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Jazzzeitung
2008/03 ::: seite 4
portrait
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Der Jazzschlagzeuger Wolfgang Haffner ist immer wieder für eine Überraschung
gut. Feierte er vor gar nicht so langer Zeit große Erfolge mit
seinem Album „Shapes“, so legt er jetzt mit der im Trio mit
Lars Danielsson am Bass und Hubert Nuss am Piano eingespielten Live-CD „Acoustic
Shapes“ nach. Eine Scheibe, die balladesk, fast verhalten beginnt
und sich in ihrer Intensität von Stück zu Stück steigert.
Wie das Live-Album entstanden ist und welche Intention dahintersteckte,
beschreibt Wolfgang Haffner im Interview mit Carina Prange.
jazzzeitung: Wie kam es denn dazu, dass du mit dem Projekt „Acoustic
Shapes“ unterwegs warst?
Wolfgang Haffner: Ganz einfach! Ich bin bei der Jazznights-Tour für
Ida Sand eingesprungen. Das kam alles ziemlich kurzfristig und ich habe
am Telefon, als der Anruf kam, spontan gesagt: Ja, klar, ich mache „Acoustic
Shapes“. Das Projekt „Shapes“ war für mich eigentlich
abgeschlossen; wir hatten ja das letzte Konzert Ende Juli ‘07 in
Koblenz gespielt. Frag mich mal, warum ich „Acoustic
Shapes“ gesagt habe… das war total spontan! Nachdem ich aufgelegt
hatte, kam ich ins Grübeln: Wer soll da spielen, und, zunächst
noch wichtiger, wie soll das eigentlich klingen? Also habe ich mir gedacht,
lasse ich mal alles weg, was ich bei „Shapes“ dazugeschrieben
habe und gehe zum Ursprung der Stücke zurück. Ich fing an,
die Sachen noch entsprechend umzustellen, denn es wäre etwas fad
gewesen, einfach nur die Elektronik rauszuschmeissen…
jazzzeitung: Und warum ist es ein Live-Album
geworden? Ihr hättet
ja nach der Tour auch nochmal ins Studio gehen können…
Haffner: Die Konzerte während dieser Tour waren in jeder Hinsicht überwältigend.
Die Leute haben uns schon beim ersten Konzert sowas von ohne Ende abgefeiert,
dass wir nicht wussten, wie uns geschieht. Dabei hatte ich gedacht, wir
spielen jetzt diese Zehn-Tage-Tour, was hoffentlich ganz schön werden
würde, und das wär’s! Aber zwei Konzerte habe ich einfach
mal mitschneiden lassen. Darauf gekommen, dass es ein Live-Album sein
könnte, bin ich wegen der tonnenweise E-Mails – ob das auf
CD rauskommen würde. Oder wann. Also sagte ich mir, hörst du
dir das jetzt nochmal an …
Und dann war ich selbst von der Stimmung völlig überwältigt!
Das Schöne ist, du kannst bei einem Live-Mitschnitt nichts nachpolieren.
Ein Ton, der falsch ist, ist eben falsch und ein Schlag, der falsch gesetzt
ist, ist wo er ist. Passt aber! Passt für mich, weil ich mich bei
den ganzen Studio-Sessions so oft völlig verrückt gemacht habe – alles
bis zum kleinsten Huster rausgeschnitten, alles zehnmal auf die Goldwaage
gelegt. Das geht bei live einfach nicht, die Musik ist, wie sie in dem
Moment gespielt wurde…
jazzzeitung: Eine Frage, die woanders hinführt: wie bleibst du soundtechnisch „am
Puls der Zeit“?
Haffner: Am Puls der Zeit…!? Ich mache das, was mich bewegt. Ich
bekomme natürlich mit, was an neuer Musik so läuft. Aber eines
mache ich auf keinen Fall, nämlich auf irgendwelche Züge aufzuspringen.
House finde ich immer noch klasse; gute House-Tracks, Drum’n’Bass.
Ich bin deshalb kein House-Drummer, auch kein Drum’n’Bass-Drummer.
Aber ich borge mir Elemente, die mich ansprechen und baue die mit ein.
Nicht, um krampfhaft am Puls der Zeit zu bleiben. Ich find‘s nämlich
zum Kotzen, wenn Typen auf irgendwelche Züge aufspringen und die
Industrie schreit „Juchhu, das neue Super-Überflieger-Projekt!“ Interessiert
mich nicht. Denn ich habe meinen Sound mit Wiedererkennungswert, ich
arbeite ja tagtäglich damit.
Dass etwas „krampfhaft“ auf dem neuesten Stand ist, ist für
mich kein Zeichen guter Musik. Denn der neueste Stand von heute ist morgen
unter Umständen schon völlig veraltet. „Alt“ und „neu“ in
der Musik? Alles relativ: Wenn man Johann Sebastian Bach hört, das
ist heute so modern wie vor zweihundert Jahren, wird in hundert Jahren
noch modern sein. Und Musik, die vor fünf Jahren schon grausam langweilig
war, die wird auch in fünfzig Jahren noch grausam langweilig sein.
jazzzeitung: Worin liegt eigentlich deiner
Ansicht nach die Mission eines Musikers gegenüber den ihn umgebenden Menschen? Spielt die Vermittlung
von Werten und Botschaften oder eher der Unterhaltungsfaktor, das Weitergeben
von Stimmungen eine Rolle?
Haffner: Letzteres! Weitergeben von Stimmungen ist das,
worum es mir geht – ich möchte die Leute abholen und mit auf eine Reise
nehmen. Das schönste Kompliment ist, wenn jemand am Ende eines Abends
zu mir kommt und sagt: Das hat mich jetzt zwei Stunden lang aus meinem
Alltag rausgerissen. Und jetzt geht‘s mir gut!
Ich habe überhaupt keinerlei Ambitionen, Leuten irgendwas anderes
zu vermitteln. Ihnen gar eine politische Botschaft mitzugeben!
Musik ist für mich Unterhaltung. Das ist oft negativ belegt, wenn
man sagt, irgendwas „unterhält“. Aber ich finde, unterhalten
ist doch klasse! Niveauvolle Unterhaltung? Super!
CD-Tipp
Wolfgang Haffner: Acoustic Shapes
ACT 9468-2
www.wolfganghaffner.com
CD-Kritik siehe Seite 14!
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