effekthascherei begleitet seit PISA so manches mediale Projekt, wie es auch bei Festivals und Musikschul-Angeboten zu beobachten ist. Darum heißt es auf der Suche nach hochwertigen Projekten Augen und Ohren offen halten – damit die Kinder nicht irgendwann von allen guten Rhythmen verlassen sind. Sylke Merbold
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