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Schlägt man heute ein Jazzfachmagazin auf, dann kann es einem passieren, dass man es versehentlich wieder beiseite legt, weil man glaubt, eine neue Ausgabe von „Der Feinschmecker“ in der Hand zu halten. Da kocht Posaunist Nils Wogram in einem Blatt deutscher Herkunft Schweizer Küche und ein österreichischer Mitbewerber hat eine eigene Jazz-Weinedition aufgelegt. Jazz und Kulinarik, das ist der Trend 2008. Nach vielen Jahren bei Hausmannskost im Bierkeller, tut dem Jazz ein bisschen Lifestyle keinen Abbruch.
Doch gibt es einen eklatanten Unterschied zwischen inszeniertem Lifestyle aus der Marketingkochküche und erlebter, lebendiger Musik. Echter Jazz, Jazz mit Seele wird seit vielen Jahren auf dem Bauernhof von Paul Zauner im österreichischen Sauwald nahe dem Inn „produziert“. Und wenn das Programmheft des 23. INNtöne-Festivals noch vor den Künstlern und deren Programmen den Chefkoch Rainer Macherthammer mit seiner Küche und den Weinen vorstellt, dann ist das keine PR-Masche, sondern eine ganz individuelle, die Zauner‘sche Variante sozusagen. Dies als kleines Intro, als ästhetische Visitenkarte eines kleinen,
aber sehr feinen Festivals, das jährlich über die Pfingstfeiertage
auf dem Buchmannshof in idyllischer Landschaft stattfindet. Jazz à la
carte gibt es hier nicht, die Programmfolge ist nicht austauschbar wie
bei manch anderem Festival und trägt unverkennbar Zauners Handschrift:
moderner, experimenteller Jazz mit offensichtlichen Roots in Blues, Soul,
Funk, alter Musik oder Folklore. Den virtuosen Pianisten Jean-Marie Machado
mit Folklore in Verbindung zu bringen, mag Kopfschütteln hervorrufen
und doch zelebriert er mit David Liebmann die Idee des Fado, des romantisch-expressiven
Volksliedes der Portugiesen. Das Duokonzert Machado/Liebmann war der
unumstrittene Höhepunkt der 16 Konzerte an drei Tagen. Noch ein Experte für packende Dramatik war der Pianist Yaron Herman. Sein Klaviertrio hatte schon 2005 auf dem INNtöne-Festival für Furore gesorgt – er wurde auch dieses Frühjahr gefeiert, gemeinsam mit seinem Gast, dem französischen Saxophonisten Émile Parisien. Ebenfalls Groove brachten die Band um den Bassisten Harvie S mit, oder auch die Jazzfolk-Gruppe Zamballarana aus Korsika. Moderner Jazz als Tanzmusik – für die Korsen war das kein Widerspruch. Etwas geschmäcklerisch dagegen die Eigenkompositionen von MTW & Zykado: Elemente aus alter Musik und Jazz wurden hier zu einem Eintopf verrührt, der weder mit Jazz noch mit Alter Musik zu tun hatte. Beim buntgemischten und offenherzigen Publikum kam die Mischung allerdings gut an. Überzeugender dagegen das Konzept des Barockgitarristen und Theorbe-Spielers Rolf Lislevand aus Norwegen. Harfe, Gitarre oder Clavichord ließen eine Atmosphäre von Renaissance und Barock entstehen – auch wenn wegen des fehlenden Nachhalls in der großen Holzscheune Verstärkung nötig war. Nicht vergessen werden soll die spezielle Art des Audience Development im Sauwald. Kinder gehörten einfach dazu, konnten den Jazz im Konzert und beim Soundcheck entdecken, oder im Sauwald auf Schatzsuche gehen. Bei den INNtönen wird Jazz zu etwas, das es immer wieder neu zu entdecken gilt – von Musikern wie vom Publikum. Andreas Kolb |
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