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 2001/01

 seite 12
 jazz heute

 

Inhaltsverzeichnis Jazzzeitung 01/2001


Inhalt 01/2001

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Education: Nürnbergs neuer Hochschulstudiengang
Glossar: Oldtime Jazz

titel / jubilee
Der Pianist Jens Thomas
Joe Haider wird 65

jazz heute
Der Jazzer und der DJ
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Charlie Mariano Trio im „Leeren Beutel“

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Vier Takte...

Der Jazzer und der DJ


Gut, dass Agnes HipHop hört. Agnes, 16, ist die Nichte des Münchner Jazzgeigers Hannes Beckmann (50). Vor kurzem rief sie ihren Onkel an und machte ihn darauf aufmerksam, dass ein Stück von ihm in den Charts sei. Der konnte sich darüber aber nicht sonderlich freuen, denn der Interpret des Hits war nicht er selbst, sondern der Berliner Jungstar DJ Tomekk (22).

Entdeckte HipHop eher unfreiwillig: Hannes Beckmann. Foto: G. Lutz

Und auf dessen Single-CD „Ich lebe für HipHop“, die sich innerhalb weniger Wochen 160.000 Mal verkaufte, tauchte auch Beckmanns Name nicht auf – obwohl der Jazzer felsenfest überzeugt ist, dass sich der DJ per Sampling bei ihm bedient habe, genauer: Aus dem Latin-Stück „Outra Vez“ von der LP „Sonho Negro“, die Beckmann mit seiner Gruppe 1978 aufnahm. Um vier Takte geht es dabei. Aber vier Takte – vor allem, wenn sie, vielfach wiederholt, die Grundsubstanz eines Stücks bilden – können es manchmal in sich haben. Und die Meinungen von Fachleuten darüber, ob sie urheberrechtlich zu schützen seien, gehen gerade bei so kurzen Abschnitten auseinander – was diesen Fall besonders interessant macht. Ein nach oben führender gebrochener d-Moll-Dreiklang in Achtelnoten mündet in Beckmanns Stück zu einem darunter liegenden Cis und nach einer Wiederholung in einem darüber liegenden B. Alles jeweils in kantigen Oktav-Parallelen auf dem Klavier gespielt. Wer die CD von DJ Tomekk hört, hat schnell ein Aha-Erlebnis: Dort zieht sich offenbar die gleiche Figur wie ein roter Faden durch vier verschiedene Mixe eines Stücks, selbe Tonart (auf minimal höherer Frequenz), selber Klangcharakter, nur ein paar Überleitungs-Töne fehlen. Inzwischen haben sich drei Gutachter mit den beiden Aufnahmen befasst – und kommen zu unterschiedlichen Ergebnissen. Einer von ihnen ist Christian Bruhn, Komponist unter anderem des Schlagers „Marmor, Stein und Eisen bricht“ und Vorsitzender des GEMA-Aufsichtsrates. Für ihn ist es keine Frage, dass das Thema des Jazzstückes hier „(unter Weglassung von fünf Neben-Noten) ungenehmigt übernommen“ wurde. Auch Jörg Evers von der Eversongs GmbH in Unterföhring findet, dass „zwischen beiden Songs eine unverkennbar gemeinsame Charakteristik besteht.“ Der von BMG hinzu gezogenen Sachverständige Wolfram Sauter hingegen meint, dass trotz „inhaltlicher Ähnlichkeit“ keine Urheberrechts-Verletzung vorliegt, da „der übernommene Werkteil für sich genommen nicht schutzfähig“ sei.

Hier wird die Sache für jeden Musiker spannend. Denn Sauter beruft sich auf die sogenannte „kleine Münze“. Damit sind laut einem Urteil des Oberlandesgerichts München vom 20. Mai 1999 (29 U 3512/96) „einfache, aber gerade noch geschützte geistige Schöpfungen“ gemeint. Es reicht aus, dass die „formgebende Tätigkeit des Komponisten – wie in der Schlagermusik regelmäßig – nur einen geringen Schöpfungsgrad aufweist.“ Nicht geschützt sei jedoch die „rein handwerkliche Tätigkeit, die kein geistiges Schaffen ist, und alle gemeinfreien Elemente“, also „formale Gestaltungselemente, die auf den Lehren von Harmonik, Rhythmik und Melodik beruhen“. Vereinfacht gesagt: Alles, was sich als musikalische Allerweltsfloskel identifizieren lässt, unterliegt nicht dem Urheberrecht. Das kann eine gängige Akkordfolge sein, eine standardisierte Begleitfigur, eine einfache melodische Wendung. DJ Tomekk und seine Vertreter sind bei den vier Takten des Anstoßes der Meinung, dass es sich um eine solche Allerweltsfloskel handelt: eine, die zumindest jeder Latin-Freak in den Fingern habe. Beckmann und Christian Bruhn setzen dagegen, dass dafür die Ähnlichkeiten im Detail zu markant sind. Wie auch immer: Einen Prozess hat Hannes Beckmann, obwohl er es ursprünglich vorhatte, nicht angestrengt, weil sich mittlerweile eine andere Lösungsmöglichkeit abzeichnet. Er habe DJ Tomekk inzwischen getroffen , und der liebäugele damit, Beckmann bei seiner nächsten Produktion einzubeziehen. Für den Jazzer keine schlechte Perspektive, wenn man die Verkaufszahlen seiner eigenen Platten gegen die des DJ hält („Sonho Negro“, jetzt übrigens bei dem Label Spinning Wheel als CD wiederveröffentlicht, verkaufte sich damals rund 8.000 Mal, was für den Jazz schon sehr viel war.) Der Vorschlag – sofern ihn Tomekk ernst meint – erinnert stark an die veränderten Gepflogenheiten der HipHop-Gruppe „Da la Soul“: Nach Prozessen, bei denen sie und andere Stars des Genres den Kürzeren zogen, hat sich De La Soul angewöhnt, mit Musikern, von denen sie gern eine Passage sampeln würden, zusammenzuarbeiten. Das Neu-Einspielen gewünschter Stellen komme billiger, als die Rechte für Samples abzuklären. Und ein DJ erspart sich auf diese Art viel Ärger für den Fall, dass ein eventuell beklauter Musiker eine Nichte hat, die HipHop hört.

Roland Spiegel


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