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Die Geschichte des Jazz zu filmen, dieses schier unmöglichen Unterfangens hat sich der Amerikaner Ken Burns angenommen und sorgt damit in den USA für erhebliche Aufregung. Für seine Dokumentation, die unter dem schlichten Titel Jazz derzeit auf dem amerikanischen Sender PBS läuft, hat der Filmer einen enormen Aufwand betrieben: 75 Interviews, 2.500 Fotografien, über 2.000 Filmausschnitte und 500 Musikstücke sind zu siebzehneinhalb Stunden Fernsehen verdichtet worden. Die Times nennt Jazz great television about great music und zieht zum Beweise ein Zitat von Duke Ellington heran: If it sounds good, it is good. Andere hingegen werfen Burns schwere Versäumnisse vor, er habe einen einseitigen Blick und sei in seiner Darstellung nicht frei von Rassismus.
Ken Burns ist ein gefeierter Dokumentarfilmer, vor allem wegen seiner zwei Epen über den Bürgerkrieg und den Baseball, in denen er nicht weniger als ein Bild seines Landes entwarf. Jazz soll nun den Abschluss seiner Amerika-Trilogie bilden und stellt daher die gleichen Themen von Identität und Individualität, von Rasse und Demokratie ins Zentrum. Dabei wird Jazz von Burns als eine originär schwarze Musik begriffen, dessen Lichtgestalten vor allem Duke Ellington und Louis Armstrong sind und die mit John Coltrane und Ornette Coleman endet. Die Jahre 1935 bis 1939 nehmen, so das Magazin Slate in seiner Kritik, zweimal soviel Zeit ein, wie die letzten 40 Jahre des 20. Jahrhunderts, die knapp in der letzen der zehn Folgen abgehandelt werden. Der Vorwurf greift aber weiter. Denn der Film beschränke sich absichtlich auf die Zeit bis zu den 60ern, um sein Bild einer rein schwarzen, dabei zugleich zutiefst amerikanischen Musik entwickeln zu können. So lassen sich selbst bei der Auswahl der Musiker rassistische Muster bemerken, alle Nichtschwarzen würden nur eine Rolle am Rande spielen und seien häufig klischeehaft gezeichnet. Das gelte vor allem für die jüdischen Musiker wie Artie Shaw oder Benny Goodman, die der Film als übermäßig ehrgeizig und nachgerade obsessiv materialistisch darstelle. Der Grund sei, so Slate, in einer Person zu suchen: Wynton Marsalis, allseits als neokonservativer Hüter des wahren Jazz bekannt, der die Dokumentation, bei der er als Berater und Kommentator fungierte, für seine Sicht der Geschichte benutze. Marsalis wolle mittels des Jazz als eine singulär amerikanische Hervorbringung Schwarzen eine neue, kraftvolle Identität ermöglichen. The Atlantic Monthly (AM) schwächt den Vorwurf etwas ab. Wynton Marsalis, der im Film als Televangelist auftrete, als Retter der Musik aus den zerstörerischen Händen der Avantgardisten, sei nicht rassistisch, sondern habe vor allem etwas gegen Musiker, die europäische Einflüsse in den Jazz tragen. Die wichtigsten Impulse, die die Musik in den letzten Jahren zu einer Renaissance geführt haben, würden daher völlig ausgeblendet. AM wirft dem Film neben der einseitigen Musikerauswahl aber vor allem inhaltliche und handwerkliche Mängel vor, die zu einer Geschichtsverfälschung führen. So spreche, als ein Beispiel, W. Marsalis über den halbmythischen Kornettisten Buddy Bolden, der das Persönliche in die Musik gebracht habe. Von Bolden existiert keine einzigeTonaufnahmen, zudem ist er 1907 zum letzten Mal aufgetreten, Marsalis könne also nichts über ihn wissen. Dennoch wird im Film die Sequenz mit Musik unterlegt, der Eindruck entstehe, es wäre eine Aufnahme von Bolden, obgleich es Marsalis selbst ist. Zu solchen Schwächen kommen eine Unzahl von belanglosen Privatgeschichten hinzu, denen der Film zuviel Raum gibt. Doch auch The Atlantic Monthly kommt zum Schluss, daß der Film schönes Fernsehen und für den Jazz nur gut sei, vor allem weil er eine hohe Aufmerksamkeit für die Musik schaffe. Aus europäischer Sicht allerdings ist es mehr als schade, dass der alte Streit, wer nun den echten und wahren Jazz spiele, wieder aufbricht. Denn Jazz ist keine Ideologie, sondern in erster Linie eine Art des Musizierens, die mehr als andere von der Persönlichkeit des Einzelnen geprägt ist. Gabriel Fehrenbach infoKen Burns Film wird in den USA auf DVD vertrieben und ließe sich daher auch hier per Import beziehen. Wegen der Länderbeschränkung bei der DVD-Technik lassen sich die DVDs auf hiesigen Geräten allerdings nicht abspielen. Das Gleiche gilt für die VHS-Version. Allerdings gibt es eine Reihe von CDs zur Serie, die auch hier erhältlich sind.
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