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Jazzzeitung

2008/03  ::: seite 17

rezensionen

 

Inhalt 2008/03

Inhaltsverzeichnis

STANDARDS

Editorial / break / Nachrichten aus der Jazzszene / kurz, aber wichtig / Die Abenteuer des Werner Steinmälzl, Teil 3


TITEL -
Young lions, old cats
Aktuelle Entwicklungen im deutsch-amerikanischen Jazz-Zirkus


DOSSIER
- Jazzfestivals im Sommer (als pdf)

Berichte
50 Jahre Birdland Jazzclub in Neuburg an der Donau // Impressionen vom 23. INNtöne-Festival // Die soziale Funktion von Musik in Schulprojekten als Thema der „jazzahead!“ // 37. Moers-Festival


Portraits

Die nigerianische Sängerin Asa // Das Bundesjugendjazzorchester feierte Geburtstag // Wolfgang Haffner mit neuer Live-CD // Lee Konitz im Portrait // Pat Metheny im Interview // Titus Waldenfels // Jamie Wong-Li // …


Jazz heute und Education
Wolfram Knauer organisierte Podiumsdikussion in New York // Das Konzertprogramm der BMW-Welt in München // ...

… und mehr im Inhaltsverzeichnis

 

Eine Legende auf dem Weg begleiten

Englischsprachige Bücher über Barry Martyn, Armstrong und die Fifties

Gene H. Anderson: The Original lot Five Recordings of Louis Armstrong (mit einer CD), Pendragon Press Hillsdale, New York, 258 Seiten

Wer Louis Armstrong nur von „What a wonderful world“ oder „Hello Dolly“ her kennt, kennt ihn eigentlich gar nicht. Gewiss drückt sich seine Persönlichkeit auch in diesen beiden Songs aus, doch verraten sie nichts darüber, dass und warum Louis Armstrong als Kornettist/Trompeter das erste Genie der Jazzgeschichte war.
Dazu muss man sich die rund 90 Aufnahmen anhören, die Armstrong mit seinen beiden Hot Fives und seiner Hot Seven zwischen 1925 und 1928 aufgenommen hat (eine Reihe von ihnen unter anderen Bandnamen). Da sprühte er nur so vor Ideen; eine unbändige Kraft trieb ihn vorwärts, was sich auch spürbar auf seine Mitmusiker übertrug. Alles, was er spielte, war wie aus einem Guss, wobei er immer wieder auch Risiken einging. Es glückte ihm nicht alles, aber wie er damit zurechtkam, das ist spannend und aufschlussreich zugleich. Er betrat damals als Erster im Jazz eine Ebene hoher künstlerischer Meisterschaft, von deren Existenz man zuvor nichts ahnte. In Phrasierung und harmonischer Ausgestaltung war er allen anderen um gute zehn Jahre voraus; nur von Charlie Parker ließ sich später Ähnliches sagen.

Der Autor, Professor an der University of Richmond, konzentriert sich auf die 33 Aufnahmen der ersten Hot Five zwischen 1925 und 1927 (ein weiterer Titel blieb unveröffentlicht) und analysiert sie bis ins Detail anhand zahlreicher Transkriptionen. 20 davon sind auf einer beigefügten CD enthalten, leider aber klanglich sehr unbefriedigend (viel zu viele Höhen – man besorgt sich besser die Gesamtausgabe auf SONY). Dazu sind die erhaltenen Copyright Deposits der Themen der Bandmitglieder abgedruckt (Noten, meist wohl erst hinterher erstellt, die zur Bestätigung der Urheberschaft an das Copyright Office in Washington geschickt wurden). Sie werden immer wieder mit den Aufnahmen verglichen.

Nicht alle Titel sind Meisterwerke wie „Cornet Chop Suey“, „Skid-Dat-De-­Dat“, „Struttin‘ with some barbecue“ und „Hotter than that“. Aber überall gibt es tief berührende Instrumentalklänge und mitreißende Rhythmen, dramatische Passagen (vor allem auch in den zahlreichen breaks) und bemerkenswerte Einfälle der drei Bläser.

Hoffentlich denkt der Verlag an weitere Untersuchungen dieser Art. Dafür bieten sich in den 20er-Jahren vor allem King Oliver‘s Creole Jazz Band, Jelly Roll Morton‘s Red Hot Peppers und das frühe Ellington Orchester an.

