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Louis Satchmo Armstrong:
Rétrospective 1923-1956 Manchmal gelingt Jazzkundigen das scheinbar Unmögliche, zum Beispiel das Schaffen eines für den Jazz, aber auch für die Popularmusik im Allgemeinen so wegweisenden Künstlers wie Louis Armstrong auf 3 CDs bzw. 67 Stücke so zu kondensieren, dass man guten Gewissens dazu raten kann, wenn jemand das Bedürfnis haben sollte, das Genie mit nur einem günstigen Kauf „abdecken“ zu wollen. Bei diesem einen Kauf dürfte es, sind erst einmal Neugier und Leidenschaft geweckt, zwar nicht bleiben, doch die schönste chronologische Satchmo-Zusammenstellung, das Satchmo-Album für die einsame Insel, ist es vielleicht doch. Noch dazu ansprechend gestaltet mit einem 96-seitigen Büchlein, das liebevoll mit schönen Fotos und zweisprachigen Texten (französisch/englisch) von Daniel Nevers und Irakli versehen wurde. Es müsste schon seltsam zugehen, wenn jemand, der sich dem Vergnügen hingibt, die Musik zu hören und die Kommentare zu lesen, danach nicht von der Größe des Musikers überzeugt wäre, der für die meisten ja nur der Sänger mit den rollenden Augen ist, der „Hello Dolly“ sang. Das war später. Die Auswahl beginnt beim ersten Solo bei King Oliver 1923 und endet aus rechtlichen Gründen 1956, im Zweiergesang mit Ella Fitzgerald. Bis dahin hatte Satchmo schon nicht nur jeden geprägt, der etwas mit Jazz zu tun hatte, sondern mehr Herzen tief im Inneren berührt als es den meisten Menschen je vergönnt ist. Louis Smith:
Here Comes Louis Smith Zehn CDs der Rudy Van Gelder Edition erschienen in diesem Frühling bei Blue Note. Damit auch die Möglichkeit zu Überraschungen, beziehungsweise Entdeckungen von vor einem halben Jahrhundert nachzuvollziehen. Wie Gräber angesichts eines Riesengoldklumpens müssen sich Alfred Lion und seine Freunde gefühlt haben, als sie ein bereits fertiges Album eines unbekannten Trompeters abhörten, das sie – entgegen ihrer Gewohnheiten alles selbst zu produzieren – gleich herausbrachten. Da hatten sie 1957 einen begnadeten Solisten ins Boot geholt, den man – erst ein Jahr nach dessen Tod – als „nächsten Clifford Brown“ vermarkten konnte und eine Begleitband von mit allen Wassern gewaschenen Profis, denen es hörbar Spaß machte, mit Louis Smith zu musizieren. Parkers Pianist Duke Jordan bzw. dessen damals allgegenwärtiger Kollege Tommy Flanagan teilten sich die Freude an den Tasten, begleitet vom Bassisten Doug Watkins und dem Drummer Art Taylor. Hinter dem Pseudonym Buckshot La Funke versteckte sich der gutgelaunte Altist Cannonball Adderley. Trotz klitzekleiner Schwächen spielte Smith mit so ansprechendem Sound und so einnehmenden Einfällen, dass man von einer großen Karriere hätte ausgehen können. Erst vor einigen Monaten wurde mit „Live in Newport ’58“ seine Zeit bei Horace Silver dokumentiert. „Smithville“, ebenfalls 1958, erscheint demnächst in Blue Notes Connaisseur-Serie. Jutta Hipp:
Jutta Hipp With Zoot Sims Alben von Jutta Hipp wiederzuveröffentlichen ist angesichts ihrer sehr übersichtlichen, sich nur über vier Jahre erstreckenden Diskografie besonders verdienstvoll. Die Aufnahmen mit Zoot Sims aus dem Jahr 1956, die letzten der erst 2003 verstorbenen Pianistin, sind legendär – doch werden sie ihr auch gerecht? Der Tenorist passt zu ihr wie ein Seelenbruder, doch musiziert er so entspannt und inspiriert, dass man ihm die Hauptgestaltungskraft zuerkennen muss. Ihm tut die „live wirkende“ Atmosphäre der Studioaufnahmen gut. Der Trompeter Jerry Lloyd ist nur ein moderater Zugewinn in einer Band, die mit dem Bassisten Ahmed Abdul-Malik und dem Drummer Ed Thigpen zwei damals noch nicht so bekannte, doch herausragende