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Ständig liest man, es würden immer weniger CDs verkauft. Da frage ich mich doch: Was passiert eigentlich mit all den nicht verkauften CDs? „Die wandern in den Schredder!“, sagt Petra erbarmungslos und zeigt mir einen Artikel, den sie gerade liest: Der DS360 Disc Shredder von Primera Technology, ein handliches Schreibtischmodell für 129,95 Dollar, vernichtet bis zu 300 CDs in der Stunde. „Übrig bleibt nur Plastik-Konfetti“, heißt es im Text mit sadistischer Genugtuung. Mein Entsetzensschrei hallt durchs ganze Haus: „Musik! Kunst! Kultur! Armstrong, Beatles, Chopin! Die Krone der westlichen Zivilisation! Zerhackt zu Plastik-Konfetti!“ Ich will es nicht glauben und rufe sofort meinen Freund Stefano in Italien an, den Musik-Produzenten. Nicht einmal Konfetti, sagt der, nur Kunststoffstaub bleibe da übrig, wenn die Industrie professionell CDs vernichte. „Die werden rezykliert zu Stoßdämpfern“, sagt er noch. Er muss dann dringend auflegen, denn der Deal seines Lebens hat gerade sein Büro betreten. „ABBa, Bartók, Coltrane!“, höre ich mich kreischen. „Zerbröselt zu Staub! Verklumpt zu profanen Stoßdämpfern!“ Petra findet das mit den Stoßdämpfern lustig: Kultur als Abfederung der Wirklichkeit. „Auch in ihrer Reinkarnation als Stoßdämpfer wappnet dich deine Lieblingsmusik gegen die Härten des Lebens“, sagt sie fröhlich. Vielleicht stimmt ja, dass kein Ton jemals verloren geht im Universum. Albinoni, Brubeck, Calexico: Der Geist unserer Musik beflügelt noch unsere Autos. Kürzlich sah ich am Straßenrand einen Baum, behängt mit CDs: Angeblich hält das Rehböcke und Braunbären vom Überqueren der Fahrbahn ab. Jetzt glaube ich eher: Das war eine Unfallstelle. Totalschaden. Und sie sind alle wiederauferstanden aus den Stoßdämpfern. Xenakis, Yes, Zorn. Rainer Wein |
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