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 2001/04

 seite 13
 jazz heute

 

Inhaltsverzeichnis Jazzzeitung 04/2001


Inhalt 2001/04

standards
Editorial
News
Fortbildung
Briefe an die Redaktion
Glossar: Revival

berichte
Marsalis und das Lincoln Center Jazz Orchestra in der Philharmonie
Jazz Masters im Birdland
Conny Bauer mit ungewohnten Klängen beim Jazz-Zirkel in Weiden

jazz heute
Der Marsalis-Faktor
Amerika debattiert über Jazz-Musik
Jazz-Botschafter
Die Marc Secara Group spielte in Teheran
Break (von Joe Viera)

jubilee - portrait
Der Klarinettist Jimmy Giuffre wird achtzig
Bill Ramsey wird siebzig
Festivals
Eine Übersicht: Jazz-Festivals im April
Stadtportrait
Ein Report aus der Donau-Doppelstadt Ulm und Neu-Ulm

play back.
Warner Jazz Classics: Legendäre Alben im Digipack
Werkschau
John Scofield swingt wieder

education
Einstieg ins Leben als Profi
Die private Berufsfachschule music college in Regensburg

dossier
JAZZKLICK
Ausstellung des Jazzfotografen Michael Scheiner in Ulm

medien/service
Listen with your Eyes
Julian Benedikt und der Jazzfilm
Charts
Link-Tipps
Rezensionen 2001/04
Service-Pack 2001/04 als pdf-Datei (kurz, aber wichtig; Clubadressen, Kalender, Jazz in Radio & TV, Jazz in Bayern und anderswo (372 kb))

 

Jazz-Botschafter

Die Marc Secara Group spielte in Teheran

Erst vor wenigen Wochen besuchte Bundestagspräsident Wolfgang Thierse Staatspräsident Mohammad Khatami in Teheran. Sein Besuch war ein deutliches Zeichen für den Wunsch der Bundesregierung, die Beziehungen zu den liberalen Kräften im Iran trotz der Vorkommnisse um die Inhaftierung und Folterung von iranischen Teilnehmern einer Konferenez der Heinrich-Böll-Stiftung in Berlin aufrecht zu erhalten. Wie groß der Wunsch nach Liberalisierung in der iranischen Gesellschaft und auch im dortigen kulturellen Leben ist, zeigt ein eindrücklicher, leicht gekürzter Reisebericht von Marc Secara, der mit seiner Band (Marc Secara, Gesang; Patrick Braun, Saxophon, Querflöte; Claus Dieter Bandorf, Piano; Ralph Graessler, Bass; Jens Dohle, Schlagzeug; Markus Fritzsch, Tonmeister) im Februar 2001 in der iranischen Hauptstadt Teheran gastierte.

Schauplatz des Festivals: die Teheraner „Vahdat“-Halle.
F oto: Secara

Einmal im Jahr findet in Teheran das wichtigste musikalische Großereignis des Landes, das sogenannte „Fadschr (Sieg-) Festival“, statt. Man feiert die Rückkehr des großen Revolutionärs Ajatollah Khomeini aus dem Exil vor 22 Jahren. Nachdem im vergangenen Jahr schon ein deutsches Stubenmusiktrio zu Gast war, sollte nun erstmals seit 1979 wieder eine Jazzformation im Land auftreten. Das war die Idee und das ehrgeizige Projekt der Kulturreferenten der Deutschen Botschaft in Teheran, Dietrich Bettermann und Patrick Heinz. In enger Zusammenarbeit mit der Verbindungsstelle für Internationale Beziehungen des Deutschen Musikrats und des Auswärtigen Amtes wurden alle Weichen für ein Gelingen der Konzertreise gestellt.

Bevor die Marc Secara Group jedoch auf die Bühne der „Vahdat“-Halle durfte, standen noch Konzerte vor leitenden Mitarbeitern des Religions- und Kulturministeriums bevor. Das Risiko für die Veranstalter ist groß. So groß, erklärte uns ein Botschaftsangestellter, dass der Arbeitsplatz noch das Geringste ist, was der Betreffende im Falle eines Skandals verliert. Hier stehen hohe Gefängnisstrafen und Verbannung als Strafmaßnahmen auf der Tagesordnung.

Das Vorspiel fand in einem Nebensaal der „Vahdat“-Halle in Teheran statt. Im Publikum saßen etwa fünfzehn Menschen aus verschiedenen Bereichen der Iranischen Kultur- und Religionsministerien. Auch Kamerateams filmten jede unserer Bewegungen. Verwundert stellten wir fest, dass die Verantwortlichen ständig mit ihren Handys telefonierten. Wie uns erklärt wurde, wurde unser Vorspiel per Telefon zu ranghöheren Mitarbeitern und Mullahs „übertragen“. Unser Konzert war lange vorher ausverkauft gewesen. Vor der Halle spielten sich tumultartige Szenen ab. Soldaten bewachten die Menschenmassen, die noch ein Ticket ergattern wollten. Kurz vor Beginn des Konzertes bekamen wir Besuch der Veranstalter und Zensoren. „You need to make exercise...“ lautete die Ansage eines Verantwortlichen. Es begann unangekündigt das zweite Probevorspiel in der Umkleidekabine. Hektisch wurden die englischen Liedtexte ins Persische übersetzt und den Verantwortlichen vorgelegt.
Nun waren auch wir beunruhigt, und die gesamte Szenerie strahlte eine unglaubliche Hektik und Nervosität aus. Nun fielen auch die Entscheidungen, die wir gefürchtet hatten: Kompositionen und Texte wurden uns verboten. Problematisch waren vor allem Texte die von Liebe und von Frauen handeln. Das Wort „kiss“ (Kuss) musste aus allen Texten entfernt und durch etwas Ähnliches ersetzt werden. Alles drohte nun zu kippen, und auch die Kulturreferenten der Deutschen Botschaft waren besorgt, dass in letzter Minute nun doch alle Mühen zunichte gemacht werden könnten.

Schlussendlich hatten wir die Genehmigung, wenn auch mit Einschränkungen, für unseren Auftritt erhalten. Im Anschluss an ein italienisches Folklorequintett betraten wir die Bühne. Was folgte, sind Szenen, die wir wohl alle niemals vergessen werden. Die Menschen brachen nach jedem unserer Stücke in wahre Begeisterungsstürme aus und am Ende unseres Konzertes erhielten wir Standing Ovations der ganzen Halle.

Der politische Wert dieser Gastspielreise wurde uns erst aus Sicht einiger Iraner völlig erschlossen. „Noch vor zwei Jahren wären diese Konzerte undenkbar gewesen... Alle die damit in Verbindung gebracht worden wären, wären im Gefängnis gelandet“, berichtete uns eine junge Frau. „Mit diesen Konzerten wurde eine Tür aufgestoßen, die sich nicht mehr schließen lässt...“, so ein Mann mittleren Alters.

Marc Secara

 

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