Rhythmusmusiker bietet. Hipp spielt sehr hörenswert, doch um jenen Tick weniger an Gelöstheit und Autorität, der den Unterschied macht. Sie befand sich (nicht nur persönlich als Auswanderin) in einer Phase des Übergangs, hatte ihre jahrelange Prägung durch Tristano ergänzt durch eine durch neu einwirkende Hörerfahrungen, etwa Horace Silver – eine Mixtur, die sie für die Westküste prädestiniert hätte. Die neue Stilmischung ist noch nicht ganz ausgereift. Dabei ist die Unsicherheit des Riesentalentes weniger zu hören als zu spüren, vor allem wenn man die souveräneren, früheren deutschen Aufnahmen im Ohr hat. Wir ahnen, was uns durch das Scheitern ihrer Musikkarriere entging. Ike Quebec:
Blue & Sentimental Der in den 40er-Jahren bei Cab Calloway bekannt gewordene Tenorist Ike Quebec schlug sich in den 50er-Jahren mit Taxifahren und anderen Jazz-fernen Jobs durch, bevor er 1959 beim Kultlabel Blue Note wieder eine Heimstätte fand. Das Label hatte mit Quebec nicht nur einen Musiker an Land gezogen, der wie die großen Alten mit seelenvollem Ton Geschichten auf seinem Horn erzählte, er passte ebenso gut in die neue Ära des Soul Jazz. Vor allem profitierten sie von Quebec als einem verdienstvollen Talent-Scout, der zum Beispiel Alben von Dexter Gordon produzierte. Unter seinen eigenen Alben für Blue Note nimmt „Blue & Sentimental“ eine Sonderstellung ein, denn hier hört man den Musiker, der sonst meist mit Organisten oder zumindest Pianisten ins Studio ging, ohne Begleitung eines Tasteninstrumentalisten (bis auf ein Stück mit Sonny Clark). Sieben der acht überwiegend aus Balladen und Blues bestehenden Stücke wurden 1961 mit einem intimen, luftigen Traumquartett eingespielt, dem der Gitarrist Grant Green, der Bassist Paul Chambers und der Drummer Philly Joe Jones angehörten. Mit seinem betörenden Sound und seiner gefühlsstarken Spielweise, einem Stil, den man irgendwo zwischen Ben Webster und Gene Ammons ansiedeln könnte, spielt er ganz tief aus der Soul. Zwei „bonus tracks“ ergänzen das ursprüngliche Album. Leider starb er schon 1963 bevor er die Früchte einer einsetzenden Popularität ernten konnte. Horace Silver: Further Explorations By The Horace Silver Quintet Warum ein Album berühmt wird, ein anderer ebenso großer Wurf nicht? „Further Explorations“ steht anderen Horace-Silver-Alben in nichts nach, aber es enthält eben keinen Hit aus der Feder des Komponisten von „The Preacher“ und „Song For My Father“. Silver schrieb, abgesehen von Arlens „Ill Wind“ alle Stücke des Albums, hat sie aber offensichtlich kaum je wieder gespielt. Auch wenn sie keine Standards wurden, sind sie voller faszinierender Einfälle. Darunter sind „schwierigere“ Stücke wie „The Outlaw“ (ein 54-Takter!) und „Melancholy Mood“ (eine Folge siebentaktiger Phrasen!) deren Bauart anno 1958 ungewöhnlich war. Untypisch im Rückblick ist auch die kurzlebige Musiker-Konstellation mit dem Trompeter Art Farmer, dem Tenoristen Clifford Jordan, dem Bassisten Teddy Kotick und dem Drummer Louis Hayes. Erst ein Jahr später hatte er die langlebige Frontline mit Blue Mitchell und Junior Cook. Auch die übrigen Neuheiten der RVG seien wärmstens empfohlen, obgleich sie keine Kultalben wurden wie andere Werke ihrer Urheber: Freddie Redd: „Shades Of Redd“ (mit Jackie McLean und Tina Brooks), Stanley Turrentine: „Look Out!“ (mit Horace Parlan), Wayne Shorter: „The Soothsayer“ (mit Freddie Hubbard, James Spaulding, McCoy Tyner, Ron Carter, Tony Williams); Lou Donaldson: “Here ‘Tis” (mit Grant Green) und zwei Folgen „Jimmy Smith Live At The Club Baby Grand“ (im Trio mit Thornel Schartz und Donald Bailey). Marcus A. Woelfle |
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