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Jazzzeitung
2006/10 ::: seite 16
rezensionen
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John Gennari: Blowin’ Hot and Cool/Jazz and its critics, The University
of Chicago Press, 480 Seiten
Eine gute Idee, eine Geschichte der Jazzkritik zu schreiben. Doch
wer ist eigentlich ein Jazzkritiker? John Gennari beschränkt sich
leider auf die traditionelle Definition (Verfasser von Besprechungen
für Zeitungen und Zeitschriften). Nachdem aber die Grenzen zum
Buchautor, zum Rundfunk- und Fernsehmitarbeiter, zum Jazzlehrer und
-wissenschaftler immer fließender werden, wäre der Begriff
Jazzpublizist viel sinnvoller. Leider geht Gennari auch nicht der doch
so nahe liegenden Frage nach, welche Voraussetzungen ein Jazzkritiker
mitbringen muss, um gute Arbeit leisten zu können. Dass er eine
notwendige Funktion hat, ist leicht einsehbar. Er berichtet und urteilt,
gibt mithin Informationen über die Musik nebst seiner Meinung darüber
an einen großen Leser-, Hörer- und Zuseherkreis weiter. Gennari
beschreibt in seinem Buch die Arbeit der bekanntesten amerikanischen
Jazzkritiker und die musikalisch-gesellschaftliche Situation in der
sie lebten – und die sich im Laufe des 20. Jahrhunderts ständig
verändert hat – ausführlich und anschaulich. Viel Platz
nimmt die Schwarz-Weiß-Situation ein, die die amerikanische Jazzkritik
ständig beschäftigte. Schade, dass Euro-pa (wieder einmal)
zu kurz kommt. André Hodeirs zweites Buch „Toward Jazz“
wird nicht einmal erwähnt, Max Harrison nur einmal kurz genannt,
John Chilton und Frank Büchmann-Møller fehlen ganz. Und
die letzten Jahrzehnte kommen entschieden zu kurz. Trotzdem sehr empfehlenswert.
Silvano Luca Gerosa/Karoline Thürkauf (Hrsg.): Jazz Life –
Essays zum Alltag von Jazzmusikern anhand ihrer Autobiographien, Peter
Lang Verlag Frankfurt, 197 Seiten
Im Wintersemester 2001/2002 untersuchten 13 Studentinnen und Studenten
am Historischen Seminar der Universität Basel die Jazzgeschichte
anhand von Autobiographien. Sechs dieser Referate (über Nina Simone,
Jelly Roll Morton, Charles Mingus, Eddie Condon, Miles Davis und Art
Pepper) bilden den Inhalt dieses Buches. Ich kenne alle der angeführten
Publikationen und kann von daher den Referenten bescheinigen, dass sie
sich ihres Themas mit Sorgfalt angenommen haben.
Es stellt sich freilich die Frage, wie gut sie vor der Lektüre
die Jazzgeschichte kannten, denn ohne Zweifel ist eine sehr genaue,
detaillierte Kenntnis notwendig, um die Aussagen einer Autobiographie
möglichst gut zu bewerten und in das komplexe Netzwerk dessen einordnen
zu können, was bisher im Jazz geschah; mancher der Autoren mag
hier etwas überfordert gewesen sein.
Das Unternehmen als solches ist aber sehr zu loben – noch immer
wird der Jazz, eine der wesentlichen Musikformen des 20. Jahrhunderts,
im Großen und Ganzen an unseren Universitäten stiefmütterlich
behandelt. Es fehlt hier der Platz, um auf Einzelheiten des Buches einzugehen.
Doch eines möchte ich im Zusammenhang mit den Aussagen schwarzer
Musiker/-innen zu bedenken geben: Vielen von ihnen lag die Musik ihrer
weißen Kollegen nicht. Dass es auch andere Möglichkeiten
der Tonbildung, Phrasierung und so weiter gab, was schon in den 20er-Jahren
unter anderen Bix Beiderbecke, Jack Teagarden, Joe Venuti und Eddie
Lang zeigten, wollten sie nicht recht einsehen. Von da war kein weiter
Weg mehr bis zur Ablehnung weißer Musiker. Von Anfang an aber
war der Jazz ein schwarz-weißes Produkt. Wenn auch die Genies
des Jazz zum größeren Teil Schwarze waren – die großen
Jazzmusiker bestanden nicht nur aus Genies.
Brett Howard: Lena Horne, Melrose Square Publ.Co. Los Angeles, 222 Seiten
Die Sängerin Lena Horne (geb. 1917) hatte es ihr Leben lang nicht
leicht, und sie machte es sich auch nicht leicht. Ihrem Aussehen nach
hätte sie auch als Weiße gelten können – aber
das wollte sie nicht. Sie hatte keine Bluesstimme – das nahmen
ihr manche Schwarze übel (aber Ella Fitzgerald hatte auch keine!).
In den 40er-Jahren war sie der erste schwarze Filmstar Hollywoods –
man erwartete mehr Dankbarkeit von ihr, als sie zu geben bereit war.
Ihr zweiter Ehemann war der weiße Bandleader und Arrangeur Lennie
Hayton, der sie musikalisch sehr unterstützte – eine sehr
gute Ehe, aber ihr Vater sprach jahrelang nicht mehr mit ihr. Später
war sie eine der ersten Bürgerrechtlerinnen – eine schwierige
Position …
Aber sie war eben auch eine große Sängerin bis ins hohe Alter.
Man höre sich dazu etwa ihre CD „Seasons of a life“
an (Blue Note 7243 8 73930 2 8). Brett Howards Buch bietet eine gute
Einführung in ihr Leben und Werk.
Joe Viera |