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Die diesjährige „jazzahead!“ in Bremen hat wieder einmal die Frage aufgeworfen, ob angesichts der Dominanz komponierter Strukturen bei vielen Formationen die Improvisation noch als Kriterium für Jazz gelten kann. Wer wie ich viele Jahre die zeitgenössische Musik begleitet hat, sieht die Grenzen zwischen Jazz und Neuer Musik schon lange als hinfällig an. Parallelen gibt es auch im Publikumszuspruch – mehr als es den Jazzfans lieb sein mag. Tief eingewurzelt ist das Misstrauen gegen die „Hochkultur“, gegen die sich der Jazz mit seiner Nähe zum Publikum gerne abgrenzt. Zum einen hatte der Jazz – zumindest in Europa – als Tanzmusik mit hohen Popularitätswerten begonnen, zum anderen garantiert die Technik der spontanen Erfindung von Musik, vulgo Improvisation, die Aura von Authentizität, im Gegensatz zur Realisation mühsam ersonnener Kompositionen. Das kann ja nur für Spezialisten sein. Die Realität sieht anders aus. Jazz und Klassik sind sich näher, als die Jazzer es gerne hätten. Beide besitzen ihre Blockbuster, die Arenen füllen und Phantasiepreise erzielen. Herbie Hancock ist die Anna Netrebko des Jazz. Und beide haben eine
breite Basis, für die die Musik eine Auseinandersetzung mit der Gegenwart
in der Sprache von Kultur darstellt und die auf dem ehrenwerten und frustrierenden
Prinzip der Selbstausbeutung beruht. Ein Spezialistenensemble für
Neue Musik mag in seiner lokalen Konzertreihe vor 80 Zuhörern spielen – das
ist wenig, aber viel mehr, als man in den meisten Jazzclubs erwarten
darf. Wer die kleinsten Kuchenstücke serviert bekommt, sollte sich nicht die Krümel streitig machen, sondern sich an die wenden, die den Kuchen backen. Christoph Becher |
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