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Mittlerweile bieten viele Labels klassische Jazz-Alben im Digi-Pack zum Midprice an. Bekannte Reihen dieser Art sind die OJC20-Serie der Original Jazz Classics und die Verve Master Series. Auch Atlantic brachte unlängst zum 50. Jahrestag des Labels eine solche Serie heraus: Atlantic Original Sound heraus. Nun erscheint bei Warner Jazz eine ähnliche Serie, strenggenommen sind es drei Serien: Atlantic Masters, Warner Bros. Masters und Elektra Masters. 30 Alben der 60er-, 70er- und frühen 80er-Jahre liegen bereits vor. Ein gewisser Schwerpunkt liegt auf Jazzrock, doch das von Modern Jazz über Bossa bis Fusion reichende stilistische Spektrum ist breit. Für die Re-issues wurden die ursprünglichen Analog-Bänder remastert. Die Fertigung der CDs ist gut. Allerdings ist das groovige Soul-Jazz-Album Double Barreled Soul von Brother Jack McDuff und David Fathead Newman zumindest leider bei meinem Exemplar mit einem massiven Pressfehler behaftet. Vorher Hören ist die Mutter der CD-Kiste. Die Liner Notes stammen aus den Originalveröffentlichungen, in vereinzelten Fällen sind sie neueren Datums. Ein Schönheitsfehler der Serie ist das Fehlen des Aufnahmedatums auf vielen, das Fehlen der Besetzungsangaben auf einigen der Alben. Nicht alles in diesen Serien ist Jazz. Dee Dee Bridgewater, heute eine Jazz-Diva, hatte sich im Verlauf der 70er-Jahre recht weit vom Jazz entfernt. Bad For Me aus dem Jahr 1979 ist, wenn man kommerzielle Maßstäbe anlegt, gar nicht so bad, nur eben kein Jazz mehr: Soul & Funk. Betrachten wir nun ein Kultalbum und einen vergessenen Schatz näher: Wie wirkt Tutu, 15 Jahre nach seiner Entstehung, 10 Jahre nach Miles Davis Tod auf uns Heutige? Als der Trompeter mit dem unwiderstehlichen harmon-mute-Sound sein erstes Album für Warner einspielte, ging er nicht mit der Band ins Studio, sondern er ließ jede Stimme einzeln aufnehmen. Es war ja auch ein Pop-Album, keine Jazzplatte, bei der es in weit stärkerem Maße darauf ankäme, dass die Musiker spontan interagieren können. Letztlich war es trotz Mitwirkung von Größen wie George Duke und Michal Urbaniak ohnehin fast ein Duo mit dem Tausendsassa Marcus Miller. Als Komponist und Arrangeur raffiniert cooler Sätze, die so verflixt einfach wirken, Mitspieler, Produzent und unversiegbare Inspirationsquelle schuf er den Hintergrund, vor der sich die gedämpfte Trompete des Miles Davis einsam-verhangen abhob. Mit diesen Soundscapes prägte er das Bild des 80er-Jahre-Miles, wie Gil Evans den des 50er-Jahre-Davis. So professionell Miller auch zuwege ging, die zeitlose Klassizität früher Davis-Alben vermisst man bei Tutu heute. Das liegt zum einen an der Liebe zur damals (!) neuesten Technik. Zum einen musizierte Miles Davis mit maschinellen Imitationen von Instrumenten, für die er früher immerhin Saxophonisten wie Rollins und Coltrane, Drummer wie Jones oder Williams herangezogen hatte: Programmierte Schlagzeug-Pattern und Pseudo-Saxophon-Spiel vom Synthi klingen wie eine überflüssig sterile Dreingabe und manche wabernde Sounds wirken heute sogar unfreiwillig komisch wie ein Science Fiction aus der Zeit vor der ersten Mondlandung. The Sheriff aus dem Jahr 1963 ist ein angenehm swingendes und ausgewogenes Album, wenn auch kein Meilenstein im Repertoire des Modern Jazz Quartet. Weil Bossa Nova gerade in war, finden sich viele Referenzen an die brasilianische Musik, so Manha de Caranval des heuer verstorbenen Luiz Bonfa. Mit Heitor Villa-Lobos, einem Komponisten der musica erudita, teilt John Lewis die Verehrung für Johann Sebastian Bach. Lewis Bearbeitung der Bachianas Brasilieras Nr. 5 geriet respektvoll und innig. Von den vier John-Lewis-Kompositionen des Albums sollte keiner ein Standard oder auch nur ein Dauerbrenner im Repertoire des MJQ werden. Der erste Ton des Albums gleicht einem Schuss, von Sheriff John Lewis abgefeuert. Aufgeschreckt flüchtet Milt Jackson davon. Ob sie da ihr Verhältnis zueinander persifliert haben? Der gestrenge, gelehrte Lewis, der die musikalischen Gestze des Quartetts vorgab, und der flüssige, einfach drauflos swingende Vollblutmusikant Bags. Weitere Höhepunkte der Serie: The Genius Sings The Blues und Hallelujah I Love Her so sind zwei klassische Soul-Alben von Ray Charles, während The Genius After Hours ausnahmsweise ein reines Jazz-Combo-Album des blinden Pianisten darstellt. Zwischen den Blue-Note-Alben und der Headhaunters-Periode Herbie Hancocks liegt die spannende, weniger bekannte der Jahre 1969 bis 1971 mit den zukunftsweisenden Alben Fat Albert Rotunda, Mwandishi und Crossings. Weniger bedeutend, doch amüsant ist Hancocks Mitwirkung als Organist auf Dave Pikes Jazz for the Jet Set, ein Album bei dem Clark Terry gut zur Geltung kommt. Bill Evans spielte in seiner letzten Schaffensphase auf dem posthumen You Must Believe in Spring sowie den auf zwei Alben aufgeteilten Mitschnitten des Paris Concerts (Edition One und Two) sehr bewegend. Neben Crosswinds liegt Spectrum, das erste und vermutlich bis heute immer noch spannendste Album Billy Cobhams vor. Es ist seltenes, wenn nicht sogar seltsames Vergnügen einem Bassisten, noch dazu einem E-Bassisten als Hauptsolisten und Leiter einer BigBand zuzuhören, wie im Falle von Jaco Pastorius und der Word of Mouth Big Band (unter anderem mit Randy Brecker, Don Alias, Peter Erskine und Jon Faddis). Die CD-Ausgabe von Invitation war schon lange fällig. Marcus A. Woelfle
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