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Um in unruhigen Gewässern zu schippern, ist ein souveräner Kapitän erforderlich. Für Zeitgenossen des Jazz ist der Kurs nicht immer eindeutig zu bestimmen.
Saxophonstar Branford Marsalis kreuzt mit seinem Schiff Contemporary Jazz und seiner Mannschaft in Regionen, in der gelegentlich die Strömungen Hard Bop, Modern, Free, Soul & Blues sowie Rockjazz überschwappen. Gewollt allerdings, denn die Band schert sich nicht um irgendwelche Konventionen. Vor allem der Schlagzeuger Jeff Watts dominiert und überlagert mit seinen geschickt gesetzten Verzögerungen der beats oder polyrhythmischen Gegenbewegungen etwa In The Crease das Geschehen. Da haben es die anderen nicht immer leicht, sich durchzusetzen. Doch im Requiem erkundet Joey Calderazzo am Piano sensitiv das akkordische Umfeld dieser seelenvollen Ballade, und Marsalis verkneift sich ein lästiges Vibrato, wodurch der Ton des Saxes gerundet und weich wird, ohne aufdringlich zu sein. Sonst wäre Kitsch entstanden. Mit rasch wechselnden Stilmitteln des Free- und Rock-Jazz im witzigen Two-Beat geht die Fahrt schließlich ins Elysium, wo Marsalis seine Qualitäten als großartiger Improvisator zeigt, indem er ausgiebig seine Gedanken in stimmigen Phrasen entwickelt. Eric Revis am Bass bleibt sonor zu sehr im Hintergrund, obwohl er bei Tain Mutiny im Arrangement besser beachtet ist, weil er mit dem Piano eine Einheit bildet. Aber erst im eigenen Stück Ayana, das zwei Haupttempi hat (medium und schnell) und voller Soul und Funk ist, kommen die Basslagen besser zur Geltung. So hat Marsalis mit gereiftem Blick für wesentliche Merkmale des Jazz Bewährtes und dessen Ausfransungen an den Zeit- und Stilrändern integriert. Er scheut zwar hohe Risiken, doch dem Kitzel der Grenzüberschreitungen kann auch er nicht widerstehen. Deshalb muss sich niemand erschrecken, wenn manche Coltranesken Krächzer und Seufzer sich in Marsalis Tönen einmischen oder Jeff Watts für Momente nur den Puls übrig lässt. Branford Marsalis Konzept von Contemporary Jazz resümiert die letzten Jahre, es ist eine Art Quintessenz, in der Innovation mit genauer Beachtung des Kompasses erreicht wird. Die Band ist einfach großartig. Hans-Dieter Grünefeld CD-TippBranford Marsalis: Contemporary Jazz; Columbia CK 63850, Sony
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