Mächtig swingende Eleganz Ornette Colemans komplette Aufnahmen für Atlantic

Ornette Coleman ist unter den Pionieren des Free Jazz derjenige, dem damals die meiste Aufmerksamkeit zuteil wurde. Seine Spielweise bot wohl auch eher einen Einstieg in die Idee des (möglichst) absprachefreien gemeinsamen Improvisierens als etwa die Musik Cecil Taylors, und er hatte zudem das Glück, zwischen 1958 und 1962 immer wieder Aufnahmen machen zu können, anhand derer sich seine Entwicklung sehr gut studieren lässt.

Am Anfang stehen „Something Else!!“ (Feb. – März 1958/ OJC 20 163-2) und die Live-Aufnahmen aus dem Hillcrest Club in Los Angeles (Okt.1958/Musidisc 500 542),wo er rhythmisch noch sehr Bop-beeinflusst spielt, aber mit den Harmonien der Pianisten kämpft (musikalisch durchaus reizvoll, was nicht ironisch gemeint ist), am Schluss die Trio-LP aus der New Yorker Town Hall (Dez.1962/ESP 1006), bei der alle Bindungen an frühere Jazzstile gelöst sind – bis auf die klanglichen. Dazwischen liegen die 57 Titel auf Atlantic, deren beste durchaus zu den großen Werken des Combo-Jazz gehören, so etwa „Chronology“, „Peace“, „Congeniality“, „Lonely Woman“, „Una Muy Bonita“ und „The face of the bass“. Bestechend auch die Themen selbst – schade, dass keines von ihnen zu einem Standard wurde (eine behutsame Harmonisierung wäre eine reizvolle Aufgabe). Nicht vergessen seien die außergewöhnlichen Mitmusiker: Don Cherry, der Ornette Coleman nicht nachsteht (hat er damals eigentlich keine Themen geschrieben?);Charlie Haden, mächtig swingend; Scott La Faro, elegant-virtuos; Billy Higgins, dynamisch federnd; Ed Blackwell, robust und sparsam. Die beiden takes von „Free Jazz“ mit Golemans und Dolphys Gruppen sind auch heute noch schwere Kost, wenn man jede Linie verfolgen will – man sollte sie nur einzeln mit Pausen vorher und nachher hören.

Zwei Stücke zum Schluss von Gunther Schuller zeigen Ornette Coleman in anderen Zusammenhängen und man bedauert, dass Gil Evans, George Russel oder Matthias Ruegg nie für ihn geschrieben haben. Wer den Free Jazz näher kennen lernen will, kommt an dieser Box nicht vorbei.

Joe Viera

Plattentip

Ornette Coleman:
Beauty is a rare thing/The Complete Atlantic Recordings
Atlantic Jazz Gallery/Rhino R 2 71410 (6 CDs)