Gordon Jack: Fifties Jazz Talk - An oral retrospective The Scarecrow Press Inc./USA, 241 Seiten

Wer da glaubt, er wisse schon alles über den Jazz der 50er-Jahre in den USA, der lese diese Interviews mit 30 Musikern, die damals aktiv waren, von A wie Allison (Mose) bis W wie Woods (Phil). Einige sind darunter, über die viel zu wenig bekannt ist, wie Gene Allen (Baritonsaxophon), Chuck Berghofer (Bass), Corky Hale (Harfe, Klavier), Hod O‘Brian (Klavier) und Phil Urso (Tenorsaxophon). Besonders wertvoll auch das Kapitel über die Bassisten und Schlagzeuger des ersten Gerry Mulligan Quartetts. Zudem erinnern manche der Interviewten noch an andere, die nicht in Vergessenheit geraten sollten, wie Dave Schildkraut, Gene Quill und Joe Albany und an einige, die sehr gut spielten, aber nie bekannt wurden, wie Ziggy Vines und Steve White (beide Tenorsaxophon). Ein großes Lob dem Autor für dieses hochinformative Buch! Oral history ist gerade im Jazz, wo es oft an schriftlichen Quellen fehlt, unentbehrlich.

Natürlich gibt es noch Dutzende anderer Musiker, die ebenfalls zu diesem Jahrzehnt befragt werden sollten – wobei Europa nicht vergessen werden darf. Die Literatur über die Jazzgeschichte weist immer noch große Lücken auf.

Mick Burns: Walking with legends - Barry Martyn‘s New Orleans Jazz Odyssey, Louisiana State University Press Baton Rouge, 138 Seiten
Die Liebe zum New Orleans Jazz ist etwas, das heutzutage viele Jazzfans, vor allem jüngere, nicht recht verstehen. Dabei war diese erste Form von Jazz gleich ein Höhepunkt, nicht etwa nur eine Art Vorform von Späterem, Höherem, und sie brachte mit Louis Armstrong auch das erste Genie des Jazz hervor.

Der englische Schlagzeuger Barry Martyn erlag, wie so viele seiner Landsleute, der Faszination dieser Musik. Geboren am 23. Februar 1941 in London, hatte er schon mit 15 Jahren eine eigene Band. 1960, mit 19 Jahren, ging er über Kanada erstmals nach New Orleans und nahm Unterricht bei Cy Frazier, der 1927 als Mitglied von Oscar Celestins Band seine ersten Aufnahmen gemacht hatte. Und er lernte den Jazzhistoriker Bill Russell kennen, dessen „American Music“-Label heute über 100 CDs mit New Orleans Jazz umfasst. 1962 kehrte Barry nach England zurück. 1963 war er wieder in New Orleans und wurde Mitglied der schwarzen lokalen Sektion (!) der amerikanischen Musikergewerkschaft, was ihm eine telefonische Drohung des Ku-Klux-Klan einbrachte (es passierte aber weiter nichts). In den folgenden Jahren organisierte er in England Tourneen von New Orleans-Musikern mit seiner eigenen Band. 1972 zog er nach Los Angeles und gründete ein Jahr später die „Legends of Jazz“, eine Gruppe der damals besten Musiker aus New Orleans, in der er – mit Abstand das jüngste Mitglied – Schlagzeug spielte (ihr Auftritt 1974 bei der Internationalen Jazz-Woche Burghausen war ein unvergesslicher Höhepunkt in der jetzt 38-jährigen Geschichte dieses Festivals).

1984 übersiedelte Barry endgültig nach New Orleans. Er spielte regelmäßig mit verschiedenen Besetzungen, machte viele Tonband-Interviews mit Musikern und arbeitete für G.H. Bucks „GHB“-Label. Zwischendurch kam er immer wieder nach Europa für Auftritte zurück.

Mike Burns lässt ihn seine Lebensgeschichte selbst erzählen: ungemein lebendig, spannend, dem für viele Jazzmusiker so typischen trockenen Humor. Dabei kommt sein Schlagzeugspiel zu kurz. Er beherrscht die New Orleans-Stilistik wie nur wenige Europäer.

Joe Viera

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